Mutanten und Virusevolution

Kann Impfen Resistenzen fördern?

Düsseldorf - 31.03.2021, 17:50 Uhr

„Wenn jetzt parallel zum Impfen die Infektionszahlen wieder rasant steigen, wächst die Gefahr, dass die nächste Virus-Mutation immun wird gegen den Impfstoff“, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) etwa der Bild am Sonntag. (x / Foto: IMAGO / newspix)

„Wenn jetzt parallel zum Impfen die Infektionszahlen wieder rasant steigen, wächst die Gefahr, dass die nächste Virus-Mutation immun wird gegen den Impfstoff“, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) etwa der Bild am Sonntag. (x / Foto: IMAGO / newspix)


Schwache Impfungen könnten gefährliche Varianten fördern

Alle drei Faktoren treffen wohl auf die aktuell zugelassenen Impfstoffe weltweit zu. Besonders die spezialisierten mRNA- und Vektor-Impfstoffe präsentieren dem Immunsystem nur wenige Proteine des Virus – in erster Linie das meist wildtypische – Spike-Protein als Antigen. Damit gibt es keine breite Immunantwort gegen viele verschiedene Epitope. Ferner gibt es zunehmend Berichte, das eine Impfung weder die Ansteckung noch die Weitergabe besonders der britischen Variante verhindert, sondern „nur“ zu einem schwächeren Verlauf der Infektion führt. Aktuelles Beispiel ist ein Altenheim in Bayern, über das etwa das ZDF berichtete.

Und auch der dritte Faktor scheint hinsichtlich der VOC teilweise gegeben. In einer von der EU unterstützten Veröffentlichung im Fachjournal Science Immunology konnten Forscher:innen der Uni Wien nun auch zeigen, dass die VOC nicht nur der humoralen Immunantwort durch Antikörper, sondern auch der zellulären Immunantwort durch T-Zellen entkommen können. Die Fokussierung der aktuellen Impfstoffe auf das Spike-Protein müsse dementsprechend hinterfragt werden, sagen die Forscher:innen.   

Mit einer vor kurzem veröffentlichten Studie der Charité gehen die Berliner Forscher:innen um Christian Drosten zumindest davon aus, „dass die COVID-19-Impfungen während der Pandemie regelmäßig überprüft und wenn nötig angepasst werden müssen“. Ältere Arbeiten etwa des Virologen Andrew Read an der Universität Edinburgh, veröffentlicht im Fachjournal Nature, zeigen allerdings die Gefahr, dass „unperfekte Impfstoffe“ die Gefährlichkeit, also Morbidität und Mortalität von Viren befördern können. Dies im Sinne der Evolution.

Krankheitserreger haben etwa Read zufolge eine „normale“ Evolution hin zu angepassten, schwächeren Pathogenen. Frisch aus dem Tierreich übergesprungene wie SARS-CoV-2 sind normal nur anfänglich aggressiv – für den Erreger ist es langfristig besser, seine Wirte nicht zu töten. Im Fall von Impfungen aber, die den Erreger nicht vollständig neutralisieren und bei Geimpften schwache Verläufe weiter ermöglichen, können sich auch weitaus gefährlichere Varianten länger vermehren. Wenn diese dann auf Ungeimpfte stoßen, kann das gravierende Folgen haben. Im Fall der Marek-Krankheit bei Hühnern hat Read dies untersucht.

Wenn sich dann für entsprechende Mutationen jeweils ein Selektionsvorteil bietet, ist es wahrscheinlich, dass sie sich auch durchsetzen, wie man am Beispiel von P1 in Brasilien sehen kann.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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