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Bundestagswahl 2021 – Teil 1: CDU
„Politik verschließt sich keinen guten Ideen“
Für die Belange des Berufsstandes haben Karin Maag und Michael Hennrich stets ein offenes Ohr. Doch trotzdem wurden die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten und Mitglieder des Gesundheitsausschusses immer wieder auch aus der Apothekerschaft heraus kritisiert: Kein Rx-Versandverbot, eine Digitalisierungspolitik im Turbo-Modus und dann waren da 2019 noch Hennrichs Klimaschutz-Visionen und die Idee, dass auch Apotheker und Großhändler ihre Arbeitsweisen grundlegend ändern sollten. Was davon könnte in der nächsten Legislaturperiode zum Thema werden und welche „offenen Baustellen“ bei den Apotheken sieht die CDU darüber hinaus?
Die aktuelle Legislaturperiode neigt sich ihrem Ende. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, könnte die Union laut aktuellen Umfragewerten auf ein solides Ergebnis blicken und mit rund ein Drittel der Stimmen sowie einem (oder mehreren) Koalitionspartner(n) weiterhin in Regierungsverantwortung bleiben.
Das Bundesgesundheitsministerium war in den vergangenen acht Jahren CDU-geführt. Im Gesundheitsausschuss gehören 15 der 42 Mitglieder der Unionsfraktion an. Darunter die gesundheitspolitische Sprecherin Karin Maag aus Stuttgart sowie Michael Hennrich aus dem benachbarten Wahlkreis Nürtingen. Sowohl Maag als auch Hennrich waren bei den Arzneimittel- und Apothekenthemen bisher die ausgewiesenen Experten und gewissermaßen die Gallionsfiguren der Union. Im Gespräch mit der DAZ blicken die beiden CDU-Politiker auf die vergangene Legislaturperiode und erläutern, wie es nach der Bundestagswahl am 26. September apothekenpolitisch weitergehen könnte.
Weiter ohne Karin Maag, Michael Hennrich möchte den Apothekern erhalten bleiben
Allerdings ganz sicher ohne Karin Maag – denn die Stuttgarterin legte bekanntlich zum 1. Juli ihr Bundestagsmandat nieder, um seitdem als unparteiisches Mitglied beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) tätig zu sein. Maag folgte auf die Ärztin und ehemalige Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) Elisabeth Pott, die sich Ende Februar aus persönlichen Gründen aus ihrer laufenden sechsjährigen Amtszeit zurückgezogen hatte.
Michael Hennrich möchte den Apothekern dagegen auch in der nächsten Legislaturperiode erhalten bleiben, doch die Bundestagswahl 2021 könnte für ihn deutlich herausfordernder werden als die Wahlen zuvor. Seit 2002 gehört er dem Deutschen Bundestag an. Weil er über die CDU-Landesliste nicht abgesichert ist, strebt er in seinem Wahlkreis wieder das Direktmandat an. Doch das könnte in diesem Jahr schwieriger werden: „Man hat ja erlebt, dass sich in Baden-Württemberg die Stimmenanteile sehr massiv verändert haben. Es sieht zwar jetzt besser aus. Aber man kann Stand heute nicht sicher sagen, dass ich dem nächsten Deutschen Bundestag angehören werde“, stellt Hennrich direkt zu Beginn des Gesprächs klar: „Ich muss um mein Direktmandat kämpfen.“
Hohe Wertschätzung für das Pandemie-Engagement vor Ort
Wie bewerten die beiden Gesundheitspolitiker denn nun rückblickend die vergangene Legislaturperiode? Abgesehen von der herausfordernden Corona-Krise beschreibt Karin Maag sie als „Digitalisierungsjahre“. Man habe im Gesundheitssystem – vor allem in der ambulanten Versorgung – viel erreichen können, obwohl es insgesamt ein schwieriger Prozess gewesen sei. Michael Hennrich erklärt, dass die Pandemie sowohl der Politik als auch der Öffentlichkeit etwas sehr wichtiges deutlich gemacht habe: „Medizinische Versorgung hat einen Wert und ist nicht nur ein Kostenfaktor.“ Insgesamt habe er gespürt, dass es von vielen Seiten mehr Wertschätzung für das Gesundheitssystem gibt. „Der Stellenwert der Gesundheitspolitik war in den letzten beiden Jahren noch nie so hoch wie in den 20 Jahren davor.“ Diese positive Entwicklung hat sich seiner Meinung nach auch auf das Selbstverständnis der Apotheker ausgewirkt: „Die Apothekerinnen und Apotheker waren sich in den letzten Jahren immer wieder unsicher, was ihr Stellenwert im System ist“ Doch hier habe es einen Paradigmenwechsel gegeben: Spätestens durch die Corona-Krise habe der Berufsstand deutliche Wertschätzung erfahren. „Es ist nicht selbstverständlich, wie sich die meisten Apotheken eingebracht haben, um diese Pandemie zu bekämpfen“, ergänzt Maag. In den Wahlkreisen hätten die Vor-Ort-Versorger nicht gewartet, bis irgendwelche Anordnungen aus der Politik kamen. „Die haben organisiert, ohne dass es eine Veranlassung gegeben hat.“ Ärzte, Apotheker und die anderen Leistungserbringer hätten ein großes Interesse am System und an den Patienten gezeigt.
Herzensanliegen Rx-Versandverbot
Abseits der Corona-Pandemie wurde mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) eine historisch bedeutende Apothekenreform eingeläutet. Das Gesetz, das EU-Versendern Rx-Boni für GKV-Versicherte verbietet sowie die Einführung vergüteter pharmazeutischer Dienstleistungen ermöglicht, war am 29. Oktober 2020 vom Bundestag beschlossen worden und am 15. Dezember 2020 in Kraft getreten.
„Leider Gottes konnten wir nicht das Herzensanliegen umsetzen“, so Hennrich rückblickend. „Wir hätten schon gerne das Versandhandelsverbot über die Wupper gebracht.“ Der CDU-Politiker hatte diese Absicht damals auch bei der endgültigen Abstimmung im Parlament vorgetragen. Immerhin sei man nicht, wie von der FDP-Fraktion gefordert, auch noch vom tatsächlichen Boni-Verbot abgewichen und hätte einen sogenannten Boni-Korridor von wenigen Euro zugelassen. Hennrich weist ferner darauf hin, dass das VOASG in den nächsten Jahren für Rechtssicherheit und -klarheit sorgen wird. „Es geht um strukturelle Verbesserungen, den Einstieg in die pharmazeutischen Dienstleistungen, das E-Rezept sowie die Modellvorhaben zu den Grippeimpfungen.“ Zum Teil waren die Vorhaben der Großen Koalition, die ursprünglich für das Apothekengesetz vorgesehen waren, kurzfristig in andere (Omnibus-)Gesetze gewandert. Dass die Verhandlungen der Apotheker mit dem GKV-Spitzenverband „eher schwierig“ laufen, war für Hennrich und seine Kollegen offenbar von vornherein klar. „Sie wissen, ich hätte eher das regionale Modell präferiert.“ Trotzdem hofft er, dass der Prozess nicht zu zäh werde. „Das VOASG ist ein guter Rahmen, auf dem sich aufbauen lässt. Doch wir müssen schon noch evaluieren, ob das alles so funktioniert“, stellt der CDU-Politiker zur Aussicht.
„Es gibt aktuell keine offene Baustelle und keinen zwingenden Handlungsbedarf“
„Durch die Digitalisierung ist ohnehin sehr viel im Fluss“, merkt Karin Maag an. „Es gibt keinen Stillstand.“ Doch sie sieht die Apotheker in der Bringschuld: Sie müssten auf Politik zugehen und sagen, ob und wo es bei Dienstleistungen oder beim E-Rezept Veränderungsbedarf gebe.
Es wirkt, als ob die Bundestagswahl 2021 für die Union apothekenpolitisch bequemer laufen könnte als noch vier Jahre zuvor. Im Wahlprogramm wird lediglich die Absicht formuliert, dass alle Bürger einen digitalen, wohnortnahen und möglichst barrierefreien Weg unter anderem zu Apotheken haben sollten. Ansonsten geht es vor allem um die Arzneimittel- und Medizinprodukteproduktion. Im Jahr 2017 schrieb man sich noch konkret das Rx-Versandverbot ins Programm. „In der Tat gibt es aktuell keine offene Baustelle und keinen zwingenden Handlungsbedarf“, resümiert Hennrich. „Kann ja auch mal gut sein aus Sicht der Apotheker“, fügt er augenzwinkernd hinzu.
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Interview mit Michael Hennrich (CDU)
„Apotheker und Großhändler haben keine Freikarte beim Klimaschutz“
Doch wird eine Bundesregierung mit Beteiligung der CDU angemessen auf beispielsweise Marktverschiebungen durch das E-Rezept reagieren? Darauf Hennrich: „Die Problematik um den E-Rezept-Token ist das beste Beispiel, dass wir etwas tun, wenn gezeigt wird, dass Handlungsbedarf herrscht.“ Am 6. Mai 2021 hatte der Bundestag das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz (DVPMG) verabschiedet. Darin brachte die Große Koalition unter anderem ein gesetzlich verankertes Makel- und Zuweisungsverbot für den E-Rezept-Token auf den Weg. „Wir sind permanent gefordert, den Markt zu beobachten, ob die gleichlangen Spieße zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern tatsächlich eingehalten werden.“
Großhandelstouren reduzieren?
Neben dem Rx-Versandverbot scheint für Hennrich auch die Nachhaltigkeit ein persönliches Herzensanliegen zu sein. Ende September 2019, lange vor der Corona-Pandemie als sich noch öffentlich zu Demonstrationen für Klimaschutz getroffen wurde, tagte in Berlin das sogenannte Klimakabinett und in den Medien wurde viel über die Klimamaßnahmen der Großen Koalition berichtet. Im Gespräch mit der DAZ erklärte Hennrich damals überraschend, warum auch Versandhändler, Apotheker und Großhändler ihre Arbeitsweisen ändern sollten, und, dass er sich über eine Reduzierung der Großhandelstouren freuen würde. Das Interview sorgte in der Branche sowie unter Apothekerinnen und Apothekern für große Aufmerksamkeit und zum Teil auch für Empörung.
Doch der Nürtinger Bundestagsabgeordnete bleibt bei seinen Visionen: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich da was tut.“ Es sei ein Irrglaube, zu denken, es verändert sich nichts. Wenn sich in Deutschland die meisten Branchen und Bereiche grundlegende Gedanken zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz machen müssen, dann dürften sich die Apotheker und Großhändler davon nicht ausnehmen. „Die höchsten Emissionen werden im Straßenverkehr erreicht, also muss es ein Umdenken bei der Lagerhaltung und den Großhandelstouren geben.“ Für Vorschläge sei man jederzeit sehr offen. Karin Maag betont: „Es ist nicht Aufgabe der Politik, den Markt zu beobachten. Wir haben ein offenes Ohr und die Themen müssen an uns herangetragen werden.“ „Die Apotheker müssen sagen, welchen Beitrag sie leisten können“ so Hennrich, und er habe schon entsprechende Signale aus den Spitzenorganisationen der Apotheker vernommen, dass entsprechende Vorschläge und Konzepte erarbeitet werden. Nachhaltigkeit und Klimaschutz: „Die nächste Legislaturperiode wird diese Überschrift haben – egal, wer an der Regierung ist“, prophezeit der Gesundheitspolitiker.
Dramatische Finanzlage bei den Krankenkassen
Auf die Frage, ob die Apotheken abseits der neuen, vergüteten Dienstleistungen in den nächsten Jahren eine Anpassung des Packungshonorars erwarten dürfen, weist die neue G-BA-Vertreterin Maag unmissverständlich auf die dramatische Finanzlage bei den Krankenkassen hin: „Die Krankenkassen schreiben deutlich rote Zahlen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da beim Thema Honorare der Leistungserbringer ganz viel Luft ist.“ Mit einem Sonderzuschuss von sieben Milliarden Euro aus Steuergeldern will die Bundesregierung die gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr unterstützen. Doch die Situation sei keine Gefahr für die neuen Dienstleistungen an sich. „Dafür war das Thema zu groß und bedeutend“, so Maag.
Michael Hennrich versucht den Leistungserbringern trotz der angespannten Finanzlage eine Perspektive zu verschaffen: „Unser Ziel muss sein, dass wir die hohe Motivationslage, die wir in vielen Gesundheitsberufen haben, auch zu halten.“ Apotheken, die innovativ seien und sich engagieren, sollten dies spüren. „Dort wo gute Versorgung stattfindet, soll auch angemessen vergütet werden“, erklärt der CDU-Politiker, „ die reine Erhöhung des Fixums ist und war dabei nie das beste Instrument.“ So habe er aus Richtung der Krankenkassen bereits zurückgemeldet bekommen, dass sie die Botendienstvergütung als ein Instrument ansehen, das sich bewährt habe.
Novellierung der Approbationsordnung
Im Hinblick auf die Novellierung der Approbationsordnung rät Hennrich dem Berufsstand: „Die neue Approbationsordnung bietet die Chance, dass das, was sich die Apotheker jetzt als Standing erarbeitet haben, Niederschlag in die Ausbildung findet.“ In den letzten Jahren habe er manchmal den Eindruck gehabt, dass einige Bereiche der Standesvertretung ein sehr defensives Verständnis über die Zukunft des Apothekerberufs haben. „In den Gesprächen, die ich in den letzten Jahren geführt habe, war vom Thema Approbationsordnung nie die Rede.“ Er sieht hierbei klar eine Bringschuld bei den Apothekern: „Wenn wir nichts hören, dann gehen wir davon aus, dass alles seine guten Weg geht.“
Und Karin Maag ergänzt: „Wissensvermittlung muss andersherum laufen. Es wäre schlimm, wenn die Politik vorgeben müsste, was in der Approbationsordnung steht. Politik verschließt sich keinen guten Ideen.“
4 Kommentare
Herr Hennrich
von conny am 17.07.2021 um 12:01 Uhr
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Herzensanliegen
von Thomas Eper am 17.07.2021 um 8:59 Uhr
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.
von Anita Peter am 17.07.2021 um 6:59 Uhr
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AW: Ausreden!?
von Thomas Eper am 17.07.2021 um 8:49 Uhr
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