Recherchen von WDR, NDR und SZ

Keine Kontrolle: Testzentren rechnen offenbar nie durchgeführte Tests ab

Stuttgart - 28.05.2021, 17:25 Uhr

Testzentren schießen allerorten, so wie hier in Berlin, wie Pilze aus dem Boden. Kontrolliert werden sie nicht wirklich. (c / Foto: IMAGO / Ralf Pollack)

Testzentren schießen allerorten, so wie hier in Berlin, wie Pilze aus dem Boden. Kontrolliert werden sie nicht wirklich. (c / Foto: IMAGO / Ralf Pollack)


Viel zu wenig positive Ergebnisse 

Dass hier nicht nur theoretisch leicht betrogen werden kann, zeigt nun der Rechercheverbund von WDR, NDR und „SZ“. Bei dem Testzentrenanbieter MediCan, mit 54 Standorten in 36 Städten einer der größten Anbieter in Deutschland, haben die Journalist:innen an mehreren Standorten einen Tag lang gezählt, wie viele Personen die Teststation aufsuchen und dann mit den Zahlen abgeglichen, die ans zuständige Ministerium gemeldet wurden – in NRW sind die Testzentren dazu verpflichtet. Gezählt wurden etwas über 100, etwa 80 und rund 550 Personen, gemeldet aber 422, 977 und 1.743 angeblich durchgeführte Bürgertests. Der Betreiber erklärt das auf Nachfrage der Journalist:innen damit, dass er mehrere Standorte zusammenfasse, das sei mit den Gesundheitsämtern abgesprochen – die wussten allerdings nichts davon. Außerdem haben laut dem Betreiber die dem Ministerium gemeldeten Zahlen nichts mit der Abrechnung bei der KV zu tun.

Doch nicht nur die hohen Meldezahlen machten den Rechercheverbund stutzig, sondern auch die Zahl der positiven Tests. So wurden zwischen 3.600 und 12.199 Tests pro Woche gemeldet, die alle negativ waren. Der Betreiber erklärte das dem Team mit den sinkenden Inzidenzen, über die man froh sein sollte. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt laut den offiziellen Zahlen des Ministeriums in NRW jeder 350. Bürgertest positiv.

Auf der Suche nach Verantwortlichen kommen die Journalist:innen nur bedingt weiter. Auf die Nachfrage beim Bundesgesundheitsministerium, ob es sich um einen Fehler in der Testverordnung handele, dass für die Abrechnung weder Namen der Getesteten noch Belege über den Einkauf der Tests vorlegen müssen, erfahren sie von Spahns Sprecher nur, dass die Teststellenbetreiber keine entsprechenden Daten übermitteln, sie aber selbst aufbewahren müssen. Von Fällen, wie dem berichtetem, in denen mehr Tests abgerechnet als durchgeführt wurden, will das Ministerium dem Rechercheverbund zufolge nichts wissen. Ergeben sich Anhaltspunkte für Abrechnungsbetrug, „können“ die KVen die Fälle „prüfen“, habe das BMG erklärt. Auch von den KVen bekommen die Journalist:innen zumindest offiziell keine befriedigende Antwort: Sie hielten sich nicht für zuständig, und von Abrechnungsbetrug wüssten sie auch nichts. Unter der Hand und anonym äußert sich aber dann ein Funktionär, den sie folgendermaßen zitieren: 


„Ich schätze, dass allein im Mai 50 bis 60 Millionen Bürgertests abgerechnet werden, also Kosten von rund einer Milliarde Euro entstehen. Aber im Sommer wird dieser Markt zusammenbrechen, weil dann niemand mehr so einen Test braucht. Am Ende wird man auf die Tests schauen wie auf die Masken: Die Politik brauchte ganz dringend große Mengen, es war Wildwest, viele Glücksritter und Betrüger drängten in den Markt, und es gab keine vernünftige Kontrolle.“

KV-Funktionär gegen gegenüber WDR-, NDR- und SZ-Journalisten


Folge der Recherche: Testzentrum soll Auftrag verlieren

Ein kleines Happy End kann der Rechercheverbung dann aber doch noch vermelden: Die Stadt Münster hat offenbar aufgrund der Recherchen angekündigt, dem oben genannten Testzentrum die Beauftragung zu entziehen.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

KBV und BMG einigen sich im Streit um neue Testverordnung

KVen rechnen Bürgertests auch weiterhin ab

Pragmatische Lösungen in vielen Bundesländern

Länder kommen Apotheken bei Bürgertests entgegen

1 Kommentar

WER macht so etwas?

von Dr.Diefenbach am 30.05.2021 um 19:39 Uhr

Es ist die berechtigte Frage im Raum, welche subversiven Elemente sich derart auf Kosten der Steuerzahler organisiert durch die Zeit schlagen,Es ist befremdlich zu hören,WELCHE Buden etc plötzlich zu "Testzentren" umgemodelt wurden.Es ist aber GANZ indiskutabel, dass Herr S. sein letztes Ansehen dadurch zu verspielen scheint, dass er eine solche Situation überhaupt mit entstehen ließ!!Und wenn ich sehe,WIE man uns mit Regeln und Vorgaben schikaniert, im Apothekenalltag mit Regressen etc. bedenkt, dann kann man sich ob derartiger Dummheiten aus einem Ministerium nur an den Kopf greifen.DIESER Minister wollte mal Kanzler werden...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.