Kommentar zur Coronavirus-Testverordnung ab 11. Oktober

Pandemieende per Verordnung?

23.09.2021, 11:30 Uhr

Geschlossenes Test-Center in Berlin. (c / Foto: IMAGO / Emmanuele Contini)

Geschlossenes Test-Center in Berlin. (c / Foto: IMAGO / Emmanuele Contini)


Die neue Coronavirus-Testverordnung ist für viele Apotheken eine deutliche Zäsur. Viele von uns haben in den letzten sieben Monaten ungeheure zusätzliche Energie in den Aufbau von Schnellteststellen gesteckt und mit neuen Teams zusammen deutlich über die Belastungsgrenze hinaus gegen das Virus gekämpft. Ein Gastkommentar von Dr. Olaf Rose. 

Zusammen mit der schwierigen Beschaffung oder Herstellung von Pandemieware, dem blitzartigen Verteilen von Masken und dem sich gebetsmühlenartig im Wochenrhythmus ändernden Ablauf der Corona-Impfstoff-Belieferung ist die flächendeckende Versorgung mit Schnelltestmöglichkeiten durch Apotheken eine ganz entscheidende Säule in der Pandemiebekämpfung.

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Was bedeutet das Ende der Gratistests für die Apotheken?

Testen ist richtig und wichtig. Es hat uns maximal gefordert. Und auch hier gilt das Credo unserer ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening: „Mit uns ist es (oder wäre es) besser gelaufen“. Hätte man das Betreiben von Teststellen auf die Gesundheitsberufe begrenzt, wären uns die unschönen Auswüchse mancher fachfremden Teststelle jedenfalls erspart geblieben.

Es bleibt eine Handvoll unklarerer Testansprüche

Wie aber ist die neue Corona-Testverordnung zu verstehen? Handelt es sich hierbei um das verordnete langersehnte Pandemieende? Dieser Eindruck beschleicht einen bei der Lektüre der Testverordnung rasch. Zwar hat man sich große Mühe gemacht, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu definieren, die sich auch ab dem 11. Oktober noch testen lassen können. Schnell stellt man aber fest, dass einige dieser letzten Ausnahmen eigentlich gar keiner Tests mehr bedürfen und kaum überprüfbar sind. Schwangere lassen sich hoffentlich impfen, Schüler können ihren Schülerausweis vorzeigen und sich auf das Testkonzept der Schule berufen. Für eine Handvoll unklarer Testansprüche à 11,50 € magerer Vergütung (Österreich 25 €) ergibt es weder Sinn, das Risiko für KV-Kürzungen in Kauf zu nehmen, noch die umfangreichen Dokumentationen durchzuführen. Auch die räumliche Trennung und EDV-Ausstattung einer Teststelle kann so nicht vorgehalten werden. Die Unterbrechung der Arbeit, das Wechseln in einen stets neuen Einmalkittel, das Ablegen von Schmuck unter den Handschuhen und die Komplettdesinfektion des Arbeitsplatzes werden durch die Gesundheitsämter zu jeder Testung gefordert und kontrolliert, sind aber für die wenigen Einzelfälle nicht mit dem Betrieb einer Apotheke zu vereinbaren. Außerhalb von Apotheken (oder Praxen, die ja immerhin nicht kontrolliert werden und somit kosteneffizienter arbeiten können) kann es ab Oktober allemal keine Teststellen mehr geben. Das ist offensichtlich gewollt.

Schnelltest gegen Barzahlung

Einzig realistische Möglichkeit zur Aufrechterhaltung eines halbwegs ernstgemeinten Testangebots für Deutschland wäre damit ein Schnelltest gegen Barzahlung einer hohen Summe oberhalb von 25 € in Apotheken oder Praxen. Damit macht man sich bei Laientestpreisen von 2 € aber maximal lächerlich. Eine angemessene Vergütung des bürokratisch verordneten Aufwandes wird kein vernünftiger Bürger zahlen wollen. Man kommt also nicht umhin, die neue Corona-Testverordnung als das Ende jedweder Testungen in Deutschland zu interpretieren. Ob das so gewollt ist? Nach der Wahl die Sintflut? Was ist mit Tests vor Altenheimbesuchen, was mit Feiern? Erleben Laientests bei Vernünftigen eine letzte Renaissance oder ist uns jetzt alles egal? Vielleicht beschreibt diese Verordnung ja tatsächlich das Ende der Pandemie. Sicher aber das Ende der Pandemiebekämpfung. Man opfert eine wichtige Säule und gibt damit den Kampf gegen das Virus auf. Vertrauen in eine verordnete Normalität? Oder in die Impfung. Nun muss nur noch die Maske weg. „Ein Virus (ohne Hirn) war erfolgreicher als der Mensch (mit Hirn?)“. So könnte es in den Geschichtsbüchern stehen.

Dr. Olaf Rose PharmD ist  unter anderem In­haber dreier Apotheken im Raum Münster und Gastdozent an der PMU Salzburg. Außerdem ist er Autor zahlreicher DAZ-Beiträge, vor allem zum Thema Medikationsmanagement.

Mit Blick auf die zahlreichen Infektionen bei Geimpften beschwört man sehenden Auges das Entstehen weiterer „Variants of Concern“ herauf. Die bestehende Testinfrastruktur geht im Oktober jedenfalls für immer verloren. Ob das dann billiger oder teurer für uns wird, das mag man spätestens im Dezember in der fünften Welle beurteilen.


Dr. Olaf Rose, PharmD, Autor, DAZ.online
redaktion@daz.online


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