TK-Innovationsreport

„Mäßig innovativ, aber extrem kostenintensiv“

Berlin - 16.09.2020, 10:30 Uhr

TK-Chef Jens Baas: „Wir fallen auf die Preismechanismen der Pharmaindustrie rein.“ (Foto: TK)

TK-Chef Jens Baas: „Wir fallen auf die Preismechanismen der Pharmaindustrie rein.“ (Foto: TK)


Wie steht es um die Innovationskraft der Neueinführungen?

Und zu welchen Erkenntnissen kommt nun der TK-Innovationsreport? Baas‘ Kurzfazit lautet: „Mäßig innovativ, aber extrem kostenintensiv“. Der Report 2020 bewertet 31 Präparate, die im Jahr 2017 neu auf den deutschen Arzneimittelmarkt gekommen sind. Mit Cladribin und Dimethylfumarat sind zwei bekannte Wirkstoffe in neuen Indikationen berücksichtigt. Betrachtet man die Indikationen, haben zahlenmäßig Krebsarzneimittel die Nase vorn. Zehn antineoplastische Mittel nimmt der Report unter die Lupe. Am zweithäufigsten folgen immunsuppressive Wirkstoffe (sieben). Zudem ist festzustellen, dass 14 Arzneimittel Biologika sind und acht Orphan-Drug-Status haben. Vier Wirkstoffe kamen im Rahmen eines beschleunigten Zulassungsverfahrens auf den Markt (Avelumab, Cenegermin, Nusinersen und Obeticholsäure).

Allein diese 31 Arzneimittel sorgten im Jahr 2018 bei der TK für Ausgaben von 178,4 Millionen Euro. Der durchschnittliche Packungspreis stieg im Vergleich zum Vorjahr um knapp 140 Prozent auf 3.066 Euro – obwohl die Menge der verordneten Packungen mit 58.200 um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückging. Hauptverantwortlich dafür waren laut TK neben Spinraza®, dem ersten Arzneimittel in der Geschichte des Reports mit sechsstelligem Packungspreis (mittlerweile liegt er laut Lauer-Taxe leicht darunter), fünf Arzneimittel, für die je Packung fünfstellige Preise fällig werden.

Acht grüne Ampeln, sieben gelbe, 16 rote

Doch wie steht es sonst um die Innovationskraft der neuen Substanzen? Wie haben sie sich im Versorgungsalltag bewährt? Wie leuchten die für den TK-Report bekannten Ampeln? Die Autoren verwenden hier ein System, das drei Aspekte berücksichtigt: Gibt es schon Therapien auf dem Gebiet? Hat das Arzneimittel einen Zusatznutzen gegenüber der Vergleichstherapie? Und ist es teurer als diese? Anhand dieser Kriterien wird ein Gesamtscore gebildet, wobei die Kostenfrage bei Orphan Drugs ausgespart wird. Insgesamt erhielten acht der neuen Arzneimittel (26 %) die Bestnote: die grüne Gesamtampel. Sieben (23 %) bekamen ein „gelb“ – aber für 16 und damit mehr als die Hälfte leuchtete die rote Gesamtampel.

Über die grüne Ampel können sich vier Arzneimittel gegen Leukämie freuen (Inotuzumab Ozogamicin, Midostaurin, Venetoclax). Eines der bestbewerteten Präparate kommt beim Bronchialkarzinom zum Einsatz (Alectinib), zwei bei Psoriasis (Ixekizumab, Guselkumab), eins bei Neurodermitis (Dupilumab) – und auch Nusinersen zur Behandlung der SMA konnte trotz seines hohen Preises, der bei dem Orphan Drug ohnehin nicht in die Wertung einfloss, mit seinem Nutzen überzeugen. 

Glaeske forderte auch in diesem Jahr wieder eine obligatorische Spätbewertung von neuen Arzneimitteln. Denn viele Wirkungen zeigen sich erst später. So wurden zu den 31 Neueinführungen mittlerweile fünf Rote-Hand-Briefe und fünf Blaue-Hand- Informationen veröffentlicht. Er kritisierte zudem, dass sich die Pharmaunternehmen bei ihren Neueinführungen vor allem auf Arzneimittel konzentrieren, die viel Gewinn versprechen. Antibiotika oder gegen Demenz eingesetzte Neurologika, die man dringend bräuchte, seien dagegen auf dem Rückzug, obwohl der Bedarf hier riesig sei.

Hier finden Sie den TK-Innovationsreport zum Download.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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Teuer und ohne Zusatznutzen

1 Kommentar

Schuld

von Reinhard Rodiger am 16.09.2020 um 11:34 Uhr

Gerade die Krankenkassenvorstände sollten daran denken,dass das Greifen in fremde Taschen Kompensation bewirkt. Wenn die Macht gegeben ist. Es ist schon heuchlerisch, diese Situation mit zu erzeugen und gleichzeitig diese Schuld zu verschieben.
Der Ruf nach. Innovationen ist besonders laut bei denen, die sie nicht erbringen oder bezahlen müssen.
Wenn die kleinen Schritte nicht mehr gewürdigt werden, gibt es eben nur große.Die sind naturgemäß seltener, aufwendiger und riskanter .Der erste Schritt wäre, die Krankenkassen würden ihre Erpressungen als kontraproduktiv erkennen. Die Monopolstrukturen der Industrie sind die Folge dieser Ignoranz.Das betrifft auch andere von den KK. abhängige Leistungsträger.Die KK ruinieren den Mittelstand und beklagen die erzeugten Machtstrukturen..

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