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Omikron
Was versteht man eigentlich unter einem „milden Verlauf“?
Alle Welt hofft derzeit auf einen „milden Verlauf“ von COVID-19 unter der neuen Coronavirus-Variante Omikron. Doch was versteht man darunter eigentlich? Wer sich jetzt noch immer nicht impfen lässt, der sollte auch an mögliche subklinische Organschäden denken und an Long-COVID erinnert werden – und das auch bei milderen und asymptomatischen Verläufen. Grund zur Panik besteht nicht, dennoch sollte man sich angesichts eines „milderen Verlaufs“ nicht zurücklehnen.
Im „Coronavirus-Update“ des NDR-Podcasts ging es in Folge 107 am 4. Januar auch um das Thema „mildere Verläufe“ unter Omikron. Der Virologe Christian Drosten der Berliner Charité versuchte allgemeinverständlich in Worte zu fassen, was man sich unter einem milden Verlauf vorzustellen hat.
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Milde und moderate Verläufe – damit meine man alles, was nicht schwere Verläufe sind. Man könne dann aber durchaus auch Fieber haben. Die Sauerstoffsättigung sei zwar noch über 94 Prozent, „normale Sauerstoffsättigung ist 98, 99 Prozent“, doch symptomatisch könne das häufig eine beginnende Atemnot sein, vor allem bei Belastung, wenn man sich bewegt: „Also dieser milde Verlauf, das ist das, wo man vielleicht, wenn man zu Hause ist, denkt: Na ja, also das ist jetzt nicht mehr harmlos. Also jetzt merke ich schon, die Lunge funktioniert nicht mehr so, das Atmen fällt schon schwerer.“
„Mild heißt nicht harmlos“
Am 5. Januar erläuterte auch Professor Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen an der München Klinik Schwabing, dem Science Media Center (SMC) in einem virtuellen Presse-Briefing die Schwierigkeit mit den milden Verläufen: „Das Wort mild ist ja auch zu hinterfragen, was heißt es? Das kann ja auch durchaus ein Patient sein, der vielleicht nicht sauerstoffpflichtig ist, aber der eine andere Problematik hat. Auch da ist noch kein abschließendes Bild zu zeichnen.“ Konkret wisse man gerade bei Omikron noch nicht, was die neue Variante für Long-COVID bedeutet. „Mild heißt nicht harmlos, um das auf eine kurze Formel zu bringen.“ Anlass für Wendtners Erläuterungen waren neue Daten aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
In der Pressemitteilung zu diesen Daten hieß es am 5. Januar: „Selbst milder COVID-19-Verlauf hinterlässt Spuren an Organen“. Wissenschaftler:innen des UKE hätten erstmals nachweisen können, „dass auch milde bis moderate Krankheitsverläufe mit COVID-19 vermehrt zu Beinvenenthrombosen führen und die Funktionen von Herz, Lunge und Nieren mittelfristig beeinträchtigen“.
In der „Hamburg City Health Study“ (HCHS) seien ab Mitte 2020 (also ungeimpft) insgesamt 443 Menschen zwischen 45 und 74 Jahren nach einer SARS-CoV-2 Infektion mit nur leichteren Symptomen umfassend untersucht worden. Ihre Daten seien mit denen von nicht an COVID-19 erkrankten Teilnehmenden der HCH-Studie verglichen worden. Dazu seien 1.328 Teilnehmer:innen ähnlichen Alters, Geschlechts und Bildungsstatus aus dem HCHS-Datensatz vor Ausbruch der Pandemie ausgewählt worden. Die überwiegende Mehrheit der Proband:innen (93 Prozent) sei rein ambulant behandelt worden, keiner benötigte eine intensivmedizinische stationäre Behandlung.
Die Studienergebnisse wurden als sogenannte „Fast track Publikation“ im European Heart Journal veröffentlicht.
Auf subklinische Organschäden untersuchen lassen?
Man hat also das Herz-Kreislauf- und das Gefäßsystem, die Lunge, die Nieren und das Gehirn auf Funktion, Struktur und mögliche Folgeschädigungen untersucht. Im Ergebnis sei im Mittel
- in der Lungenfunktionstestung bei den Teilnehmenden ein um etwa drei Prozent reduziertes Lungenvolumen sowie ein leicht erhöhter Atemwegswiderstand dokumentiert worden.
- „Die Herzuntersuchungen ergaben eine durchschnittliche Abnahme der Pumpkraft um ein bis zwei Prozent sowie eine 41-prozentige Erhöhung eines Markerproteins im Blut, welches Auskunft über die Belastung des Herzens gibt.“
- Durch die Ultraschalluntersuchung der Beine konnten zwei- bis dreifach häufiger Zeichen einer erfolgten Beinvenenthrombose nachgewiesen werden, was als zentrales Ergebnis der Analyse bezeichnet wird.
- „Ebenso wurde bei den Proband:innen nach SARS-CoV-2-Infektion eine Abnahme der Nierenfunktion um etwa zwei Prozent festgestellt.“
Struktur und Leistungsfähigkeit des Gehirns nach einer SARS-CoV-2 Infektion habe analog zur erfragten Lebensqualität jedoch keine Verschlechterung im Vergleich mit der Kontrollgruppe ergeben.
Der Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums am UKE Stefan Blankenberg sprach mit der „Tagesschau“ im Interview über die Studie. Demnach lassen sich die Daten (Ungeimpfter) auf die Omikron-Variante zwar nicht hundertprozentig übertragen, aber wenn die Omikron-Variante auf nicht geimpfte Personen treffe, dann könnten auch bei diesen Menschen längerfristige Beeinträchtigungen auftreten.
Grundsätzlich besteht kein Grund zur Panik, denn es handelt sich um subklinische Organschäden, man müsse diese also nicht unbedingt spüren. Blankenberg rät jedoch, sich ein halbes oder dreiviertel Jahr nach der Erkrankung das Blut, die Niere und die Herzwerte messen zu lassen. Der Körper könne sich selbst erholen, es sei aber auch möglich, dass man erst in zehn oder 20 Jahren eine Herzschwäche oder Lungenprobleme bekomme.
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