Nationale Reserve

Spahn: Kein Grippeimpfstoff-Chaos wie im vergangenen Jahr

Berlin - 06.10.2021, 13:45 Uhr

Wieler, Mertens und Spahn (von links nach rechts) warben heute in Berlin für die Impfung gegen Grippe. (Foto: IMAGO / Metodi Popow)

Wieler, Mertens und Spahn (von links nach rechts) warben heute in Berlin für die Impfung gegen Grippe. (Foto: IMAGO / Metodi Popow)


Auch in diesem Jahr legt der Bund wieder eine Nationale Reserve an Grippeimpfstoffen an. Bundesgesundheitsminister Spahn versprach heute in Berlin: Eine Situation wie vor knapp einem Jahr, als Impfstoffe gegen Influenza erst Mangelware, dann Ladenhüter waren, werde sich nicht wiederholen.

Der Herbst ist da – und mit ihm kommt traditionell auch die Grippe-Impfsaison. Am heutigen Mittwoch warben Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), STIKO-Chef Professor Thomas Mertens und RKI-Präsident Professor Lothar Wieler vor Journalisten in Berlin dafür, sich gegen Influenza immunisieren zu lassen. Mit Blick auf die Coronavirus-Pandemie komme der Grippeimpfung wie schon im vergangenen Jahr eine besondere Rolle zu – denn es gelte, die Belastung der Krankenhäuser hierzulande durch Influenza-Fälle so gering wie möglich zu halten, um Kapazitäten für COVID-19-Patienten freizuhalten.

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Wieler unterstrich, was in Fachkreisen bereits seit einigen Wochen prognostiziert wird: Ohne adäquaten Schutz könnte die Grippesaison 2021/22 ungewöhnlich heftig ausfallen. Denn in der vergangenen Saison war die alljährliche Grippewelle praktisch ausgefallen – auch deshalb, weil die Menschen wegen der Pandemie Kontakte beschränkt, Mundschutz getragen und besonders viel Wert auf Hygiene gelegt hätten. Nun fehle die Grundimmunisierung in der Bevölkerung und der Impfung komme deshalb eine wichtige Rolle zu, um die Zahl der Grippeinfektionen in Schach zu halten.

Nationale Reserve

Um die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Grippeimpfstoffen sicherzustellen, legt der Bund auch in diesem Jahr eine sogenannte Nationale Reserve an, informierte Spahn. Schon in der vergangenen Saison hatte er rund sechs Millionen Grippeimpfstoffdosen zusätzlich zu den Bestellungen der Ärztinnen und Ärzte sowie der Apotheken ins System gespeist, allerdings zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Als die Nachfrage nach der Impfung hoch war, war es zu Engpässen gekommen – erst Wochen später schleuste der Bund seine Reserve in den Markt. Zu diesem Zeitpunkt wollte sich allerdings kaum noch jemand immunisieren lassen, und die Vakzinen verfielen vielerorts in den Kühlschränken der Apotheken.

Um die Apotheken von den wirtschaftlichen Verlusten zu entlasten, die ihnen durch diese Situation entstanden sind, stellt der Staat nun 16 Millionen Euro bereit, die über den DAV beziehungsweise den Nacht- und Notdienstfonds verteilt werden sollen. Eine entsprechende Verordnung trat gestern in Kraft. In diesem Jahr soll sich solch ein Chaos nicht wiederholen, versprach Spahn. „Wir konnten viel früher bestellen, weil wir wussten, dass wir uns vorbereiten müssen“, sagte der Minister. Im Jahr 2020 habe man erst im März/April reagiert – zu spät, räumte Spahn ein.

Dennoch verzeichnete Deutschland in der vergangenen Saison eine Rekordzahl an Grippeimpfungen: Mehr als 22 Millionen seien es gewesen, so Spahn. Üblicherweise ließen sich nur etwa 15 bis 18 Millionen Menschen pro Jahr gegen Influenza immunisieren.

Grippe und COVID-19: gleichzeitige Impfung möglich

In diesem Herbst stehen erstmals sowohl Grippe- als auch COVID-19-Impfungen gleichzeitig auf dem Programm. Zunächst hatte die Ständige Impfkommission (STIKO) hier einen Abstand von 14 Tagen empfohlen, resümierte der STIKO-Vorsitzende Mertens. Das sei allerdings eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Man habe bei der COVID-19-Impfung klar sehen wollen, welche Impfreaktionen und Nebenwirkungen auftreten können. Inzwischen spricht aus STIKO-Sicht nichts mehr dagegen, sich gleichzeitig gegen Influenza und COVID-19 immunisieren zu lassen, sofern die Applikationen an unterschiedlichen Gliedmaßen erfolgten.

Was die Schutzwirkung der Corona-Impfung betrifft, hatte Mertens ermunternde Botschaften im Gepäck. Berichte über ein Nachlassen der Schutzwirkung mit der Zeit bestätigten sich aktuell hauptsächlich, was das Ansteckungsrisiko betrifft. „Der Schutz vor schweren Erkrankungen, Hospitalisierung und Tod ist weiterhin gut“, betonte Mertens. Ausnahmen bildeten Immunsupprimierte und Senioren. Für die Betroffenen empfiehlt die STIKO inzwischen eine Dritt- beziehungsweise Boosterimpfung. Auch die EMA sprach vor wenigen ihre Empfehlungen zu Dritt- und Auffrischimpfungen aus. Der STIKO-Chef hob hervor, dass knapp jeder dritte Immunsupprimierte, der auf eine erste abgeschlossene COVID-19-Impfserie nicht reagiert hat, auf die Drittimpfung anspricht.

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Ohne Impfschutz bleiben jedoch vorerst Kinder – ein ernstzunehmendes Problem, wie RKI-Präsident Wieler betonte. Denn auch sie könnten Long-COVID entwickeln, also langfristig an den Nachwirkungen einer COVID-19-Erkrankung leiden. Entsprechende Daten würden bald publiziert, kündigte Wieler an. Er sprach sich klar dafür aus, in Kitas und Schulen ebenso wie in Pflegeheimen die bekannten Schutzmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Bestrebungen einzelner Bundesländer, die Maskenpflicht an Schulen aufzuheben, sieht der Experte kritisch.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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