Reaktionen auf das VOASG

Von Wermutstropfen und benachteiligten EU-Versendern

Berlin - 30.10.2020, 13:45 Uhr

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt: Eine vierjährige Hängepartie ist jetzt beendet. (p / Foto: ABDA)

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt: Eine vierjährige Hängepartie ist jetzt beendet. (p / Foto: ABDA)


Auch wenn es Wermutstropfen gibt: Die ABDA begrüßt das gestern vom Bundestag verabschiedete Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz grundsätzlich. Apotheken könnten nun mit mehr Zuversicht als bisher nach vorne schauen, sagte Präsident Friedemann Schmidt. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe ist da skeptischer. Und die europäischen Versandapotheken kündigen bereits an, sich weiter für die Gewährung von Boni einsetzen zu wollen. Den Rechtsweg scheuen sie nicht. Durch die Botendienstvergütung sehen sich die EU-Versender übrigens gegenüber Vor-Ort-Apotheken benachteiligt. 

„Mit dem Apothekenstärkungsgesetz bekommen die Apotheken einen klareren ordnungspolitischen Rahmen und können wieder mit mehr Zuversicht nach vorne schauen“, erklärte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt anlässlich der Verabschiedung des VOASG im Bundestag. „Angesichts rückläufiger Apothekenzahlen brauchen gerade junge Apotheker eine Perspektive, wie sie ihre Patienten in zehn oder zwanzig Jahren versorgen können. Dazu trägt das Gesetz bei.“

Schmidt ist erleichtert, dass die lange Hängepartie nach dem EuGH-Urteil von 2016 nun beendet ist und es nun zumindest im GKV-Bereich auch im grenzüberschreitenden Versandhandel wieder eine Preisbindung bei rezeptpflichtigen Medikamenten gibt. „Der Wermutstropfen ist, dass diese Regelung nicht bei Privatpatienten greift. Trotzdem hilft sie dabei, eine flächendeckende Arzneimittelversorgung für die Patienten zu sichern“, so Schmidt.

Schmidt erwartet schwierige Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband

Positiv sieht man bei der ABDA auch die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen. Zum Beispiel mit Medikationsanalysen könnten Apotheken „Versorgungsdefizite beheben, die Arzneimitteltherapie der Patienten sicherer machen und mit Blick auf vermeidbare Klinikeinweisungen wahrscheinlich sogar Kosten im System einsparen“. Allerdings erwartet Schmidt, dass die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband über die Ausgestaltung der Leistungen schwierig werden.

Gut ist laut Schmidt auch, dass der Botendienst nun vergütet wird. Mit 2,50 Euro pro Fahrt bleibe der Botendienst aber auch in Zukunft wirtschaftlich defizitär.

AVWL: Nicht nur verfassungswidrig, sondern kontraproduktiv

Dr. Klaus Michels, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL), sieht das Gesetz, speziell die Differenzierung zwischen gesetzlich und privat Krankenversicherten, allerdings deutlich kritischer als Schmidt: „Wir halten diese Ungleichbehandlung der Patientengruppen nicht nur für verfassungswidrig, sondern das VOASG am Ende auch für gänzlich kontraproduktiv, um die Preisbindung im Rahmen eines erneuten Verfahrens vor dem EuGH rechtfertigen zu können. Unseres Erachtens droht daher absehbar der gänzliche Wegfall der Preisbindung.“ Der Verlust weiterer fundamentaler Prinzipien für die Vor-Ort-Apotheke wie beispielsweise das Fremd- und Mehrbesitzverbot sei dann nur eine Frage der Zeit. Michels weiter: „Wir werden die Entwicklungen auch und gerade mit Blick auf die Einführung des E-Rezepts genau beobachten und die Politik mit den eintretenden Folgen, insbesondere einem sich immer weiter zulasten der Vor-Ort-Apotheken verzerrenden Wettbewerb mit dem ausländischen Versandhandel, konfrontieren.“ Zugleich werde der AVWL an Konzepten arbeiten, um die Apotheken vor Ort zukunftssicher aufzustellen und so eine gute Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln und pharmazeutischer Beratung zu garantieren. „Dass mit dem Gesetz die Möglichkeit geschaffen wird, künftig honorierte pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung“, so Michels. Die Auswirkungen des Verlusts der Preisbindung würden dadurch allerdings nicht annäherungsweise kompensiert.

EU-Versender wollen sich für eigenen Arzneimittellieferkosten-Zuschlag einsetzen

Zu Wort meldet sich auch der Verband der Europäischen Versandapotheken (EAMSP). Dort hält man das neue Bonusverbot für „eindeutig europarechtswidrig“. Der Verband verweist darauf, dass der Marktanteil von verschreibungspflichtigen Medikamenten, die bei EU-ausländischen Versandapotheken bestellt werden, trotz Boni seit Jahren nur rund 1 Prozent am gesamten Apothekenumsatz betrage. 

Olaf Heinrich, Präsident des EAMSP und CEO von DocMorris, sieht mit dem Boniverbot im Sozialrecht die Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland befördert. „Das Gesetz treibt die Arzneimittelausgaben der gesetzlich versicherten Patienten direkt in die Höhe", sagt er, während für Privatpatienten weiterhin Rx-Boni möglich seien.

Auch die dauerhafte Regelung zur Vergütung des Botendienstes sieht der EAMSP kritisch, weil sie „die EU-Versender benachteiligt“. Beim Botendienst könne es sich zwar um eine sinnvolle, lokale Ergänzung handeln. Eine Grenze müsse aber dort gezogen werden, wo der Botendienst zu einem Versandhandel ohne Erlaubnis würde und somit die strengen Auflagen für den Arzneimittelversand umgangen würden. Auch sei es aus Sicht des Patienten nicht nachvollziehbar, warum er für die Zustellung per Botendienst selbst bei kleinen Bestellungen nichts bezahlen muss, für eine Lieferung des Versandhandels hingegen schon. Der EAMSP fordert daher „einen Zuschlag zu den Arzneimittellieferkosten für Versandapotheken ein, der auch die Patienten entlastet“.

EAMSP: Alle gesetzlichen Anforderungen werden bereits erfüllt

Was die ausdrückliche Erstreckung der Versandregeln im Apothekengesetz und in der Apothekenbetriebsordnung auf EU-Versender betrifft, so fühlt man sich beim EAMSP offensichtlich nicht angesprochen: Die Regelungen hinsichtlich der Qualität und der Wirksamkeit bei der Verpackung, dem Transport und der Auslieferung von Arzneimitteln gelten demnach bereits heute für deutsche und europäische Versandapotheken, die Arzneimittel nach Deutschland versenden, sowie für den Botendienst. „Die im EAMSP organisierten Versandapotheken haben die dafür notwendigen operativen Maßnahmen bereits seit Jahren umgesetzt und erfüllen die gesetzlichen Anforderungen.“

Abschließend erklärt der Verband, dass sich die europäischen Versandapotheken weiterhin für die Gewährung von Boni als mögliches Wettbewerbselement einsetzen werden und bereit seien, auch den Rechtsweg zu beschreiten.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Fern jeder Realtiät

von Franz Keller am 30.10.2020 um 14:35 Uhr

und von der Basis, die ABDA
Aber wen interessiert das noch.
Ich wünsche jedem aus diesem komischen Verein, dass er mit dem angerichteten Desaster mit untergeht.

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