Versammlung des AVNR

Preis: Bürgertests gehören in die Hände der Heilberufler

Berlin - 10.06.2021, 13:45 Uhr

AVNR-Chef Thomas Preis sieht in der Coronavirus-Testverordnung, die Basis der Bürgertest-Angebote ist, einen grundlegenden Webfehler. (Screenshot: Digitale Versammlung des Apothekerverbands Nordrhein)

AVNR-Chef Thomas Preis sieht in der Coronavirus-Testverordnung, die Basis der Bürgertest-Angebote ist, einen grundlegenden Webfehler. (Screenshot: Digitale Versammlung des Apothekerverbands Nordrhein)


Der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, hält es für einen Fehler, dass bisher jeder Geschulte ein Corona-Testzentrum eröffnen und Bürgertests anbieten darf. Dies gehöre in die Hände der Heilberufler, sagte er am gestrigen Mittwoch bei einer Online-Versammlung des AVNR. Was das Modellprojekt zu Grippeimpfungen in den Apotheken betrifft, brachte Preis gute Nachrichten mit: Schon in der kommenden Grippesaison sollen alle Apotheken in Nordrhein AOK-Versicherten die Schutzimpfung anbieten dürfen.

Wie Recherchen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ Ende Mai aufdeckten, haben sich zwielichtige Anbieter offenbar kräftig an den Bürgertests bereichert: Sie sollen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen Tests auf SARS-CoV-2 abgerechnet haben, die nie stattgefunden haben. Die Reaktion aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ließ nicht lange auf sich warten. Das Angebot soll schon ab dem 1. Juli deutlich weniger lukrativ werden als aktuell. Statt wie bisher 12 Euro für die Durchführung plus 6 Euro Materialkosten gibt es künftig nur noch 8 Euro plus 4,50 Euro Materialkosten.

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AVNR-Chef Thomas Preis sieht in der Coronavirus-Testverordnung, die Basis der Bürgertest-Angebote ist, einen grundlegenden Webfehler: Er hält es nicht für sinnvoll, dass bisher jeder Geschulte ein Corona-Testzentrum eröffnen darf. Dies gehöre in die Hände der Heilberufler, betonte er am gestrigen Mittwoch bei der Online-Versammlung des AVNR. Nicht nur, weil man damit den Wildwuchs hätte verhindern können – auch der Umgang mit einem positiven Testergebnis erfordere heilberufliche Expertise und eine fundierte fachliche Beratung des potenziell Infizierten.

Das BMG will nun bei der Coronavirus-Testverordnung nachbessern – aber wohl nicht im Sinne des AVNR-Vorsitzenden. Neben der gekürzten Vergütung für alle Anbieter, also auch für Apotheken, plant es, pauschale Beauftragungen von Teststellen, wie es sie in einzelnen Bundesländern gibt, zu kippen. Stattdessen ist eine individuelle Beauftragung vorgesehen, bei der verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen sind; insbesondere sollen Qualität und Zuverlässigkeit geprüft werden. Ein entsprechender Verordnungsentwurf ist gestern in die Ressortabstimmung gegangen und soll schon in der kommenden Woche in Kraft treten.

Auftrag für Zertifikaterstellung kam „überfallartig“

Laut Preis betreiben Apotheken derzeit nur knapp ein Viertel aller Teststellen, führen aber etwa die Hälfte aller Tests durch. Man habe der Politik „mal wieder“ in der Not unter die Arme gegriffen und schnell die nötigen Strukturen geschaffen, als es gefragt war. Das setze sich nun fort beim digitalen Impfzertifikat, mit dessen Erstellung die Apotheken „überfallartig“ beauftragt wurden. Schon ab Montag sollen sie Impfnachweise gegen COVID-19 digitalisieren dürfen und sie den Geimpften zur Verfügung stellen.

Preis befürchtet Ansturm auf die Apotheken

Anders als die ABDA geht Preis diesbezüglich von einem Ansturm auf die Apotheken aus. Denn nach seiner Einschätzung wird nur etwa jeder vierte Betrieb diesen Service kurzfristig anbieten – diese dürften sich dann aber vor Anfragen kaum retten können. „Da hätte ich mir mehr Vorbereitung von der ABDA gewünscht“, kritisierte er. Immerhin sei die Vergütung mit 18 Euro je Zertifikat angemessen.

Völlig anders sehe das bei der Corona-Impfstoffdistribution aus: In diesem Punkt seien die Apotheken „unglaublich unterbezahlt“, so Preis. „Wir müssen viel zu kleinteilig bestellen“, sagte er mit Blick auf die Vorgabe, dass für jeden Arzt ein separater Auftragt erstellt werden muss. Zudem werde der Prozess mit dem Einstieg der Betriebsärztinnen und -ärzte in die Nationale Impfkampagne noch unübersichtlicher. Ein Indikator dafür, wie flexibel Apotheken derzeit agieren müssten, sei die Zahl der Rundschreiben, die der Verband in diesem Jahr bereits herausgegeben hat: Bereits zur Jahresmitte habe man die Grenze von 100 Infoschreiben geknackt. „Das ist mehr als sonst im ganzen Jahr“, unterstrich der AVNR-Vorsitzende.

Erfreuliches hatte er hingegen zum Modellprojekt zur Grippeimpfung in den Apotheken zu berichten. Vor knapp einem Jahr war der AVNR die erste Apothekerorganisation gewesen, die mit einer Krankenkasse einen Vertrag über ein solches Projekt aushandeln konnte – konkret mit der AOK Rheinland/Hamburg. Die Evaluationsergebnisse der ersten Grippesaison, in der Apotheker:innen Menschen gegen Influenza immunisieren durften, seien so überzeugend gewesen, dass die Kasse das Projekt nicht nur verlängert und die Vergütung der Apotheken stabil gehalten habe: Bereits im kommenden Herbst dürfen Preis zufolge nun alle Apotheken in ganz Nordrhein diesen Service für Versicherte der AOK Rheinland/Hamburg anbieten.

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Preis schätzt, dass sich dann von den rund 2.200 Offizinen in Nordrhein etwa 500 an dem Modellversuch beteiligen werden – wie so oft handelt es sich dabei um ungefähr ein Viertel aller Betriebe. „Das sind die, die so etwas extra anbieten können neben dem Arzneimittelgeschäft“, ordnete Preis ein. Denn viele Apotheken verfügten schlicht nicht über die personellen und räumlichen Voraussetzungen, um solche Sonderaufgaben zu übernehmen. „Das Arzneimittelgeschäft ist nach wie vor unsere Hauptaufgabe“, stellte Preis klar. Und dieses sei „hoffnungslos unterbezahlt“. Es gelte, weiter auf eine Anpassung der Apothekenvergütung zu drängen. „Wir dürfen nicht locker lassen!“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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