Stachwitz (hih) zur Telematik-Infrastruktur

„Wenn es nicht funktioniert, müssen wir es halt wieder abschalten“

Berlin - 25.06.2021, 13:45 Uhr

Der Arzt Philipp Stachwitz vom health innovation hub berät Bundesgesundheitsminister Spahn bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. (s / Screenshot: bvdva-kongress.de)

Der Arzt Philipp Stachwitz vom health innovation hub berät Bundesgesundheitsminister Spahn bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. (s / Screenshot: bvdva-kongress.de)


Was passiert, wenn die Horrorvisionen insbesondere mancher Ärztinnen und Ärzte wahr werden sollten und die Digitalisierung des Gesundheitswesens ein geregeltes Arbeiten in den Praxen unmöglich macht? In diesem Fall wäre Philipp Stachwitz vom health innovation hub bereit, die Notbremse und damit den Stecker zu ziehen, sagte er am heutigen Freitag beim BVDVA-Kongress. Zudem ging Stachwitz darauf ein, weshalb die Abrechnung der E-Rezepte zunächst außerhalb der TI geplant ist.

Ursprünglich sollte in der kommenden Woche das E-Rezept bundesweit starten, zunächst auf freiwilliger Basis. Von diesem Plan rückte die Gematik jedoch kurzfristig ab: Stattdessen werden die elektronischen Verordnungen ab 1. Juli in der Fokusregion Berlin-Brandenburg erprobt, bevor sie ab dem vierten Quartal 2021 in ganz Deutschland ausgestellt werden können. Am 1. Januar 2022 wird der Einsatz bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln zur Pflicht.

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Ein Stolperstein bei der Einführung könnte die mangelnde Bereitschaft der Ärztinnen und Ärzte hierzulande sein, auf das E-Rezept umzusatteln. Das räumte auch der Arzt Philipp Stachwitz vom health innovation hub heute beim Kongress des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA) ein. Der Think Tank berät Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Digitalisierung des Gesundheitswesens.

Vorteile für Praxen „nicht augenfällig“

Es sei derzeit „nicht augenfällig, dass das E-Rezept in den Praxen Vorteile bringt“, sagte Stachwitz bei einer Podiumsdiskussion zum Thema digitale Gesundheitsversorgung und Telematik-Infrastruktur. Die Abläufe rund um das Ausstellen von Muster-16-Rezepten seien standardisiert und liefen gut. Wolle man diese Prozesse verändern, sei es wichtig, dass sich der Mehraufwand in Grenzen halte und Ärzte nicht drei Minuten extra pro Rezept aufwenden müssten. Sollte sich herausstellen, dass ein geregeltes Arbeiten in den Praxen so nicht möglich sei, plädiere er dafür, im Ernstfall die Notbremse zu ziehen. „Wenn es nicht geht, dann müssen wir es halt wieder abschalten“, sagte er. „Dann geht es eben einfach nicht.“

Dennoch sprach er sich dafür aus, diesen Schritt zu wagen. Viele Ärzte haben laut Stachwitz Verständnis dafür, dass es anfangs mühselig werden könne. Sie sähen aber auch die Vorteile, die eine digitale Datenverarbeitung etwa für die Arzneimitteltherapiesicherheit bringen könne. Denn das E-Rezept bilde nur die Basis für weitere Anwendungen wie die elektronische Patientenakte, die letztlich einen echten therapeutischen Nutzen entfalten könne und vor allem in Notfallsituationen von Bedeutung sein werde.

Weshalb findet die Abrechnung außerhalb der TI statt?

„Wir haben in der Vergangenheit ständig darüber geredet, wie es sein müsste, um perfekt zu sein“, erinnerte Stachwitz. Dabei sei jedoch nicht viel rumgekommen. Testläufe seien zu früh abgebrochen worden, und man habe es versäumt, die Fehler zu analysieren und daraus zu lernen. Nun gelte es, endlich loszulaufen. Dem pflichtete auch Lars Gottwald, Leiter des Business Teams bei der Gematik, bei. „Wir müssen den Nutzen erlebbar machen und dürfen nicht alles zerreden.“

Gestuftes Vorgehen in Berlin-Brandenburg

Auch bei der Einführung des E-Rezepts werden dem Gematik-Experten zufolge anfangs Probleme auftauchen, an die niemand gedacht hat. Deshalb wolle die Gematik die elektronischen Verordnungen zunächst in der Fokusregion Berlin-Brandenburg erproben. Geplant ist demnach ein gestuftes Vorgehen. Man werde zunächst mit wenigen Praxen und Apotheken starten und weitere nach und nach einbinden. „Vonseiten der Gematik werden wir eine dreistellige Zahl an Arztpraxen und Apotheken enger begleiten“, kündigte Gottwald an.

Für die Apotheker:innen bisher unverständlich ist, weshalb bei der Planung die Abrechnung der E-Rezepte innerhalb der TI nicht mitgedacht wurde. „Diese Möglichkeit ist mitdiskutiert worden“, betonte Stachwitz. „Da steckt aber viel Politik mit drin.“ Denn im Zuge der Abrechnung werde viel Geld umgewälzt und entsprechend viele unterschiedliche Interessen spielten eine Rolle. Daher habe man sich entschieden, zunächst die Kernabläufe zu digitalisieren und die Abrechnung außen vor zu lassen.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

AW: Testlauf des Rohkrepierers

von Hessen-Pharmakus am 28.06.2021 um 8:39 Uhr

Kritisch betrachtet bringt das E-Rezept keine inhaltlichen medizinisch-pharmazeutischen Verbesserungen. Die Digitalisierung möglichst aller Lebensbereiche ist halt ein aktuelles Geschäftsmodell – es geht in erster Linie um die Schaffung neuer Verdienstmöglichkeiten. Interessengruppen haben hier unsere verantwortlichen Politiker entsprechend beeinflusst – außerdem klingt es modern. Einzig eine elektronische Gesundheitsakte könnte einen Mehrwert bringen. Digitalisierung muss nicht schlecht sein – aber man sollte es nur da einsetzten, wo es auch wirklich was bringt. Der Ersatz des Papierrezepts durch das E-Rezept ist mehr oder weniger technische Spielerei. Leider kann man dagegen wohl nichts mehr machen….

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Verstopfung, Fehlgeburt oder Rohrkrepierer vom eRezept?

von Susanne Hempel am 28.06.2021 um 8:28 Uhr

Ach Ihr kapiert das alles nicht. Ich erklär das Euch mal so: "Da ist viel Politik drin" heisst ja wohl, dass Spahn eine sukzessive Enteignung der öffentlichen Apotheken vor hat, indem er die eRezepte gezielt in die ausländischen Apotheken lenken möchte, weil er von Investoren dafür bezahlt wird. Daher kommt das viele Geld für seine pompösen Immobilien. Dessen Brot ich bekomme, dessen Liedlein ich singe. Das ist eine Art demokratische Lobbyisten Politik für Kapital-Interessen. Lest mal das Buch "Das Kapital" von Karl Marx. Da steht alles drin. Die spannende Frage ist eine gesellschaftswissenschaftliche: Ist eine Demokratie überhaupt möglich in einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung wie der unsrigen?

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bitte

von Karl Friedrich Müller am 25.06.2021 um 14:08 Uhr

gleich den Stecker ziehen. Wenn nur ein paar Tausend leute die Gematik App nutzen können, ist es viel zu früh.
Ein weiterer Misserfolg für Spahn mit horrenden Kosten fallen auch nicht mehr ins Gewicht, zumal die Politiker ja inzwischen vollkommen schmerzfrei sind.
(und Aktien der Versender verkaufen, ist fast ein Insider Tipp, LOL, besser auf Verlust wetten...)
Unfassbar. Unfassbar, was so auf Kosten der Bürger passiert. Ich meine nicht nur Geld...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Testlauf des Rohrkrepierers

von Scarabäus am 27.06.2021 um 13:46 Uhr

So ist es! Dieser Digital-Murks wird wieder ein typischer Spahnscher Rohrkrepierer. Unsere Rezepte sind ja schon bis auf die eine Meile vom Arzt zur Apotheke digital (spätestens beim Retax-Scannen liegt das Formular dann wieder als digitales Image vor). Und digitales Mailen per WhatsApp wurde uns mit der DSGVO verboten. Also wozu der umständliche Zinnober?

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