Digitaler Kooperationsgipfel

„Gesund.de“ – wieder nur eine Ankündigung?

Stuttgart - 04.02.2021, 13:44 Uhr

Was ist die Antwort auf Amazon und DocMorris? Hermann Sommer erläuterte beim digitalen Kooperationsgipfel, wie Noventi und Phoenix sich diese Antwort vorstellen. (x / Foto: DAZ.online)

Was ist die Antwort auf Amazon und DocMorris? Hermann Sommer erläuterte beim digitalen Kooperationsgipfel, wie Noventi und Phoenix sich diese Antwort vorstellen. (x / Foto: DAZ.online)


Wie viele andere Veranstaltungen fand dieses Jahr auch der vom Bundesverband der Apothekenkooperationen (BVDAK) veranstaltete Kooperationsgipfel digital statt. Ein Thema war die von Noventi und Phoenix ins Leben gerufene Plattform gesund.de, die zumindest laut den Initiatoren im Gesundheitswesen die Antwort auf Amazon sein soll.

Am gestrigen Mittwoch fand wie immer um diese Jahreszeit der Kooperationsgipfel des BVDAK statt – bereits zum 13. Mal. In diesem Jahr allerdings nicht wie sonst im Leonardo Hotel im Münchner Osten, sondern coronabedingt wurde aus dem „Gipfelstudio“ in Starnberg live übertragen. Einer der Referenten war der Vorstandsvorsitzende der Noventi SE, Hermann Sommer, der, so versprach es der Titel seines Vortrags, die Antwort des deutschen Gesundheitsmarkts auf DocMorris und Amazon vorstellen wollte. Allerdings musste sich Sommer schon gleich bei der Ankündigung die Frage gefallen lassen, ob es sich wieder nur um eine Ankündigung handele oder ob es diesmal etwas zu zeigen gebe. Gestellt wurde sie vom BVDAK-Vorsitzenden und Gastgeber Stefan Hartmann. Gedacht haben mag es sich aber manch anderer auch. Schließlich ist Noventi einer der Partner beim Bündnis Pro AvO und dessen seit langem und mit großen Versprechungen angekündigte Plattform scheint bislang über einen Namen nicht hinaus gekommen sein.

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„Amazon ist eine Datenkrake, die sich in die DNA der Verbraucher einnistet“

Bei der neuen Plattform „gesund.de“, die Noventi nicht mit den restlichen Pro AvO-Partnern – Wort & Bild, Sanacorp, Gehe und Rowa – ins Leben gerufen hat, sondern mit Phoenix, soll es laut Sommer aber tatsächlich etwas zu zeigen geben – zumindest in absehbarer Zeit. Man wolle im zweiten Quartal pünktlich vor der Einführung des E-Rezepts, die zum 1. Juli geplant ist, starten und dementsprechend die Teilnehmer angebunden haben, so Sommer.

Doch bevor er auf die Besonderheiten ebendieser Plattform einging und was sie von allen anderen bisherigen Ansätzen unterscheiden soll, erklärte er, warum es in seinen Augen so einer Plattform bedarf. Amazon stelle nämlich angesichts des Potenzials des deutschen Gesundheitsmarkts eine große Bedrohung dar. Die Apotheken vor Ort, die einen „großartigen Job“ machen, müssten fit gemacht werden für die Digitalisierung. Viel Zeit sei dafür nicht. Man stecke schon mitten drin in der disruptiven Veränderung. Nach Sommers Ansicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis Amazon sich bei Shop Apotheke oder DocMorris einkaufe, denn so sei man schneller im Markt. Dabei gehe es Amazon nicht nur um Gewinne, sondern vor allem um Daten, so Sommer weiter. Er bezeichnete den Konzern als „Datenkrake, die sich in die DNA der Verbraucher einnistet“. Das E-Rezept wird diesen Trend noch beschleunigen, davon ist Sommer überzeugt.

„Die Antwort muss aus dem deutschen Gesundheitswesen kommen“

Die Antwort darauf muss seiner Ansicht nach aus dem deutschen Gesundheitswesen kommen, denn die Gesundheitsdaten der Bürger dürften nicht in falsche Hände gelangen. Die Noventi für ihren Teil verfüge über Daten von 60 Millionen Versicherten und beweise, dass man sorgsam damit umgehe. Und aus der Überzeugung, dass die Antwort aus Deutschland kommen muss, sei man dann Partnerschaften eingegangen mit Pro AvO und zuletzt Phoenix. Phoenix sei nämlich auch im Arztbereich tätig und bilde so die ganze Wertschöpfungskette im Gesundheitswesen ab. Das wolle man mit gesund.de auch. Das Ziel ist laut Sommer: ein vertrauenswürdiger Marktplatz unter Beachtung des Datenschutzes. Letzteres sei eine hohe Einstiegshürde. 

Das Ziel, das sich Noventi und Phoenix gesteckt haben, ist alles andere als bescheiden: „gesund.de“ soll DIE Gesundheitsplattform in Deutschland werden. Die Domain hat übrigens Pro AvO-Partner Wort & Bild beigesteuert. Inwiefern sich die Pro AvO-Beteiligten sonst noch einbringen, ließ Sommer aber offen. 

Anders als die von Pro AvO angekündigte Plattform soll gesund.de nun nicht nur Apotheken, sondern erstmalig alle Akteure im Gesundheitswesen vernetzen. Neu ist dabei laut Sommer, dass man vom Verbraucher aus denke und sich an dessen Bedürfnissen orientiere. Der soll ein Gesundheitskonto bekommen, könne eine Gesundheitsakte führen und alles von der Terminvereinbarung beim Arzt bis über die Rezepteinlösung über gesund.de abwickeln, erläutert Sommer. „Wir begleiten den Verbraucher durchs Leben“, so der Noventi-Chef.

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Gibt es Mindestanforderungen an die teilnehmenden Apotheken?

Auf die Frage, ob es Mindestanforderungen an die teilnehmenden Apotheken wie bei anderen Plattformen gebe, bei deren Nichterfüllung man rausgeworfen wird, antwortete Sommer: „Als nicht börsennotierter Konzern gehen wir nicht so brachial mit den Leistungserbringern um wie Amazon. Wir verfolgen eher einen apothekereigenen Ansatz.“ Man wolle gemeinsam mit den Partnern diese Kriterien definieren, so Sommer weiter. „Wir werden uns erlauben, Hinweise zu geben, wenn diese nicht erfüllt sind. Gegebenenfalls müssen wir Einzelne ertüchtigen. Wir werden erst helfen und nicht gleich runterschmeißen.“ Wie genau diese „Ertüchtigung“ aussehen könnte, ließ Sommer allerdings offen.

Kommt man zur Eingangsfrage zurück, ist auch gesund.de aktuell eine weitere Ankündigung. Immerhin liegt das anvisierte Datum für den Live-Gang nicht mehr in allzu weiter Ferne und dann gibt es, wenn man Sommer Glauben schenken darf, wirklich etwas zu zeigen.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Kommentar

von J.M.Mielert, DOPANET am 07.02.2021 um 22:05 Uhr

Bereits der Versuch, sich Global-Playern mit politischen Aphorismen in den Weg zu stellen, mutet hilflos an.

Die Gesundheitswirtschaft hat sich entschieden, Projekte ohne die einzig systemrelevante Zielgruppe und Quelle jeder Wertschöpfung, die Patienten zu schreiben, zu publizieren und umzusetzen. Das wird sich als fahrlässige Sache erweisen. Hätte man die 72 Millionen gesetzlich Versicherten "zum Freund" genommen und in die Prozesse implementiert, würde heute nicht eine tatsächlich groteske, aus der "Vollkasko-Mentalität" entstandene "Egal-Haltung" entstanden sein. Normalerweise reguliert der Preis den Markt. Im Arzneimittelhandel nicht! Hier wird sich die Warenverfügbarkeitsfunktion des E-Rezeptes zum Rohrkrepierer für Vor-Ort-Apotheken entwickeln: bei der Apotheke um die Ecke wird man sich mit der Einzelprüfung im Lichte von völlig zweckwidrigen Rabattverträgen informieren und bei den Versandhäusern Lieferaufträge erteilen.

Elektronische Patientenakte, elektronischer Medikationsplan, elektronisches Rezept, elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - wer will das alles binnen kurzer Frist den Patienten erklären? 80% der Patienten sind komplett uninformiert!

Dieses Thema - gar zumal im Angesicht der Impfkampagne und der Impfausweise im 1980-er Stil - wird zum Kernthema des bevorstehenden Wahlkampfes werden...! Man darf ahnen, dass das zu groben Disruptionen führen wird...

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