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Ergebnis der DAZ-Umfrage
Gehaltstarif versus Realität: Wie groß ist die Diskrepanz?
Wie realistisch bildet der Gehaltstarifvertrag das Gehaltsgefüge in deutschen Apotheken ab? Das Ergebnis unserer nicht repräsentativen Umfrage zeigt: Die Lebenswirklichkeit sieht anders aus. Demnach erhalten nicht einmal 20 Prozent der teilnehmenden Apothekenangestellten „nur“ Tariflohn. Die große Mehrheit hat ein Gehalt, das darüber liegt. Für weniger arbeitet tatsächlich nur ein sehr geringer Anteil der Angestellten. Und es gibt ein deutliches Ost-West-Gefälle.
Bereits vor einer Weile hat die ehemalige Vorsitzende der TGL Nordrhein, Heidrun Hoch, sich dafür ausgesprochen, den Gehaltstarifvertrag der Realität anzupassen. Schließlich zahlten mittlerweile ohnehin die meisten Apotheken über Tarif. Sie schlägt daher vor, die tarifliche Tabelle an die tatsächlich gezahlten Löhne schrittweise anzunähern. Hoch hofft auf eine gewisse Außenwirkung. Schließlich wisse außerhalb der Branche keiner, dass in der Regel mehr bezahlt wird. Sie verspricht sich also davon, dass man sich ein bisschen „ehrlicher“ macht, dass sich Absolvent:innen und auch Schüler:innen bei der Berufswahl nicht von vermeintlich niedrigen Gehältern in der Apotheke abschrecken lassen. Doch stimmt das? Gibt der Rahmentarifvertrag so ein unrealistisches Bild über die Gehälter der Angestellten in den öffentlichen Apotheken? Apothekerin Helma Gröschel, die noch bis Mitte des vergangenen Jahres Vorsitzende des Verbands „Freie Apothekerschaft“ war, bejaht dies. Es gehe schon heute in vielen Apotheken ohne eine übertarifliche Bezahlung wohl nicht mehr, erklärt sie.
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Unsere nicht repräsentative Umfrage, an der sich über 2.000 Apothekenmitarbeiter:innen beteiligt haben, bestätigt diese Einschätzung ebenfalls. Lediglich 17,2 Prozent der Teilnehmenden arbeiten für Tariflohn, 3,4 Prozent erhalten ein Gehalt, das noch darunter liegt. Folglich verdienen knapp 80 Prozent der Angestellten über Tarif.
Die Mehrheit der Gehälter liegt im Bereich zwischen 10 und 19 Prozent über dem aktuellen Tarif, 40,62 Prozent der Teilnehmenden verdienen in diesem Bereich. 20,9 Prozent bekommen 20 bis 29 Prozent über Tarif. Zusätzliche regelmäßige Benefits wie Autonutzung, Zuschuss zum Kitaplatz, Tankgutscheine etc. lediglich 37,51 Prozent.
Ost-West-Gefälle
Allerdings ist im Osten Deutschlands der Anteil derer, die „nur Tariflohn“ erhalten, deutlich höher als in den übrigen Bundesländern.
Brandenburg | Mecklenburg-Vorpommern | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Thüringen | |
Mitarbeiter mit Tariflohn | 45,71 % | 32,26 % | 42,68 % | 50 % | 55,56 %
|
Die wenigsten Mitarbeiterinnen mit Tariflohn gibt es unserer Umfrage zufolge in Baden-Württemberg (5,88 Prozent), Bayern (9,35 Prozent) und Nordrhein (10,2 Prozent). Allerdings liegen in diesen Bundesländern auch Regionen mit besonders hohen Lebenshaltungskosten. Den höchsten Anteil unter den ehemaligen West-Bundesländern hat Niedersachsen mit 28,74 Prozent. In Berlin arbeiten demnach 23,08 Prozent für den tariflich vereinbarten Lohn.
Höhere Gehälter vor allem in größeren Apotheken
Darüber hinaus scheinen die hohen Gehälter (40 Prozent und mehr über Tarif) eher in größeren Apotheken bezahlt zu werden, was mit den jeweiligen Organisationsstrukturen zusammenhängen könnte, zum Beispiel, dass es Bereichsleitungen gibt.
Auf Bundesebene lässt sich kein Zusammenhang zwischen dem Standort und dem Gehalt zeigen, was an den großen Unterschieden zwischen den Regionen liegen dürfte. Greift man einzelne Bezirke raus, sieht das etwas anders aus. So lässt sich tendenziell ein Zusammenhang zwischen Einwohnerzahl und Gehalt feststellen. Allerdings sind die jeweiligen Teilnehmerzahlen auf dieser Ebene nur noch klein und daher kaum für allgemeingültige Rückschlüsse geeignet.
Über Tarif, aber im Vergleich dann doch wenig
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Gehälter in der Realität in vielen Regionen besser sind als der Tarif. Das mag für die Außenwirkung schlecht sein. Allerdings wandern auch einige, die bereits im Beruf stehen und die reale Situation kennen, aus der Apotheke ab. Denn zumindest im Vergleich mit der Industrie kann auch eine bereinigte Gehaltstabelle nicht mithalten. Außerdem ist es in vielen Fällen nicht das Geld, das Kolleg:innen dazu veranlasst, der Apotheke den Rücken zu kehren, sondern – wie so oft – ist es ein multifaktorielles Geschehen.
*Korrektur: es war ursprünglich vom Rahmentarif die Rede, gemeint ist natürlich der Gehaltstarif. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen
7 Kommentare
Gehaltstarif
von L. Oellers am 02.02.2022 um 17:38 Uhr
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Bitte noch nach Berufszugehörigkeit aufschlüsseln
von Michael Reinhold am 02.02.2022 um 16:18 Uhr
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Apotheker
von Frank Nemetschek am 01.02.2022 um 20:38 Uhr
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Gehaltstarif
von Dr. Heidrun Hoch am 01.02.2022 um 19:10 Uhr
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Alles relativ...
von Thomas Eper am 01.02.2022 um 14:00 Uhr
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AW: Alles relativ
von Holger am 07.02.2022 um 8:40 Uhr
Tarifvertrag
von Holger am 01.02.2022 um 8:36 Uhr
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