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ABDA-Fachkonferenz zu Arzneimittellieferengpässen
Probleme nicht nur verschieben
Um den europäischen Ansatz gegen Arzneimittellieferengpässe zu diskutieren, lud die ABDA am heutigen Dienstag Vertreter von Fachverbänden sowie EU-Politiker zu einer digitalen Fachkonferenz. Die EU-Abgeordente Jutta Paulus, selbst Apothekerin, fordert nachhaltige Lösungen, hat aber aus pharmazeutischer Sicht auch Bedenken.
Lieferengpässe sind für Apotheker:innen seit Jahren ein leidiges Thema. Seit 2017 hat sich die Anzahl verschreibungsfähiger Arzneimittel vervierfacht. Spätestens die Corona-Pandemie verdeutlichte einem größeren Publikum, wie sehr die Patientenversorgung bedroht ist. Ein großes Problem ist auch die Zeit, die Apothekenmitarbeiter:innen investieren müssen, um Lieferengpässe zu kompensieren. In Deutschland verwenden Apotheker:innen über 10 Prozent der Arbeitszeit für den Umgang mit nicht verfügbaren Arzneimitteln. In Portugal verbrachten Pharmazeut:innen damit sogar einen ganzen Tag pro Woche – und das bereits vor der COVID-19-Pandemie.
Um Lösungen für die Problematik auf europäischer Ebene zu erörtern, veranstaltete die ABDA heute Vormittag die Fachkonferenz „Lieferengpässe bei Arzneimitteln: Aufgeben? Lösungen finden!“. Die Diskussion gehörte zum assoziierten Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft – mit dabei waren EU-Politiker:innen und Expert:innen der EMA und pharmazeutischen Industrie. „Nicht zu handeln ist keine Option“, bemerkte Mathias Arnold in seiner Eröffnungsrede. Der Vizepräsident der ABDA wird 2021 das Amt des Vizepräsidenten des europäischen Apothekerverbandes ZAEU übernehmen.
Lieferengpässe priorisieren
Als die Europäische Kommission die Arzneimittelstrategie am 25. November verabschiedete, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass dieser Ansatz in den nächsten drei Jahren umgesetzt werden soll. Peter Liese, Arzt und Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, ist diese Zeitspanne zu lang: „Wir müssen das Thema stärker priorisieren“, so Liese.
Wie auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn oder die ABDA vertritt Liese die Position, die pharmazeutische Industrie dazu zu bewegen, Wirkstoffe vermehrt in der Europäischen Union zu produzieren. „Wir brauchen eine wettbewerbsfähige pharmazeutische Industrie innerhalb der EU. Gleichzeitig müssen wir die Firmen dazu verpflichten, zugunsten des Patientennutzens zu arbeiten.“ Alternativ könne er sich vorstellen, dass für den Import lebenswichtiger Arzneimittel Hersteller nachweisen müssten, mindestens zwei Produktionsstandorte zu haben – idealerweise mit einem in Europa.
Mehr Solidarität und Transparenz
Bei der ABDA-Konferenz äußerte sich auch die approbierte Apothekerin und Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus. Die Wirkstoffherstellung in der EU anzusiedeln hält sie nur bedingt für eine Option. Da die Ausgangsstoffe für die Wirkstoffsynthese auch bei einer Produktion in der EU immer noch außerhalb Europas hergestellt würden, würde diese Maßnahme das Problem nur eine Stufe weiter schieben.
Für sie wäre der Ansatz zielführender, Hersteller zu mehr Transparenz in der Lieferkette und Herstellung zu verpflichten und für Ausschreibungen nicht nur den Preis, sondern auch Auswirkungen auf die Umwelt und Menschen zu berücksichtigen. Um Lieferengpässe zu vermeiden, müsse die EU nach einem solidarischen Prinzip besser zusammenarbeiten. Während sich zu Beginn der Pandemie die einen EU-Mitgliedstaaten bevorratet hätten, seien in anderen Staaten Engpässe die Folge gewesen. Ihrer Meinung nach müsste die EU-Kommission eine Task Force bei der EMA einrichten, die die Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten koordiniert.
Schmidt: EU muss auf der richtigen Höhe fliegen
Ein wichtiges Anliegen ist für Paulus, dass die EU-Kommission den „One Health“-Ansatz priorisiert. One Health überträgt Theodor W. Adornos berühmten Satz auf die Medizin: „Es gibt keine gesunden Menschen in einer ungesunden Umgebung.“ Also sollten Gesundheitsbehörden die Auswirkungen industrieller Kollateralschäden auf die Gesundheit des Menschen berücksichtigen und ökologische Kriterien in die Gute Herstellungspraxis (GMP) für die Pharmazeutische Industrie übernommen werden. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verfolgt diese Herangehensweise und entwickelte erste Leitfäden.
Als Anwendungsbeispiel nennt Paulus den Einsatz von Antibiotika in der Tiermast, der hinsichtlich antimikrobieller Resistenzen auch für die nationale Gesundheit eine Rolle spielt. Peter Liese kommentierte, dass er in der Tiermast nicht die größte Gefahr für den Patienten sieht. Für einen restriktiven Antibiotikaeinsatz müsse zunächst auf Ärzte zugegangen werden. Mediziner testeten in Deutschland nicht in ausreichendem Maße für eine gezielte Antibiotikatherapie, weil die Tests zu teuer und zeitaufwändig seien, so Liese.
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Den Vorschlag des Europäischen Parlaments, zur besseren Verteilung der Arzneimittel, innerhalb der EU die regulatorischen Anforderungen an Fertigarzneimittelpackungen zu erleichtern – zum Beispiel, indem andere Packungsgrößen und multilinguale Beschriftungen ermöglicht werden – sieht die Grünen-Politikerin Paulus skeptisch. „Als Apothekerin weiß ich, dass Patienten skeptisch werden, wenn die Verpackung plötzlich mit griechischer Schrift bedruckt wäre.“
Bedenken in der Apothekerschaft betonte auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in seiner Schlussrede der Fachkonferenz. Es sei gut, dass die EU den solidarischen Ansatz für eine Verfügbarkeit von Arzneimitteln in allen Mitgliedstaaten fördere und die Stabilisierung von Lieferketten vorantreibe. Aber es wäre falsch, wenn die europäischen Vorgaben unkritisch auf einzelne Mitgliedstaaten übertragen und damit die historisch gewachsenen Strukturen gefährden würden. „Es ist wichtig, dass die Europäische Union auf der richtigen Höhe fliegt“, so Schmidt.
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