Hydroxychloroquin und COVID-19

Deutsche Chloroquin-Studie wird doch pausiert

Stuttgart - 02.06.2020, 16:44 Uhr

Steht den Malaria-Arzneimitteln Chloroquin und Hydroxychloroquin im Einsatz bei COVID-19 ein endgültiges Aus bevor? Noch ist die Datenlage unklar, auch wenn bereits viele Risiken bekannt sind. ( r / Foto: imago images / Belga)

Steht den Malaria-Arzneimitteln Chloroquin und Hydroxychloroquin im Einsatz bei COVID-19 ein endgültiges Aus bevor? Noch ist die Datenlage unklar, auch wenn bereits viele Risiken bekannt sind. ( r / Foto: imago images / Belga)


Vergangene Woche hat das Bundesgesundheitsministerium gespendete Chloroquin-Tabletten an die Pharmabranche zurückgegeben. Vorausgegangen war eine Lancet-Studie, die nahelegt, dass sich die Arzneimittel negativ auf den Verlauf einer COVID-19-Infektion auswirken könnten. Während die WHO Studien mit Hydroxychloroquin daraufhin vorerst pausierte und Frankreich den Einsatz ganz verbot, liefen deutsche Studien zunächst weiter.

Das Tübinger Institut für Tropenmedizin unterbricht seine Studie mit Chloroquin zur Behandlung von COVID-19-Patienten nun doch. Das meldete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) vergangenen Freitag. Wie Institutsdirektor Professor Peter Kremsner mitteilte, soll die Studie bis zu zwei Wochen ausgesetzt werden, weil es Berichte über schwere Nebenwirkungen des Malaria-Mittels gegeben hat. In dieser Zeit werde ein unabhängiges Sicherheitsgremium die ersten Ergebnisse zur Patientensicherheit sichten. Danach solle eine Entscheidung fallen, ob die Studie fortgesetzt wird. Zuerst hatte der SWR darüber berichtet. Demnach haben neben Frankreich auch Italien und Belgien aufgehört, die Malaria-Mittel im Zusammenhang mit Corona einzusetzen.

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Im Journal „The Lancet“ hatten Forscher zuvor auf Grundlage einer umfassenden Datenanalyse berichtet, dass sich die Malaria-Arzneimittel Hydroxychloroquin und Chloroquin wahrscheinlich nicht zur Behandlung von COVID-19-Patienten eignen und die Wirkstoffe womöglich sogar die Todesrate erhöhen. Zwei in Deutschland laufende Studien sollten aber trotz der Reaktion der WHO zunächst weitergeführt werden, wie Kremsner, der Koordinator der beiden Studien, im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ am 26. Mai berichtete. 

Er äußerte Kritik an der Lancet-Studie: Darin sei das Medikament „jedem Patienten gegeben worden, ohne hinzuschauen, was natürlich auch der Pandemie-Situation geschuldet war“. Die beobachtete höhere Sterblichkeit bei Gabe von Hydroxychloroquin sei daher nicht verwunderlich: „Wir hätten diese Studie so nicht gebraucht.“ In den deutschen Studien halte man sich „strikt an die Regeln, bei welchen Patienten Hydroxychloroquin eingesetzt werden darf“ und schließe COVID-19-Patienten mit beispielsweise Herzerkrankungen aus, betonte Kremsner.

„Sowieso keine Corona-Patienten in Tübingen“

Kremsner geht laut dpa weiterhin davon aus, dass die Sorgen um Nebenwirkungen übertrieben sind. Die Tübinger Tropenmediziner wollten früheren Angaben zufolge mit Chloroquin eine moderat an COVID-19 erkrankte Testgruppe behandeln und einer Kontrollgruppe Placebos verabreichen. Laut SWR sieht Kremsner die Pause bei seiner Forschung nun gelassen: Momentan gebe es sowieso keine Corona-Patienten in Tübingen, mit denen er seine Studien hätte fortsetzen können.

Am Freitag berichtete außerdem das Ärzteblatt, dass sich Dutzende Forscher aus der ganzen Welt besorgt über die Lancet-Studie geäußert hätten, die die WHO zur Aussetzung klinischer Tests mit dem Malariamittel veranlasste. In einem offenen Brief werde eine lange Liste von aus Sicht der Unterzeichner problematischen Punkten angeführt: Unter anderem werde die Weigerung der Autoren kritisiert, anderen Wissenschaftlern Zugang zu den Daten zu geben. Auch werde nichts über die Länder und die Krankenhäuser gesagt, aus denen die Daten kommen. Unterzeichnet worden sei der offene Brief von Forschern verschiedener Bereiche, unter anderem von der Harvard-Universität und dem Imperial College London. 

The Lancet“ hat laut Ärzteblatt erklärt, man habe „verschiedene Fragen“ zu der Studie erhalten. Sie seien an die Autoren weitergeleitet worden, diese würden sie demnächst beantworten.

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Ein Update zur Forschung an COVID-19-Therapeutika

Warten auf Evidenz

Unterdessen hat auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA Ärzte erneut darauf hingewiesen, bei der Behandlung von COVID-19-Patienten mit Chloroquin und Hydroxychloroquin besondere Vorsicht walten zu lassen. Eine positive Wirkung sei noch nicht belegt, die Behandlung könne schwere Nebenwirkungen haben. 

 Die EMA verweist aber auch darauf, dass eine vorläufige Überprüfung der „Recovery-Studie“, einer großen laufenden Studie mit COVID-19-Patienten, keine Gründe für die Aussetzung oder den Abbruch der Studie ergab. 

USA liefern Hydroxychloroquin nach Brasilien

Die Vereinigten Staaten schicken währenddessen laut einer dpa-Meldung vom heutigen Montag zwei Millionen Dosen Hydroxychloroquin zum Einsatz gegen das Coronavirus nach Brasilien. Das Malariamittel soll zur Prävention bei Krankenschwestern und Ärzten sowie zur Behandlung von Infizierten eingesetzt werden, wie aus einer gemeinsamen Erklärung der beiden Länder vom Sonntag (Ortszeit) hervorgehe. 

Um das Medikament zur Anwendung bei Corona-Patienten zu empfehlen, habe das brasilianische Gesundheitsministerium jüngst seinen Leitfaden für Ärzte geändert. Gesundheitsminister Nelson Teich, selbst ein Mediziner, hätte gar um seine Entlassung gebeten, weil er anders als der rechte Präsident Jair Bolsonaro gegen den Einsatz war, erklärt die dpa.

Brasilien entwickelt sich immer mehr zum neuen Zentrum der Coronavirus-Pandemie. Die Zahl der gemeldeten Infizierten in dem größten Land Lateinamerikas ist auf mehr als eine halbe Million gestiegen. Fast 30.000 Menschen sind im Zusammenhang mit dem Virus bislang gestorben.

Am Freitag äußerte sich auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zur Lancet-Studie. Aus ihrer Sicht zeigen die Daten vor dem Hintergrund anderer kürzlich publizierter Untersuchungen, dass Chloroquin und Hydroxychloroquin bei COVID-19 derzeit nicht außerhalb klinischer Studien eingesetzt werden sollten. Ergebnisse aus randomisierten kontrollierten Studien seien aber weiterhin dringend erforderlich, um die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Arzneimittel bei der Behandlung von COVID-19-Patienten fundiert bewerten zu können.



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8 Kommentare

Hydroxychloroquin zur Prophylaxe

von Wilhelm Herdering, Dr am 20.06.2020 um 11:28 Uhr

Aus Minnesota kam kürzlich eine interessante Studie zur Postexpositionsprophylaxe .mit Hydroxychloroquin zur Vermeidung von Covid-19 Symptomen mit Placeboarm. Sie habe ergeben, dass Hydroxychloroquin hier unwirksam sei.
Richtig ist, die Studie konnte tatsächlich den statistischen Kriterien nicht genügen, zu zeigen, dass Hydroxychloroquin hier etwas Gewünschtes bewirken kann. Aber Immerhin zeigten sich in der Placebogruppe mit 57 Covid-19 Fällen 9 Fälle mit Symptomen mehr als in der mit HCQ behandelten Gruppe.
Bis zu 4 Tagen nach der Exposition konnte man in die Studie aufgenommen werden.
Wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Inkubationszeit 5 bis 6 Tage beträgt, ist dies eine relativ lange Zeit.
Dazu kommt die extrem lange Biohalbwertszeit des Hydroxychloroquins im Körper mit sagen wir mal 45 Tagen.
Das bedeutet, die durch die Erstgabe erzeugte Konzentration im Körper wird durch jeden weiteren Tag der Behandlung weiter gesteigert, bis vielleicht irgendwann eine wirksame Konzentration erreicht wird.
Das bedeutet, das Erreichen des Zeitpunktes der wirksamen Konzentration könnte später liegen als der Zeitpunkt des Auftreten der ersten Symptome.
Da stellt sich die Frage, welches Ergebnis hätte die Studie gezeigt, hätte man die Prophylaxe bei allen am selben Tag der Exposition begonnen?
Wäre der Vorsprung der behandelten Gruppe dann ein statistisch signifikanter gewesen?
Auszuschließen ist es nicht.
Interessant wäre noch gewesen, ob in der behandelten Gruppe vielleicht die Symptome von Covid-19 mlider ausgefallen sind.
Dazu waren die Gruppen mit Symptomen zu klein, da die meisten sowieso milde Symptome zeigen. Tote gab es keine.
In Indien gab es eine Studie mit sehr niedriger wöchentlicher Dosis bei medizinischem Personal bevor gesicherte Infektionen vor lagen.
Es dauerte da vier Wochen, bevor sich überhaupt eine Wirkung zu zeigen begann.
Nach weiteren Wochen Behandlung sank das Risiko sich zu infizieren um 80 Prozent.
Dies deutet auf einen Dosis-Wirkungsbeziehungseffekt hin.

Alle Quellen,sind alle leicht mit englischen Begriffen zu googeln.


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Studie einer Pornodarstellerin

von Dirk am 10.06.2020 um 10:02 Uhr

Die Studie auf der die Kritik an HCQ basiert, wurde von einem Schriftsteller und einer Pronodarstellerin erstellt. (nicht nur geschrieben). Aufgrund dieser Daten wurde weltweit ein hysterisches Geschrei gegen dieses Medikament gestartet das seinesgleichen sucht. Wer die Geschichte wirklich hinterfragt wird erstaunliches herausfinden:
https://www.journalistenwatch.com/2020/06/04/hydroxychloroquin-hat-who/

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Lancet Studie ist zurueckgenommen worden!

von Raimund Guensche am 05.06.2020 um 19:07 Uhr

https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)31180-6/fulltext

Die "Studie" war anscheinend ein peinlicher Fehler.

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Und die WHO Studie läuft wieder.

von Kurt Heintz am 04.06.2020 um 10:32 Uhr

Die LANCET Studie wächst sich zu einen Wissenschaftskandal aus. Die WHO Studie mit HCQ geht weiter. Bei den Studien die keine Wirksamkeit fanden gibt es auch Ungereimtheiten, bezüglich Interessenkonflikte.

mfg
Kurt

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Hydroxychloroquin

von Wilhelm Herdering, am 03.06.2020 um 18:43 Uhr

Seltsam, dass niemand über die Studie aus Südfrankreich berichtet.1061 Patienten behandelt mit Hydroxychloroquin und Azithromycin. 8 Tote, alle älter als 73 Jahre, niemand davon an Herzrhythmusstörungen gestorben, fünf noch in Behandlung. also 1048 von 1061 wieder gesund.
Man kann sie in medline suchen oder sich leicht googlen mit France 1061 hydroxychloroquine azithromycin. Da es keinen Placeboarm gab, gilt sie nicht als Beweis für die Wirksamkeit.
Aber sie überzeugt mich auch nicht von irgendeiner Gefährlichkeit der Kombination jedenfalls für mich.

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Deutsche Chloroquin-Studie wird doch pausiert

von Kurt Heintz am 03.06.2020 um 11:46 Uhr

Die Lancet Studie ist gelinde gesagt sehr fragwürdig. Würde mich nicht wundern wenn Sapan Desai (zweiter Autor und CEO von Surgisphere Corporation --> Liferant des Datensatz) demnächst noch ein weiteres Verfahren wegen Fehlverhalten am Hals hat.
https://www.the-scientist.com/news-opinion/disputed-hydroxychloroquine-study-brings-scrutiny-to-surgisphere-67595
Ich denk mal da zeichnet sich ein Wissneschaftsskandal um die Lancet Studie ab. A peer-reviewed study that probably used fabricated data: http://freerangestats.info/blog/2020/05/30/implausible-health-data-firm
Die Daten sind zu einheitlich und das macht schon misstrauisch. https://statmodeling.stat.columbia.edu/2020/05/25/hydroxychloroquine-update/
Wäre schon schlimm, wenn das alles Erstunken und erlogen wäre.
Kurt

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Chloroquin

von Cochones am 03.06.2020 um 2:20 Uhr

Die Manaus-Studie aus Brasilien war jedenfalls ein Witz: Dosis 20-fach höher dosiert als bei herkömmlicher Malaria-Dosis! Dazu noch 10 Tage lang parallel Azithromycin (statt üblicherweise 3 Tage)...da war von vornherein klar, auf welches Ergebnis abgezielt wurde, nämlich Studienabbruch

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AW: Chloroquin

von Wilhelm Herdering am 03.06.2020 um 18:50 Uhr

Die Studie in Manaus wurde auch nicht komplett abgebrochen sondern nur der Arm mit der höheren Dosierung.Man muss schon genau lesen.
Die niedere Dosiering ist immer noch höher als die Empfehlung aus China.
Vorsicht beim Vergleich der Dosierungen.
Die Brasilianer meinen die reine Base.
Die Chinesen das Chloroquin-Diphospat.
Eine Tablette Resochin enthält 250 mg des Diphosphats entspricht rd 150 mg an reiner Chloroquin-Base.

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