Jour Fixe Lieferengpässe

BfArM rechnet mit 2,5-mal mehr Arzneimitteln auf Intensivstationen

Stuttgart - 15.04.2020, 17:45 Uhr

Die Teilnehmer der Lieferengpass-Jour-Fixe beim BfArM telefonieren künftig alle zwei Wochen, um den coronabedingten und angespannten Liefersituationen gerecht zu werden. ( r/ Foto: imago images / Hans Lucas)

Die Teilnehmer der Lieferengpass-Jour-Fixe beim BfArM telefonieren künftig alle zwei Wochen, um den coronabedingten und angespannten Liefersituationen gerecht zu werden. ( r/ Foto: imago images / Hans Lucas)


Neue Task Force soll intensivmedizinisch relevante Wirkstoffliste erstellen

Eine Task-Force, bestehend aus ADKA, AMK, BfArM, DKG, Progenerika, AWMF, soll Maßnahmen erarbeiten, um intensivmedizinische Versorgungsprobleme zu vermeiden. Konkret will sie sich kurzfristig zu etwa 20 für die intensivmedizinische Versorgung relevanten Wirkstoffen abstimmen und eine belastbare Wirkstoffliste erstellen. Hierbei soll die Task Force jedoch auch die Auswirkungen auf den ambulanten Bereich betrachten. Zudem sollen Bedarfs- und Produktionskapazitäten ermittelt und ein Mustervorgehen etabliert werden, wie die Versorgung in COVID-19-Hotspots zu bewerkstelligen ist.

Bestehende und sich abzeichnende relevante Engpässe

Dem Jour-Fixe-Protokoll zufolge zeichnen sich bereits Engpässe ab oder bestehen bei folgenden intensivmedizinisch benötigten Arzneimitteln: 

  • Propofol
  • Midazolam
  • Morphin
  • Meropenem
  • Norepinephrin
  • Atemkalk

Das BfArM beobachtet, dass aktuell viele neue Lieferengpässe gemeldet werden, überwiegend werde als Grund die deutlich gestiegene Nachfrage angegeben.

Situation in Apotheken entspannt sich

Die Jour-Fixe-Teilnehmer warfen auch einen Blick in die ambulante Versorgung. Dort habe sich die Situation in Apotheken leicht entspannt. Gründe könnten die Kontaktbeschränkung, aber auch der Quartalswechsel sein. Dennoch sollten Apotheker weiterhin wachsam sein, wenn Arzneimittel aus der klassischen Versorgung für die Behandlung von COVID-19-Patienten verschrieben und angewendet würden.

Wie sieht es in der Pharmazeutischen Industrie aus?

Corona fordert auch die pharmazeutischen Herstellern und Zulassungsinhaber: Die Nachfrage steigt global, die Transportwege klappen nicht reibungslos, was die Marktsituation ziemlich strapaziert. Allerdings hat Indien jüngst verkündet, dass Ausgangsstoffe zur Arzneimittelherstellung grundsätzlich wieder exportiert werden können und auch die Produktion in China wieder angelaufen ist.

Vorbestellung von Grippeimpfstoffen

Kaum ist die diesjährige Grippewelle überstanden, kümmert man sich bereits um die nächste Influenzasaison 2020/21. Bislang liegt die über das neue Meldeverfahren erhobenen Bedarfsmengen noch unter der prognostizierten Menge. In Abstimmung mit dem PEI prüfe man, ob für die kommende Saison noch nachjustiert werden müsse, damit eine ausreichende Versorgung mit Influenzavakzinen sichergestellt ist.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Lieferunfähigkeiten

von Holger am 16.04.2020 um 11:51 Uhr

Also wenn ich nur die 6er-Liste gegen Ende des schönen Artikels von Frau Müller nehme, waren zumindest in meiner Apotheke vier dieser sechs Produkte schon deutlich VOR dem Ausbruch der Corona-Pandemie nicht oder nur eingeschränkt lieferbar. Und da will mir die Industrie erzählen, der Corona-bedingte Mehrverbrauch sei Schuld? Sorry, aber verar.... kann ich mich selber!

Ja, der typische Corona-Intensivpatient ist echt intensiv. Aber das ist der typische bariatrische Intensivpatient auch, oder der typische Polytrauma-Intensivpatient. Und wir sind doch insgesamt scheinbar in den deutschen Krankenhäusern ganz gut in der Lage, die Versorgung dieser Patienten zu stemmen, weil wir halt elektive Leistungen runtergefahren haben. Zumindest bei mir in der Klinik ist der Gesamtverbrauch NICHT nennenswert hochgegangen - insbesondere wenn ich die Hamsterei einzelner Stationen gegenrechne. Denn auch bei Ärzten, Pflegekräften und Apothekern gibt es welche, die in solchen Situationen rasch der Panik nahe sind.

Es gibt zwei Aspekte, die förderlich für Lieferunfähigkeiten sind, beide sind wirtschaftlicher Natur.

1. Druck auf die Krankenkassen und Krankenhäuser sorgt dafür, dass die in den Preisverhandlungen respektive Ausschreibungen den letzten Zehntelcent rauszupressen versuchen. Und sowohl bei den Krankenkassen wie auch bei der Mehrheit der Krankenhäuser (die NICHT in privater Trägerschaft und somit NICHT gewinnorientiert sind!) dient das ja nicht dem shareholder-value, sondern einer gesellschaftlich erwünschten "schwarzen Null".

2. Pharmaunternehmen sind allesamt Betriebe mit Gewinnerzielungsabsicht. Das ist ja per se auch nicht schlecht. Aber wenn man es übertreibt
- monopolisiert man Lieferketten um Investitionen zu sparen
- schafft man Läger ab, weil sie nur Kapital binden
- nutzt man weltweites Lohndumping aus, weil Transporte billig sind
- hat man kein ethisches Problem damit, auch Gewinnmargen anzustreben, bei denen ein Josef Ackermann blass werden würde

Also, WO ist das Problem und an welche Stelle muss man mit Lösungsversuchen ansetzen?

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Grundsätzlich?

von norbert brand am 16.04.2020 um 9:56 Uhr

… "Allerdings hat Indien jüngst verkündet, dass Ausgangsstoffe zur Arzneimittelherstellung grundsätzlich wieder exportiert werden können". ?? Interessant ist das wort "grundsätzlich" Gestern hat mir mein indischer Kontakt mitgeteilt, daß bis zum 04.Mai in Indien ein genereller ShutDown herrscht. Da geht gar nichts. Da erhält das Wort "grundsätzlich" schon eher die Bedeutung "eigentlich". Fazit: auch hier werden Beruhigungspillen verteilt.

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Ergebnisse?

von Tilmann Schöll am 16.04.2020 um 8:56 Uhr

Schön, dass der JF feststellt, dass es Lieferengpässe gibt. Hilft uns das weiter?
Eine Task-Force soll eingesetzt werden. Auch schön! Allerdings ein wenig spät, denn es ist nicht 5 vor 12, sondern schon 12!
Alle reden von fehlender Schutzkleidung und Desinfektionsmittel, alle loben die Kapazitäten der Beatmungsplätze, die geschaffen wurden - nur keiner spricht über die notwendigen Arzneimittel, die für eine Belegung notwendig sind.
Meiner Erfahrung nach liegt der Verbrauch von Covid19-Patienten deutlich über 2,5 Fächer Menge. Zumindest deuten die Reaktionen und Bestellzahlen der Intensiv darauf hin!
Was wir nicht benötigen sind Laberveranstaltungen. Wir brauchen Material! Handelt endlich! Arbeitsgruppen gibt es genug! Es ist fast schon zu spät.
Vorschlag: Entbürokratisierungen für Hersteller, höhere Preise, damit es sich auch lohnt. Und redet verdammt noch mal mit Leuten, die an der Front stehen! Die wissen, was Sache ist!

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