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Shop Apotheke
EuGH hält französische Werbeverbote für weitgehend legitim
Wie hierzulande kämpfen auch in Frankreich Apotheker gegen die Werbemaßnahmen niederländischer Arzneimittelversender. Nun hat der Europäische Gerichtshof ein Urteil zur Werbung der Shop Apotheke getroffen. Demnach darf Frankreich dem EU-Versender die Werbung für den OTC-Versand zwar nicht in Gänze verbieten. Verbote, die die Würde des Apothekerberufs schützen oder den missbräuchlichen Arzneimittelkonsum verhindern sollen, halten die EU-Richter aber grundsätzlich für mit dem EU-Recht vereinbar. Bei einem seiner Werbeverbote musste sich Frankreich zwar ähnlich wie Deutschland im Jahr 2016 anhören, nicht ausreichend Nachweise erbracht zu haben – das letzte Wort hat allerdings das vorlegende Gericht in Paris.
Die in den Niederlanden ansässige Shop Apotheke bietet in Frankreich über eine französische Internetseite nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel an – der Rx-Versand ist in unserem Nachbarland gar nicht erlaubt. Doch auch die OTC-Werbung, die die Shop Apotheke betreibt, missfällt den französischen Apothekern. Konkret geht es um eine große multimediale Kampagne des EU-Versenders, bei der er eigene Werbebroschüren den Paketen anderer Versandunternehmen beigelegt („Huckepack-Werbung“), Werbebriefe versandt und auf seiner eigenen Webseite geworben hat. Dabei bot die Shop Apotheke ab einem bestimmten Bestellwert Rabatte an. Zudem nutzt das Unternehmen Suchmaschinen, die ihre Sichtbarkeit im Vergleich zu niedergelassenen Apotheken erhöhen – und bezahlt dafür.
Das französische Recht verbietet Apothekern allerdings, mit Vorgehensweisen und Mitteln zu werben, die als nicht vereinbar mit der Würde des Berufs angesehen werden. Ebenso ist es unzulässig, Patienten zu einem Fehl- oder Mehrgebrauch von Arzneimitteln zu verleiten. Diese Werbeverbote sehen die französischen Apotheker durch den Massenversand von Prospekten und die Rabattangebote der Shop Apotheke verletzt. Ferner sind Apotheken in Frankreich kostenpflichtige Links in Suchmaschinen oder Preisvergleichsportalen verboten. Damit will man verhindern, dass sich die Vermarktung von Arzneimitteln in den Händen großer Online-Apotheken konzentriert, und dafür sorgen, dass eine ausgewogene Verteilung der Apotheken im ganzen Land gewährleistet bleibt. Zudem müssen Patienten nach französischem Recht vor der ersten elektronischen Bestellung von Arzneimitteln einen Anamnesefragebogen ausfüllen, was die Shop Apotheke ebenfalls nicht beachtet habe.
Eine Klage der französischen Apotheker gegen die niederländische Konkurrenz hatte in erster Instanz Erfolg. Das Verfahren ging daraufhin vor Frankreichs größtes Berufungsgericht. Dieses entschied, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen, ehe es selbst sein Urteil spricht. Die Luxemburger Richter sollten die Frage klären, ob die Anwendung der französischen Vorschriften auf die niederländische Online-Apotheke mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
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Das ist nun geschehen. Anders als etwa im Fall der Deutschen Parkinson Gesellschaft kommt es im französischen Fall nicht auf den freien Warenverkehr an. Vielmehr steht die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr im Mittelpunkt – der Online-Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel wird hier als Dienstleistung im Sinne dieser Richtlinie gesehen. Nun war die Frage, ob diese Richtlinie, die für einen funktionierenden Binnenmarkt sorgen soll, einer Anwendung der fraglichen französischen Werbeverbote auf eine Apotheke in einem anderen Mitgliedstaat entgegensteht. Der EuGH prüft hier alle vier in Rede stehenden Verbote: Welchem Ziel dient es (dem Schutz der öffentlichen Gesundheit)? Und ist es geeignet und erforderlich, um das Ziel zu erreichen?
Mitgliedstaaten haben Wertungsspielraum
Was die Werbeprospekte und die Rabatte betrifft, legen die Richter dar, dass die Verbote, die die Würde des Apothekers schützen und den Arzneimittelmehr- und fehlgebrauch verhindern sollen, zwar den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränken – aber durchaus gerechtfertigt sein können. Dabei verweist er auch darauf, dass Arzneimittel nicht mit gewöhnlichen Konsumgütern gleichgesetzt werden können. Ausdrücklich stellt der EuGH fest, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie sie dieses erreichen. Hierbei sei ihnen ein Wertungsspielraum zuzuerkennen. Mit Blick auf die Massen-Werbesendungen kommt der EuGH zu dem Schluss, dass das die Werbeverbote mit der fraglichen Richtlinie zu vereinbaren sind, solange sie nicht dazu führen, dass die Werbung außerhalb der Apotheke gänzlich verboten wird. Das müsse nun aber das französische Gericht prüfen.
Hinsichtlich der Rabattwerbung stellen die Richter fest, dass die fragliche Richtlinie dem Verbot, das einen Fehl- und Mehrgebrauch verhindern soll, ebenfalls nicht grundsätzlich entgegensteht. Allerdings müsse ein solches Verbot hinreichend bestimmt sein und dürfe nur für Arzneimittel, nicht aber für apothekenübliche Waren gelten – auch hier muss das vorlegende Gericht den Fall nochmal prüfen.
Anamnese-Fragebogen: Milderes Mittel als Versandverbot
Zu dem Punkt, dass Patienten vor der Bestätigung der ersten Bestellung einen Online-Anamnesefragebogen ausfüllen müssen, konstatiert der Gerichtshof zwar, dass eine solche Maßnahme Patienten vor einem Online-Arzneimittel abschrecken könnte. Er weist jedoch darauf hin, dass er „bereits entschieden hat, dass die Erhöhung der Zahl der interaktiven Elemente, die der Kunde vor einem möglichen Kauf im Internet verwenden muss, eine akzeptable Maßnahme darstellt, die den freien Warenverkehr weniger einschränkt als ein Verbot des Online-Verkaufs“. Damit ist das Urteil von 2003 gemeint, das klarstellte, dass EU-Mitgliedstaaten aus Gründen des Gesundheitsschutzes durchaus den Rx-Versandhandel verbieten dürfen. Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass die hier in Rede stehende französische Regelung sich im Rahmen des zulässigen bewegt.
Mangelnde Nachweise?
Einen Dämpfer gibt es für die Franzosen aber mit Blick auf das Verbot, kostenpflichtige Links in Suchmaschinen oder Preisvergleichsportalen einzusetzen. Hier bemühten sie eine ähnliche Argumentation wie Deutschland bei der Rx-Preisbindung: Demnach sei die flächendeckende Versorgung in Gefahr, wenn sich der Arzneimittelvertrieb auf große Apotheken konzentriere. Dazu stellt der EuGH fest, dass das Verbot die EU-Versender einschränkt, sich in Frankreich bekannt zu machen und damit auch den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränkt. Doch mit der Rechtfertigung haben die Richter Probleme: Zwar habe die französische Regierung behauptet, die Maßnahme habe das Ziel, eine ausgewogene Verteilung der Apotheken über das gesamte Staatsgebiet zu gewährleisten. Sie habe aber nicht „den ihr obliegenden Nachweis“ erbracht, dass die Maßnahme geeignet wäre, das Ziel zu erreichen und dazu auch erforderlich wäre. Allerdings ist an dieser Stelle noch kein endgültiges Urteil gesprochen. Vor dem vorlegenden französischen Gericht kann der Nachweis, „dass eine solche Regelung geeignet ist, die Erreichung eines Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist“ nämlich durchaus noch erbracht werden.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Oktober 2020, Rs C-649/18
1 Kommentar
Gibt es ein Umdenken in der EU?
von Heiko Barz am 02.10.2020 um 12:02 Uhr
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