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Interview Teil 2
Hih-Chef Debatin: Ein Testlauf mit 42 E-Rezepten ist zu wenig
Patienten wollen sich für Rezeptverlängerung nicht ins Wartezimmer setzen
Sie haben ja viel Erfahrung in Sachen Digitalisierung, immerhin waren sie maßgeblich an der digitalen Transformation der Uniklinik in Hamburg-Eppendorf beteiligt. Gab es damals auch solche Widerstände gegen die Neuerungen?
Ja, das waren die härtesten drei Monate meines Berufslebens. Mit der konsequenten Einführung eines Krankenhaus-Informationssystems verändern Sie die Grundlagen des medizinischen Tuns, wir sprechen hier über eine wirklich elementare Umstellung. Dass von so viel Veränderung nicht alle auf Anhieb begeistert waren, liegt in der Natur der Sache. Es gab einen Chefarzt, der es weder gut mit mir noch der Digitalisierung meinte. Um das Projekt zu Fall zu bringen, veranlasste eine Abstimmung unter seinen Ärzten, ob sie das Krankenhausinformationssystem (KIS) behalten wollten oder nicht – und sehr zu seiner wie auch meiner Überraschung sprach sich die Mehrheit dafür aus, es zu behalten. Das Problembewusstsein der Assistenzärzte ist halt ein anderes als das eines Chefarztes: Wenn der Chefarzt zur Visite kommt, ist alles vorbereitet. Der Assistenzarzt hat den gesamten Tag damit verbracht, alle Unterlagen zusammenzusuchen. Wenn das plötzlich alles elektronisch geht und er die Zeit nicht mehr verschwenden muss, wird der Nutzen eines solchen Systems unmittelbar erlebbar.
Was muss passieren, damit die digitale Transformation zum Erfolg wird?
Das wird sich von ganz allein ergeben, denn die Patienten fordern die Digitalisierung mehr und mehr ein. Die Wenigsten haben Lust, für eine Rezeptverlängerung einen Termin in der Praxis zu machen und sich ins Wartezimmer zu setzen. Wenn Sie als Gynäkologe keine Online-Sprechstunden mit elektronischer Terminvergabe anbieten, in der beispielsweise Frauen unkompliziert ein neues Pillenrezept bekommen können, werden Ihnen die Patientinnen auf Dauer verloren gehen. Viele potenzielle Nutzer haben verstanden, wie ihnen E-Rezept, ePA und elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung das Leben erleichtern können. Auf Dauer wird es niemand mehr akzeptieren, dass Laborwerte doppelt erhoben werden, weil die Kommunikation zwischen den Leistungserbringern nicht funktioniert. Diesen Druck brauchen wir.
Die Telematikinfrastruktur in ihrer aktuellen Form kommt recht sperrig daher. Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf und kann die von der Gematik entworfene TI 2.0 Abhilfe schaffen?
Die Technologie, die wir derzeit für die TI verwenden, kommt aus dem vergangenen Jahrzehnt. Insofern ist es nicht überraschend, dass das System aus unserer heutigen Perspektive doch recht umständlich wirkt. Wir standen vor der Wahl, mit dem zu starten, was wir haben, oder bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu warten, bis wir eine perfekte Lösung bieten können. Dass sich Jens Spahn für Variante eins entschieden hat, halte ich für vollkommen konsequent und richtig, auch wenn die eingesetzte Technologie nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Vieles an Fortschritt scheitert momentan an den Schnittstellen. So zum Beispiel das Angebot von Red Medical: Die größte Hürde für die Konnektoren-Lösung dieses Anbieters ist offenbar die Anbindung an das Warenwirtschaftssystem der Apotheke. Wir brauchen solche Innovatoren in jeder Ausbaustufe der TI. Und natürlich müssen wir weg von der Hardware und hin zu einer Software-basierten Struktur. Nur damit werden wir in Zukunft flexibel auf Innovationen reagieren können.
1 Kommentar
KBV widersetzt sich BMG
von Thomas B am 20.12.2021 um 14:35 Uhr
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