Plattform versus Plattform

Trotz Makelverbot: Versender genießen Vorteile

Stuttgart - 03.05.2021, 13:45 Uhr

DocMorris ist sowohl Versandapotheke als auch Plattformbetreiber – das könnte den Niederländern beim E-Rezept Wettbewerbsvorteile verschaffen. (Screenshot: docmorris-plus.de)

DocMorris ist sowohl Versandapotheke als auch Plattformbetreiber – das könnte den Niederländern beim E-Rezept Wettbewerbsvorteile verschaffen. (Screenshot: docmorris-plus.de)


Die ABDA hat sich offenbar erfolgreich für ein Makel- und Zuweisungsverbot für E-Rezept-Tokens einsetzen können. Doch es bedarf dringend weiterer Regelungen: Die angekündigten Apothekenplattformen wären Stand heute, was die Rx-Bestellungen angeht, funktionell benachteiligt gegenüber den EU-Arzneimittelversendern. Denn im Hinblick auf die Zugriffsmöglichkeiten auf E-Rezept-Tokens genießen DocMorris und Co. eine fragwürdige Zwitterstellung und damit einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.

Gebetsmühlenartig hatte die ABDA in den vergangenen Monaten Nachbesserungen beim Makelverbot gefordert. Schon bei den Debatten über das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) wurde das Makel- und Zuweisungsverbot heiß diskutiert: Wie kann sichergestellt werden, dass elektronische Verordnungen zukünftig auch wirklich in die Apotheken gelangen, in denen die Patienten sie einlösen wollen? Zu Umwegen über Dritte, die mit der Rezeptvermittlung Geschäfte machen wollen, soll es dabei keinesfalls kommen.

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Das erweiterte Makelverbot soll kommen

In Berlin wurde man auf das Problem aufmerksam und führte daraufhin mit dem Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) ein sozialrechtliches Zuweisungsverbot für Ärzte und Krankenkassen (§ 31 Abs. 1 SGB V) und ein Abspracheverbot im Apothekengesetz (§ 11 Abs. 1 ApoG) ein, das ausdrücklich auch elektronische Verordnungen einbezieht, zudem für Dritte gilt und EU-Versandapotheken umfasst. Zudem gilt seitdem für Dritte ein Makelverbot für (E-)Rezepte (§ 11 Abs. 1a ApoG).

Ganz zufrieden waren Apothekenrechtsexperten und ABDA aber nicht mit diesen Paragrafen: Ihnen fehlte die Klarstellung, dass auch der Token des E-Rezepts vom Zuweisungs- und Makelverbot erfasst wird. Zuletzt hatte die ABDA eine entsprechende Forderung in ihrer Stellungnahme zum Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) aufgestellt. Dabei verwies sie auch auf die massive Kritik der beiden namhaften Apothekenrechtsexperten Professor Hilko J. Meyer und Dr. Elmar Mand.

Verstöße sollen bußgeldbewehrt sein

Auch diese Einwände und Verbesserungsvorschläge vernahm man im politischen Berlin: Das Bundesgesundheitsministerium hat Ende der vergangenen Woche bei seinen Formulierungshilfen für Änderungsanträge zum Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) nachgelegt und die Regelung auf den E-Rezept-Token ausgeweitet. Ein Verstoß gegen das Verbot soll sogar bußgeldbewehrt sein.

Doch seit Bekanntwerden dieser Änderungsvorschläge am vergangenen Freitag werden auch kritische Stimmen laut – und diese kommen weniger aus dem Lager der Arzneimittelversender als vielmehr aus dem Umfeld der großen Apothekenplattformprojekte: Neben dem „Zukunftspakt Apotheke“ von Noweda/Burda, arbeiten Noventi/Phoenix zusammen mit den Partnern von Pro AvO an gesund.de. Und auch der Deutsche Apothekerverband (DAV) beabsichtigt ein Apothekenportal zeitnah anzubieten. Diese Plattformen könnten einen deutlichen Wettbewerbsnachteil erfahren, wenn der Verordnungsgeber nicht bald nachbessert. Dabei ist das Makel- bzw. Zuweisungsverbot nur ein Aspekt, der dazu führen könnte, dass die Plattformbetreiber als „Dritte“ gar keine Rx-Verordnungen der Patienten an die gewünschte Apotheken leiten dürfen.

Vorbestellungen in den Offizinen nur eingeschränkt möglich

Zwar betonen Vertreter dieser Projekte gegenüber der DAZ immer wieder, dass man kein eigenes Interesse an den E-Rezepten bzw. Tokens habe. Doch man müsse als Plattform in der Lage sein, auf Patientenwunsch die Tokens an die jeweiligen Apotheken zu leiten. Und diese Funktion würde durch ein Makel- bzw. Zuweisungsverbot erheblich eingeschränkt, wenn nicht sogar ausgehebelt. Für eine abschließende Bewertung dieses Szenarios bedarf es allerdings eines höchstrichterlichen Urteils, das endgültig klärt, unter welchen Umständen tatsächlich ein geschäftsmäßiges Makeln bzw. Zuweisen von E-Rezepten stattfindet.

Womöglich hat man auf Seiten des Verordnungsgebers dieses Problem erkannt, da am heutigen Montag eine veränderte Formulierung in der finalen Fassung des DVPMG-Änderungsantrags zu finden ist.

Der E-Rezept-Token in der Hand der Versender

Davon abgesehen verleiht diese Situation aber den großen EU-Versendern wie DocMorris erheblichen Aufwind. DocMorris sieht sich bekanntlich inzwischen nicht nur als reiner Arzneimittelversender, sondern auch als Plattformbetreiber, der um die Gunst der Apotheken vor Ort buhlt. DocMorris gilt im System der Gematik als Leistungserbringer bzw. EU-Versandapotheke und wird daher von der Gematik selbst mit den für den Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) notwendigen Heilberufsausweisen (HBA) und Institutionskarten (SMC-B) versorgt. Im Gegensatz zu den inländischen Plattforminitiatoren wie Noweda, Burda, Noventi, Phoenix, Pro AvO und dem DAV genießen DocMorris und andere EU-Versender also eine Zwitterstellung, die ihnen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil im Zeitalter des E-Rezepts und der Plattformen verschaffen könnte.

Einerseits können sie als vom Bundesgesundheitsministerium legitimierte Versandapotheken innerhalb der Telematikinfrastruktur E-Rezept-Tokens empfangen, auslesen und beliefern. Andererseits wären sie darüber hinaus in der Lage, die Rx-Bestellungen der Kunden über ihre Plattformen – also den angeschlossenen Apotheken – auszuspielen. So könnten den Kunden beispielsweise dringend benötigte verschreibungspflichtige Arzneimittel über die DocMorris-Mitgliedsapotheke in der Nähe ausgegeben werden, während Bestellungen aus dem OTC-Bereich und sonstigen Sortimenten aus den Lagern hinter der Grenze kommen.

DocMorris kann als Versender und Plattformbetrieber mit direktem Draht in die Telematikinfrastruktur also viel früher auf E-Rezept-Tokens reagieren als die inländischen Plattformprojekte. 

Auf die Rechtsverordnung kommt es an

Ein technisch denkbarer Ausweg wäre, dass die Plattformen tatsächlich und wie angekündigt eine Art „Gesundheitsökosystem“ schaffen dürfen, das die Patienten zwischen telemedizinischen und pharmazeutischen Angeboten auswählen lässt, und unter Mitwirkung der verschiedenen Leistungserbringer alles aus einer Hand anbietet. Sowohl der „Zukunftspakt Apotheke“ also auch Noventi/Phoenix bzw. Pro AvO haben diese Vision bereits formuliert. Damit dürften Verordnungsdaten mit Einverständnis der Patienten innerhalb einer sicheren App-Umgebung ausgetauscht werden. So könnte die Verfügbarkeit der benötigten Arzneimittel in den Apotheken abgefragt werden, während der E-Rezept-Token und damit die eigentliche Verordnung über den Weg zwischen Arzt und Apotheke geleitet wird, so wie vom Gesetzgeber vorgesehen. Dieses Szenario würde aber nochmal weitaus mehr rechtliche (Abgrenzungs-)Fragen aufwerfen.

Sowohl bei der ABDA als auch bei den Initiatoren der Plattformprojekte ist man daher dem Vernehmen nach sehr gespannt auf die ankündigte Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministerium im Hinblick auf die rechtliche Stellung sogenannter Drittanbieter-Apps. Diese Verordnung soll zum Beispiel klären, ob es für E-Rezept-Tokens weiterhin eine „Teilen“-Funktion geben wird und inwiefern weitere Apps neben der Gematik-App E-Rezepte empfangen, verwalten und weiterleiten dürfen. Denkbar wäre also, dass es für die Apothekenplattformen beispielsweise ein Register bzw. ministerielle Ausnahmeregelungen gibt, während das geschäftsmäßige Makeln und Zuweisen von Verordnungen verboten bleibt.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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