Bundestagswahl 2021 – Teil 5: AfD

„Bei der Arzneimittelproduktion auf Europa zu setzen, ist blauäugig"

Stuttgart - 16.08.2021, 07:00 Uhr

Der Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider, der seinen Wahlkreis in Gelsenkirchen hat, sitzt seit vier Jahren für die AfD im Gesundheitsausschuss. (c / Foto: IMAGO / Christian Spicker)

Der Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider, der seinen Wahlkreis in Gelsenkirchen hat, sitzt seit vier Jahren für die AfD im Gesundheitsausschuss. (c / Foto: IMAGO / Christian Spicker)


Die AfD hat ihre erste Legislaturperiode im Bundestag fast hinter sich gebracht. Im Vorfeld der Bundestagswahl zieht der Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider, der für die AfD-Fraktion im Gesundheitsausschuss sitzt, gegenüber der DAZ Bilanz. Außerdem erklärt er, warum er es für blauäugig hält, sich bei der medizinischen Wirkstoffproduktion auf Europa zu verlassen, wie er die Rolle der Apotheken in der Zukunft sieht – auch im Kontext der pharmazeutischen Dienstleistungen –, seine Sicht auf die Digitalisierung und warum der Nachwuchsmangel für ihn ein gesellschaftliches Problem ist.

Jörg Schneider sitzt seit vier Jahren für die AfD im Bundestag und ist Mitglied des Gesundheitsausschusses. Dessen Arbeit sei natürlich vor allem durch die Coronakrise geprägt gewesen, erzählt er gegenüber der DAZ. Aber grundsätzlich ist er von seiner ersten Amtszeit im Ausschuss etwas enttäuscht: „Ich hätte mir mehr Diskussionen gewünscht“, sagt er, „aber im Grunde finden die im Ausschuss nicht statt. Es werden nur zu jedem Tagesordnungspunkt die Statements der Parteien verlesen.“ Lediglich ansatzweise habe es im Zusammenhang mit den Befragungen zu Corona die Möglichkeit gegeben, nachzuhaken, eigene Thesen einzubringen und diese von Minister Spahn oder RKI-Chef Wieler bewerten zu lassen, sonst aber nicht, bemängelt er. Der AfD-Abgeordnete, der seinen Wahlkreis in Gelsenkirchen hat, wünscht es sich lebendiger, als er es jetzt in dieser Legislaturperiode erlebt hat. Schneiders Erkenntnis: „Die eigentlich wichtigen Gespräche finden nicht im Ausschuss oder im Plenum statt, sondern irgendwo, wo wir noch nicht dabei sind.“

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Positiv wahrgenommen hat Schneider die Rolle der Apotheken in der Pandemie: „Für die Apotheken ist es ein relativ erfreuliches Jahr gewesen, trotz aller Probleme, die es gab“, resümiert er. „Sie haben die Chancen, die ihnen geboten wurden, genutzt.“ Als Beispiel nennt er die Digitalisierung der Impfnachweise. „Die wurde von den Apotheken gut vorangetrieben. Dass es am Anfang nicht lief, weil das System überlastet war, war kein Versäumnis der Apotheken.“ Auch Schneider selbst musste aufgrund der anfänglichen Probleme mehrmals die Apotheke aufsuchen, um seinen Impfpass digitalisieren zu lassen, wie er berichtet. „Die Apotheken haben sich gut geschlagen“,  so sein persönliches Fazit.

Er selbst hätte sie sogar noch ein Stück weit mehr einbezogen – nämlich in das Testgeschehen. Schneider ist überzeugt, dass es weniger Wildwuchs gegeben hätte, wenn man die Apotheken stärker in die Pflicht genommen hätte. Für die Zukunft hält er es für den richtigen Weg, die Apotheken verstärkt in die Versorgung einzubinden. „Wir müssen den Apotheken die Möglichkeit geben, ihr Know-how und ihre Nähe zu den Kunden, insbesondere den Älteren, einzubringen und zusätzliche Dienstleistungen anzubieten“, erklärt er. Somit war in seinen Augen Corona ein guter Testlauf für etwaige zusätzliche Dienstleistungen.

„Dienstleistungen sind eine Möglichkeit, sich von den ausländischen Versendern abzugrenzen“

Die pharmazeutischen Dienstleistungen sieht er außerdem als einen Schritt auf dem Weg, das Gesundheitssystem effizienter zu machen und den Kassen Geld zu sparen – was in seinen Augen zweifelsohne notwendig ist. Jörg Schneider sieht hier die Möglichkeit, Leistungen aus den Kliniken oder den Arztpraxen in die Apotheken zu verlagern. Exemplarisch nennt er das Impfen. Darüber hinaus sieht Schneider in den Dienstleistungen eine Möglichkeit für die Apotheken vor Ort, sich von den ausländischen Versendern abzugrenzen: „So etwas wie Impfungen kann dann nicht mehr von DocMorris übernommen werden.“

„Rx-Versandverbot war nie die bevorzugte Lösung“

DocMorris und Co. den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu verbieten, war für Schneider allerdings nie die bevorzugte Lösung, um Chancengleichheit zwischen den Vor-Ort-Apotheken und den Versendern im Ausland herzustellen und so die Versorgung vor Ort zu sichern. Es sei zwar für die AfD wichtig, vor Ort zu versorgen, manche Menschen seien aber in ihrer Mobilität eingeschränkt – besonders mit einer älter werdenden Gesellschaft – und es würden immer mehr. Deswegen habe er den Versand immer als sinnvolle Ergänzung gesehen: „Für uns steht an erster Stelle die Versorgung der Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation. Das muss allerdings nicht DocMorris übernehmen, wenn die Apotheke vor Ort die Möglichkeit hat zu liefern“, merkt er an.

RxVV ist vom Tisch

Davon, dass man nun den rechtlichen Rahmen für den Botendienst als Regelleistung geschaffen hat, erhofft sich Schneider positive Effekte für die Vor-Ort-Apotheken im Wettbewerb mit den Versendern – auch, wenn diese natürlich durch die Pandemie ihr Geschäft zusätzlich ausbauen konnten. Ein Rx-Versandverbot ist in seinen Augen erstmal vom Tisch. Nur, wenn sich herausstelle, dass sich die Versorgung der mobilitätseingeschränkten Menschen allein mit dem Service der Vor-Ort-Apotheken gewährleisten ließe, könne man nochmal über ein Rx-Versandverbot reden – vorausgesetzt, es gehe an die Substanz der Apotheken und gefährde deren Bestand.

Grundsätzlich hält Schneider aber die Apotheke für einen wichtigen Baustein der Versorgung vor Ort. Durch Verlagerung von Aufgaben aus anderen Bereichen des Gesundheitswesens dorthin sieht er die Chance, dass neue Geschäftsfelder erschlossen werden, „sodass die 'DocMorrisse' dieser Welt den Apotheken nicht das Wasser abgraben werden“.

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Inwiefern das VOASG hier seinen Zweck erfüllt, muss man seiner Meinung nach noch ein wenig abwarten. Schließlich habe es mit der Maskenverteilung und den Impfzertifikaten Sondereffekte gegeben, die für die Apotheken lukrativ waren. „Die Politik muss den Rahmen schaffen, dass etwas funktioniert. Aber die Apotheken müssen die Chancen auch ergreifen, die man ihnen gibt“, so Schneider weiter. Das haben sie aber seiner Ansicht nach aktuell auch getan: „Die Zahl der Apotheken, die nicht an der Digitalisierung der Impfausweise teilgenommen hat, liegt im unteren einstelligen Prozentbereich. Man sieht, dass die Apotheken Interesse haben, Möglichkeiten, die ihnen angeboten werden, aufzunehmen. Sie machen aktuell ihre Hausaufgaben. Wir müssen im engen Austausch miteinander dafür sorgen, dass diese Möglichkeiten auch ausgeweitet werden.“ Er sieht aber die Apotheker auch in einer gewissen Bringschuld gegenüber der Politik, welche Dienstleistungen noch infrage kämen. Raum für eine Honorarerhöhung ohne zusätzliche Leistungen, also eine Anpassung des Fixums, sieht Schneider allerdings derzeit nicht.

„PTA müssen lernen und bereit sein, sich Wissen anzueignen“

Angesprochen auf die Zukunftsfähigkeit der Branche sieht Schneider vor allem bei den PTA Nachholbedarf. Hier gebe es Nachwuchsprobleme, weil der Job nicht attraktiv genug sei – wie in vielen Gesundheitsberufen, erklärt er. Schneider ist der Auffassung, dass man künftig an einer Akademisierung des PTA-Berufs nicht vorbei kommt. „Wenn Apotheken von reinen Einzelhändlern zu Gesundheitsdienstleistern werden sollen, reicht eine Ausbildung nicht. Dann muss man bei den PTA bessere Voraussetzungen schaffen, dass das umgesetzt werden kann. Sie müssen lernen und bereit sein, sich Wissen anzueignen. Der Trend zur Individualisierung in der Arzneimitteltherapie trägt dazu bei, dass es um weit mehr geht, als nur Packungen herauszureichen“, erklärt er. Und weiter: „Wir müssen weg davon, dass der Apotheker Verkäuferinnen um sich schart, das ist ein altes Bild. Wenn die Apotheken zusätzliche Aufgaben bekommen, wie Impfen oder Testen, müssen wir uns davon verabschieden.“ 

In Schneiders Augen braucht es eine grundlegende Reform der PTA-Ausbildung. Wenn weiterhin immer nur wenig nachgebessert werde, drohe eine immer größere Lücke zu den Approbierten. Die Apotheker sieht Schneider nämlich gut gerüstet für zusätzliche Aufgaben: „Die haben im Gegensatz zu den PTA durch ihre akademische Ausbildung gelernt, sich Wissen anzueignen“, erklärt er. Und auch beim Studium sieht er keinen übermäßigen Handlungsbedarf. Durch die Verzahnung von Forschung und Lehre gehe die universitäre Ausbildung mit der Zeit. Wenn PTA – entsprechend qualifiziert – zusätzliche Aufgaben wahrnehmen, müsse das natürlich mit einem besseren Gehalt einhergehen, was wiederum über zusätzliche Dienstleistungen in den Apotheken zu erwirtschaften sei.

Weniger Selbstständige durch „zunehmende Fixierung auf den Sozialstaat“

Die Nachwuchssorgen vieler Inhaber:innen lassen sich in Schneiders Augen nicht mit mehr Geld im System lösen. Selbständige Apotheker:innen verdienten aus Sicht eines Berufsanfängers immer noch sehr gut. Wegen ein paar Tausend Euro mehr mache sich keiner selbständig, davon ist Schneider überzeugt. Er sieht zwar die eine oder andere Stellschraube, mit der man kurzfristig ein paar Dinge ändern könnte, aber die grundsätzlich fehlende Bereitschaft, in die Selbständigkeit zu gehen, ist damit laut Schneider nicht zu beheben.

In den Nachwuchsproblemen der Apotheker zeige sich nämlich ein gesamtgesellschaftliches Problem, erklärt er. Dass die Bereitschaft sich selbständig zu machen, zurückgegangen ist, liegt seiner Meinung nach, an einer zunehmenden Fixierung auf den Sozialstaat, der alles regeln soll. „Die Menschen wollen alle Freiheiten haben, aber keine Verantwortung übernehmen“, erklärt der Abgeordnete. „Wir müssen wieder dahin kommen, dass Menschen Verantwortung für sich selber übernehmen. Sie können frei leben – das ist ein wesentliches Element unserer Gesellschaft und Grundordnung –, aber sie müssen dann auch mit den Konsequenzen ihres Handelns leben. Die Politik hat aber in den letzten Jahrzehnten die Menschen von dieser Verantwortung entbunden. Da müssen wir gegensteuern. Dann werden auch Apotheker wieder einfacher Nachfolger finden.“

„Größere Filialverbünde oder Ketten sind aktuell keine Lösung“

Größere Filialverbünde oder gar Ketten sind für Schneider zum jetzigen Zeitpunkt keine Lösung für das Problem der Nachfolgersuche: „Konzernstrukturen mit abhängigen Beschäftigungen würden an den zentralen Elementen des Apothekerdaseins rütteln“, erklärt er. „Wenn man irgendwann an den Punkt kommt, dass die Versorgung nicht mehr gesichert ist, müssen wir vielleicht auch über sowas nachdenken. Im Moment sehe ich aber noch nicht, dass wir alles über den Haufen werfen müssen. Das muss aber nicht für alle Ewigkeit so bleiben.“

„Wir müssen die Arzneimittelproduktion nationalisieren“ 

Das grundsätzliche Ansinnen im Gesundheitswesen, Geld zu sparen, gilt Schneider zufolge jedoch für einen Bereich nicht: die Arzneimittelproduktion. Durch die Globalisierung auch im medizinischen Bereich ist man in seinen Augen auf einen „merkwürdigen Weg“ gekommen: „Wir sind stark abhängig geworden vom Ausland“, erklärt er. Die Rabattverträge tragen maßgeblich zu dieser Globalisierung der Arzneimittelversorgung bei, so der Abgeordnete. Die AfD fordere in ihrem Wahlprogramm deren Abschaffung und Ersatz durch eine Festbetragsregelung. Sie hätten zwar am Anfang für massive Einsparungen gesorgt, mittlerweile habe sich das aber abgeschwächt.

Bei so etwas Wichtigem, wie der Arzneimittelversorgung, sollte man Geld in die Hand nehmen, um sie nicht nur wieder zu europäisieren, sondern zu nationalisieren. „Das wird Geld kosten“, räumt er ein, „aber das ist gut angelegtes Geld. Valsartan hat gezeigt, dass die Qualität in Indien, nicht die ist, die wir hier in Deutschland garantieren können.“  Nur auf eine Rückverlagerung der Arzneimittelproduktion nach Europa zu setzen, wie es die anderen Parteien tun, hält Schneider für blauäugig. „Ich bin ein Stück weit skeptisch, ob die Franzosen uns in einer Notsituation bereitwillig Ressourcen zur Verfügung stellen. Re-Europäisierung reicht da nicht, wir müssen das Ganze nationalisieren. Das Wort Nationalisierung wird nur von den anderen Parteien nicht gerne verwendet, es steckt national drin, das möchte man nicht. Man ist da sehr europafixiert“, erklärt er. Es gibt zwar in seinen Augen durchaus Dinge, die gut auf europäischer Ebene ansiedelbar sind, zum Beispiel im Lebensmittelbereich, aber so etwas wie die Arzneimittelproduktion hätte Schneider dann doch gerne in Deutschland beheimatet, weil er gerade in Notsituationen einen gewissen Egoismus der anderen Staaten befürchtet.

„Wo ist das Interesse an den Röntgenbildern von Tante Erna?“

Beim Thema Digitalisierung ist Schneider laut eigener Aussage „quer“ mit seiner Partei. Die stellt sich nämlich in ihrem Wahlprogramm ganz klar gegen den eingeschlagenen Weg der elektronischen Patientenakte (ePA) und spricht sich stattdessen für eine lokale Speicherung bestimmter Daten auf der Versichertenkarte eines jeden Patienten aus. Schneider hingegen ist großer Befürworter der ePA, wie er im Gespräch betont. Er sieht auch die Datenschutzprobleme, die von vielen hervorgebracht werden, nicht. „Man kann heutzutage alles hacken. Aber, wo ist das Interesse an den Röntgenbildern von Tante Erna? Was will man damit machen? Wenn man sich in die Datenbank von Daimler oder Siemens einhackt, ist das natürlich anders.“ Schneider sieht vor allem die Vorteile der Digitalisierung, zum Beispiel könne man Arzneimittel effizienter einsetzen, denn in den Patientendaten stecken viele bislang ungenutzte Zusatzinformationen. Er  will daher auch innerhalb seiner Partei noch einmal die „Werbetrommel rühren“ für die digitale Patientenakte.

Die aktuelle Diskussion um die Impfpflicht hält Schneider allerdings für kontraproduktiv: „Sie wird die Vorbehalte der Menschen gegen die Digitalisierung erhöhen, weil diese zu einem Kontrollinstrument ausgebaut wird. Die Politiker der Regierungsparteien sind hier nicht verantwortungsvoll. Eine Nutzung der Patientendaten als Kontrollinstrument wäre eine Nutzung, die ich nicht für richtig halte und der würde ich dann auch nicht zustimmen. Wenn wir Vertrauen verspielen, indem wir den Menschen die Akte vielmehr als Bedrohung verkaufen als etwas, aus dem sie Nutzen ziehen können, finde ich das schade.“ 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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7 Kommentare

AZ-Mittelproduktion nationalisieren?

von Pharmaziestudent am 20.08.2021 um 12:42 Uhr

Wie stellt er sich die Nationalisierung denn vor? Denkt er da an so kleine Medikamentmanufakturen die dann in Niederammerau oder so am morgen Ramipril und am Abend dann Haloperidol herstellen?

Ich find ja auch, dass die APS-Produktion wieder mehr nach Europa muss, aber die Vorstellung, Deutschland könnte für sich alleine annähernd eine Autonomie erreichen, liegt jenseits von Gut und Böse. Von der Medikamentenvielfalt, über die Anzahl der PatientInnen, zu den verschiedensten Lizenzmodellen einfach utopisch.

» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten

AW: AZ-Mittelproduktion nationalisieren

von Gunnar WITZMANN am 21.08.2021 um 9:03 Uhr

Macron hat Sanofi aufgefordert sie Produktion wichtiger Arzneimittel nach Frankreich zurückzuholen.
Als EU-Ratsvorsitzende hat Merkel geforderet, die Produktion wichtiger Arzneimittel nach Europa und Deutschland zurückzuholen.
Ist Ihnen nicht bekannt, daß Deutschland mal als "Apotheke der Welt" bezeichnet wurde ? Die Produktionskapazitäten Deutschlands können Sie sehr leicht selbst googlen. Und was Deutschland kann, sehen Sie doch aktuell , wie schnell der Aufbau von Produktionskapazitäten bei Impfstoffen geht.Ideologische Verblendung ist bei Sachfragen eben nicht sehr hilfreich. Für Sie ein kleiner Hinweis.

AW: AZ-Mittelproduktion nationalisieren

von Pharmaziestudent am 21.08.2021 um 9:54 Uhr

Die Produktion wichtiger Arzneimittel nach Europa zurückzuholen sehe ich auch als einen wichtigen Schritt den wir gehen sollten.

Und ja, ich weiß dass Deutschland durchaus einst so genannt wurde. Das ist allerdings jetzt auch schon gut 70 Jahre her, dass dieser Titel an Beutung verlor, und seit ungefähr 40 Jahren hat Deutschland diesen Titel sicher nicht mehr inne.

Seitdem ist viel passiert in der Pharmazie. Die Zahl an Stoffen, Applikationsformen und PatientInnen ist zu stark gestiegen, als das man auf eine breite National-autarke Versorgung zurückkehren könnte.
Das Ärzteblatt schätzte 1980 die Zahl der zugelassenen Medikamente in der Bundesrepublik auf 26.000, im Jahr 2021 listet Statista 100.000 für Deutschland. Also alleine da eine Vervierfachung.
Die Zahl der medikamentös zu behandelnden Menschen 1980 abzuschätzen ist schwieriger. Aber wir können anhand der Altersverschiebung, dem Wachstum der Bevölkerung von 79 auf 83 Millionen und der umfassenderen Behandlung von Krankheiten durchaus auch da einen massiven Anstieg vermuten.

Aus dieser Kombination aus Vielfalt und Masse ziehe ich meine Idee, das Deutschland keine ausreichende, autarke Versorgung aufstellen kann.

Europäisch könnte dies möglich sein. Auch dort werden wir sicherlich nicht für jedes Medikament Lösungen finden, und müssen wir ja auch nicht. Vielleicht könnte Deutschland Kapazitäten aufbauen, um zumindest die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der WHO zu decken (und das ist ein sehr großes Vielleicht, siehe Medikamente wie Paclitaxel), aber wenn wir annehmen das dies jedes Land für sich machen wollen würde, hätten wir da auf jeden Fall Länder, die das nicht schaffen würde, und es wäre höchst ineffektiv.

AW: AZ-Mittelproduktion nationalisieren

von Gunnar WITZMANN am 22.08.2021 um 11:46 Uhr

Retrospektiv haben Sie recht. Wenn aber die Volkswirtschaft die Gesundheitswirtschaft als 6. Kontradieff bezeichnet, dann muss man perspektivisich aich anschauen, wie Deutschland für die Zukunft aufgestellt ist. Die Gesundheitswirtschaft ist in Deutschland der zweitgrößte Arbeitgeber. Mit der Medizintechnik ist Deutschland auf dem Weltmarkt gut aufgestellt. Aber wie sieht es mit der Grundversorgung mit den unverzichtbaren Arzneimitteln aus, wieviele Biologicals haben deutsche Firmen im Vergleich zu UK/US und anderen ausländischen Firmen auf den Markt gebracht und für die nächsten drei Jahre in der Pipeline ? Da sehen die Daten nicht rosig aus und da werden die Preise der Kostentreiber die Politik noch beschäftigen. Von amerikanischen Kollegen habe ich einen Button bekommen, der auch deutschen Kollegen demnächst gut stünde; "Go in Politics or leave Pharmacy" Was das PBM nach amerikanischem Vorbild,für die deutschen Apotheken unter dem Begriff Rabattverträge, bedeutet, ist nur ein kleiner Vorgeschmack.

AW: AZ-Mittelproduktion nationalisieren

von Pharmaziestudent am 01.09.2021 um 15:51 Uhr

Erstmal Klugscheißermoment: Der Kerl hieß Kondratjew.

Und das in Deutschland Innovationsflaute herrscht, bestreiten glaube ich eher wenige. Und dass immer weiter steigende Arzneimittelpreise ein Problem sind, sehen wir auch alle denke ich gleich. Aber der Implikation dass eine Förderung der (generischen) Produktion spezifisch in Deutschland dessen Heilsbringer sein soll, kann ich nicht zustimmen. Was sollte deutsche Unternehmen davon abhalten, ihre Preise mit dem amerikanischen Markt abzustimmen? Warum sollte ein deutsches Unternehmen sagen "Aus Liebe zu Deutschland unterbieten wir unsere ausländischen Kollegen"? Wenn man jetzt wieder sagt, deutsche Unternehmen dürfen nicht über dieser Grenze ihr Produkt verkaufen, wird der Innovationsstandort Deutschland sicher nicht wachsen.

Und wie die Generikaproduktion da jetzt mit reinspielen soll, versteh ich sowieso nicht. Auch mit einem wirtschaftlichen Aufschwung im Gesundheitssektor (welcher tendenziell eh mit verantwortlich ist, dass die Preise steigen) wird die Machbarkeit dieses Gedanken nicht realistischer. Es ist ja nicht so, dass Ressourcen für ein Projekt dieser Größenordnung einfach irgendwo ungenutzt rumliegen. An anderer Stelle müsste ein Sektor (erhebliche) Einbußen machen, dann wird dort wieder geweint. Auch darum macht eine europäische Aufgabenverteilung Sinn.

Am Ende des Tages sind aber weder Sie noch ich denke ich technische Chemiker mit Industriespezialisierung, welchen ich noch am ehesten zutrauen würde, die realistische Machbarkeit eines solchen Projektes einzuschätzen.

Interview Schneider NsAFD

von Mann einer PTA am 18.08.2021 um 13:35 Uhr

Schneider weiß gar nichts über die PTA-Ausbildung und zeigt wieder deutlich wie informiert er und seine blaubraunen Kameraden im Bundestag sind. Diese Partei tut so überheblich und hat als stärkste Kraft der Opposition, außer mit Abwesenheit, nirgends geglänzt. Armutszeugnis

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Interview Schneider NsAFD

von Gunnar WITZMANN am 21.08.2021 um 8:49 Uhr

Mit Ihren ideologisch vernebelten Farbspielen verstellen Sie sich den Blick auf die Arbeit der MdB. Glauben Sie tatsächlich, daß ein MdB sich den ganzen Tag mit der PTA-Ausbildung beschäftigt ? Nicht einmal die gerinbgste Absicht in der Sache zu diskutieren , ist Ihrem Beitrag zu entnehmen.

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