BAH-Positionspapier

Arzneimittelhersteller zerpflücken Nationales Gesundheitsportal

Berlin - 21.01.2021, 07:00 Uhr

Das BMG als Betreiber des Nationalen Gesundheitsportals steht weiterhin in der Kritik. (Screenshot: gesund.bund.de)

Das BMG als Betreiber des Nationalen Gesundheitsportals steht weiterhin in der Kritik. (Screenshot: gesund.bund.de)


Droht Wettbewerbsverzerrung auch im Arzneimittelmarkt?

Auch über wettbewerbliche Aspekte im Markt der Gesundheitsinformation hat sich der BAH Gedanken gemacht. „Das steuerfinanzierte und vom BMG betriebene Nationale Gesundheitsportal muss aus Sicht des BAH Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privaten Anbietern von Gesundheitsinformationen und Arzneimitteln verhindern“, betonen die Pharmahersteller. Zu berücksichtigen gelte es, dass sich private Anbieter häufig über Werbung und Abonnements finanzieren müssen, während das BMG-Portal aus Mitteln des Bundesgesundheitsministeriums unterhalten wird. Auch die Kooperation mit Google ist dem Verband ein Dorn im Auge: „Untersuchungen belegen, dass bereits heute rund ein Drittel der Internetnutzer bei der organischen Suche nur die erste Platzierung beachtet“, führt der BAH an. Bei bevorzugter Anzeige der Portalinhalte werde sämtlicher anderer Content in den Suchergebnissen, vor allem bei der am weitesten verbreiteten Suche auf mobilen Geräten, aus dem für den Verbraucher sichtbaren Bereich nach unten verdrängt.“

Gewinner dieses Deals ist nach Einschätzung des BAH übrigens Google. Denn: „Die werbetreibende Industrie, die bisher über die Verlagsportale oder eigene Inhalte präsent war, müsste nun deutlich stärker in Google-Ads-Anzeigen investieren, um sichtbar zu bleiben. Das wiederum erhöht aufgrund des Auktionsprinzips die Werbeeinnahmen von Google.“ Die Suchmaschine verdränge damit nicht nur freie redaktionelle Inhalte, sondern stärke nebenbei auch noch ihre Monopolstellung am Markt.

Schnittstellen mit ePA und E-Rezept in der Kritik

Auch die mit dem Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) geplanten Schnittstellen zur elektronischen Patientenakte (ePA) und zum E-Rezept bereiten dem BAH Sorge. „Je nach Ausgestaltung könnte das unter anderem zur Folge haben, dass Versicherte zukünftig sowohl über die ePA als auch über die (jährlich ca. 500 Millionen) E-Rezepte gezielt zum Nationalen Gesundheitsportal gelenkt werden“, merken die Hersteller an.

Aufgrund der prominenten Sichtbarkeit der Inhalte des Gesundheitsportals und der „teils lückenhaften Darstellung von Behandlungsoptionen“ entstehe eine automatische Verzerrung der wahrgenommenen und damit zu favorisierenden Therapieoptionen bei den Verbrauchern. „Dies birgt das Risiko einer Wettbewerbsverzerrung innerhalb des Arzneimittelmarkts“, warnt der BAH. „Eine Lösung hierfür ist eine zwingend vollständige Nennung aller durch die Zulassungsbehörde zugelassenen Therapieoptionen (und nicht nur beispielhaft einzelner Optionen) aus Transparenz- und Objektivitätsgründen oder die Herauslösung und Streichung der Behandlungsoptionen aus dem Gesundheitsportals insgesamt und ein Verweis auf die Heilberufe, welche eine patientenindividuelle Beratung und Behandlung seriös, ausgewogen und fachwissenschaftlich gewährleisten können.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Google

von Jürgen Lamme am 22.01.2021 um 8:46 Uhr

Die Zusammenarbeit mit Google ist nur folgerichtig. Wo soll denn die digitale Kompetenz herkommen, wenn Karrieren in deutschen Behörden nicht durch Kompetenz sondern durch Ersitzen erfolgen. Und an den Spitzen wird dieses Land durch Menschen ohne Berufsausbildung, bestenfalls mit abgebrochenem Theologiestudium, geführt. Erstaunlich ist, dass man trotz dieser geballten Inkompetenz glaubt, der Staat könne irgendetwas besser als die Privatwirtschaft.

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hoher Standard

von J.M.L. am 21.01.2021 um 9:35 Uhr

Während die Standards im Gesundheitswesen und der pharmazeutischen Industrie sehr hoch sind, fehlen solche Standards in der Politik völlig, sind denn Lobbyisten mit Bankkaufsmannslehre und blindem Aktionismus wirklich die beste Option für unsere Republik? Pardon Bananenrepublik?

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