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Alle Vorträge der INTERPHARM online wurden aufgezeichnet und können noch sechs Wochen abgerufen werden. Mehr Infos und Tickets gibt es hier.
Am vergangenen Freitag klärte Professorin Sylvia Mechsner, Leiterin des Endometriosezentrums der Berliner Charité, die Zuschauer:innen der INTERPHARM online über das „Chamäleon unter den gynäkologischen Erkrankungen“ auf – Endometriose. Sie erklärte, dass die Erkrankung einerseits oft wirklich schwer zu diagnostizieren und unterschiedlich progressiv ist. Andererseits machte sie deutlich, wie betroffenen Frauen früh geholfen werden kann, um letztendlich eine Chronifizierung der Schmerzen zu vermeiden.
„Endometriose – Gewebe auf Abwegen unter Kontrolle bringen“, so lautete der Titel des Vortrags auf der INTERPHARM online von Professor Sylvia Mechsner, die an der Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie der Charité Universitätsmedizin Berlin tätig ist. Seit 2014 ist sie dort Leiterin des Endometriosezentrums und seit 2019 W2-Professorin für Endometrioseforschung an der Charité. Weltweit sind Mechsner zufolge 176 Millionen Frauen von Endometriose betroffen. Das sei geschätzt, weil es für die gesicherte Diagnose einer Bauchspiegelung (Laparoskopie) bedürfe.
Mit eindrucksvollen Bildern gab Mechsner in ihrem Vortrag dem häufig verkannten Frauenleiden ein „Gesicht“. So könne man bei der Bauchspiegelung schwarze Punkte erkennen, selten beispielsweise auch am Zwerchfell, was zu zyklischen Schulterschmerzen führen könne.
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Wie es zur Endometriose oder Adenomyose (Befall des Uterus) kommt, dazu gibt es diverse Theorien, abschließend geklärt ist die Ätiologie aber noch nicht. Wahrscheinlich sei eine genetisch bedingte uterine Hyperperistaltik der Gebärmutter schuld, die zu Mikrotraumen in der Übergangsschicht Endometrium/Myometrium mit Aktivierung von Stammzellen führt. Diese Zellen können auf „Abwege“ gelangen und sich beispielsweise in der Muskelwand der Gebärmutter (Adenomyose) oder im Bauchraum (Endometriose) ansiedeln. Bei den dort entstehenden Läsionen handle es sich sozusagen um „Miniatur-Uteri“, so Mechsner. Betroffene Frauen würden sehr früh über sehr starke Regelschmerzen klagen. Dennoch hätten sie teils zehn Jahre lang Beschwerden bis zur Diagnosestellung. Je eher die Beschwerden beginnen, desto schwerer soll die Endometriose sein. Doch nicht jede Endometriose ist gleichermaßen progressiv.
Es bestehe aber eindeutig ein Zusammenhang zur Zahl der Menstruationen und damit eine Östrogenabhängigkeit, erklärte Mechsner. Würden Frauen – wie heute üblich – erst spät schwanger werden, hätte der Uterus 20 Jahre Zeit, aktiv zu sein. Der Muskel könne sich in dieser Zeit quasi selbst zerstören.
Grundsätzlich sei die Endometriose schwer zu diagnostizieren, oft aber auch im Ultraschall erkennbar. Zu den Leitsymptomen der Endometriose zählen neben Regelschmerzen auch zyklische oder azyklische chronische Unterbauchschmerzen, die Endometriose ist eine Schmerzerkrankung. Schmerzen können auch beim Geschlechtsverkehr, beim Stuhlgang oder beim Wasserlassen auftreten. Außerdem kann ein Kinderwunsch unerfüllt bleiben.
Teils gebe es über die Zeit eine Verschiebung hin zu azyklischen Schmerzen oder solchen, die unter Hormontherapie entstehen, erklärte Mechsner. Die Inflammation sei das Hauptproblem. Auch Bauchfellherde, die leicht übersehen werden könnten, würden zu einer ausgedehnten inflammatorischen Reaktion führen. Wichtig sei ein grundsätzliches Verständnis für Schmerzen – von der peripheren Sensitivierung bis zur zentralen. Denn selbst bei einer radikalen Therapie wie der Peritonektomie (chirurgische Entfernung des Bauchfells) würden viele Frauen nicht schmerzfrei. Man könne beispielsweise bei Betroffenen beobachten, dass über die Jahre die gesamte Beckenbodenmuskulatur extrem verkrampfe. Ein chronisches Schmerzsyndrom müsse vermieden werden, dazu brauche es auch psychologische Begleitung.
Am Anfang steht laut Mechsner jedoch die hormonelle Therapie. Die Endometriose sei eine chronische Erkrankung mit hoher Rezidivrate. Meist würden kombinierte orale Kontrazeptiva gegeben werden. Die „Pille“ reduziere die Zahl der Rezidive, so Mechsner. Allerdings bedürfe es dann einer monophasischen Langzeittherapie. Und auch unter der Einnahme der „Pille“, könne sich Endometriose entwickeln.
Die medikamentöse Therapie – Hormonpräparate, GnRH-Analoga, Analgetika – sei rein symptomatisch
Als First-Line-Therapie seien jedoch gegenüber der klassischen Pille die Progesteron-Only-Pillen (POP, Dienogest) zu bevorzugen. Hier bestehe oft das Missverständnis, dass es zu ihrem Einsatz bei Endometriose einer histologischen Sicherung der Diagnose bedürfe. Doch dem sei nicht so, betonte Mechsner. Ärzt:innen könnten beispielsweise das Originalpräparat Visanne, aber mittlerweile auch zahlreiche Generika, verordnen.
Ziel der hormonellen Therapie sei es immer, keine Blutung zu bekommen. Zwischenblutungen unter POP – bei unregelmäßiger/vergessener Einnahme – dürften nicht als Nebenwirkungen der Therapie falsch verstanden werden.
Auch GnRH-Analoga seien effektiv, aber zählten zur Second-Line-Therapie. Insgesamt gebe es multimodale, personalisierte Therapiekonzepte, doch es fehle auch an Versorgungsforschung.
In der Schmerztherapie kommen Mechsner zufolge die in der Apotheke gut bekannten NSAR Ibuprofen, Naproxen und Metamizol zum Einsatz. Aber auch Buscopan und Magnesium könnten ergänzend eingenommen werden. Bei der Einnahme solle ein festes Schema verfolgt und nicht gewartet werden, bis eine Schmerzspitze erreicht werde. Auch Gabapentin sei eine Option. Wenn die Schmerzen nicht kontrolliert werden könnten, solle an ein Schmerzzentrum verwiesen werden. Mit einer optimalen Hormon- und Schmerztherapie soll schließlich einem chronischen Schmerzsyndrom vorgebeugt werden.
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