PEI: Erste Blutplasma-Studie genehmigt

Passive Immunisierung gegen SARS-CoV-2

Stuttgart - 09.04.2020, 16:30 Uhr

Blutplasma von Personen, die eine SARS-CoV-2-Infektion erfolgreich überstanden haben, könnte schwer an COVID-19 Erkrankten helfen: Auf dem Bild ist eine Plasmaspende im Krankenhaus der italienischen Stadt Pavia zu sehen. (s / Foto: imago images / Independent Photo Agency Int.)

Blutplasma von Personen, die eine SARS-CoV-2-Infektion erfolgreich überstanden haben, könnte schwer an COVID-19 Erkrankten helfen: Auf dem Bild ist eine Plasmaspende im Krankenhaus der italienischen Stadt Pavia zu sehen. (s / Foto: imago images / Independent Photo Agency Int.)


Das Paul-Ehrlich-Institut hat am vergangenen Mittwoch die Genehmigung einer ersten klinischen Prüfung mit COVID-19-Rekonvaleszentenplasma in Deutschland bekannt gegeben. Könnte eine solche passive Immunisierung manchen schwer an COVID-19 Erkrankten helfen?

Im Rahmen der Coronakrise werden in individuellen Heilversuchen und klinischen Prüfungen derzeit ganz unterschiedliche Therapieansätze verfolgt. Eine schon länger bekannte Möglichkeit ist die Anwendung von Rekonvaleszentenplasma. „Dabei handelt es sich um Blutplasma von Personen, die eine Infektionskrankheit wie die SARS-CoV-2-Infektion erfolgreich überstanden haben und eine Immunität gegen den entsprechenden Erreger entwickelt haben“, erklärt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in einer Pressemitteilung vom vergangenen Mittwoch dazu. Man hofft also auf Antikörper, mit Hilfe derer man Patienten passiv immunisieren könnte. 

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Anders als bei einer Impfung, bei der die geimpfte Person selbst die Antikörper entwickelt, würden hier somit schwer erkrankten Personen die Antikörper einer anderen Person verabreicht, erklärt das PEI weiter. 

Erste ermutigende Hinweise, Wirksamkeitsnachweis fehlt 

Zwar gebe es erste ermutigende Hinweise auf einen Nutzen bei der Anwendung von COVID-19-Rekonvaleszentenplasma an schwer an COVID-19 Erkrankten, aber ein Wirksamkeitsnachweis fehle noch. Und so braucht es kontrollierte klinische Prüfungen. Die erste, die das PEI nun genehmigt hat trägt den Namen CAPSID (a randomized, prospective, open label clinical trial of convalescent plasma compared to best supportive care for treatment of patients with severe COVID-19). Sie soll sowohl Wirkprinzip als auch Wirksamkeit und Sicherheit der Anwendung von COVID-19-Rekonvaleszentenplasma prüfen. 

Einschlusskriterien für die Studie: 

Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion und:

- Alter ≥ 18 und ≤ 75 Jahre

- SARS-CoV-2-Infektion bestätigt durch PCR (BAL, Sputum, Nasen-/Rachenabstrich)

- schwere Erkrankung definiert durch eines der folgenden Kriterien:

  • Atemfrequenz ≥ 30/Minute unter Umgebungsluft
  • Notwendigkeit jeglicher Beatmungsunterstützung
  • Notwendigkeit intensivmedizinischer Betreuung

- Aufklärung und vom Patienten oder einem gesetzlichen Vertreter unterschriebene Einverständniserklärung

„Aufgrund der intensiven Vorbereitung und der konstruktiven Diskussion mit allen Beteiligten konnte das Paul-Ehrlich-Institut die Genehmigung der klinischen Prüfung von COVID-19-Rekonvaleszenten bei COVID-19 innerhalb einer Woche erteilen“, heißt es. 

Spezifische Immunglobulin-Produkte aus CO­VID-19-Re­kon­va­les­zen­ten­plas­ma

Bereits am Dienstag hatte das PEI eine „Emp­feh­lung des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zur Ge­win­nung und Her­stel­lung von CO­VID-19-Re­kon­va­les­zen­ten­plas­ma” (RKP) veröffentlicht. Die Therapie mit RKP werde in der wissenschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert, hieß es. Das PEI bezieht sich auf eine „Stellungnahme des Arbeitskreis Blut von 2015 zu Einzelspende-RKP“, die den damaligen und weitgehend noch heute gültigen Erkenntnisstand zusammenfasse – die Schlussfolgerung lautet, dass weitere klinische Studien, zur Untersuchung der Wirksamkeit von RKP unerlässlich sind. Mit der jetzt genehmigten wurde also ein Anfang gemacht.

Es gilt laut PEI generell dringend die Empfehlung, die Behandlung mit COVID-19-RKP im Rahmen von kontrollierten klinischen Prüfungen durchzuführen.

Für die Spenderauswahl zur Gewinnung von COVID-19-RKP gelten dem PEI zufolge grundsätzlich alle Vorgaben für Plasmapheresespender der aktuellen Hämotherapie-Richtlinie sowie die Auflagen der Stufenpläne des Paul-Ehrlich-Instituts. Darüber hinaus gelten folgende spezifische Voraussetzungen:

  • Die spendewillige Person hatte eine symptomatische COVID-19-Erkrankung und eine zeitlich zusammenhängende SARS-CoV-2-positive PCR-Diagnostik (Abstrich).
  • Zulassung zur Spende: 4 Wochen nach kompletter Genesung von COVID-19 oder 4 Wochen nach der letzten negativen SARS-CoV-2-PCR- Diagnostik aus einem Abstrich.
  • Bei Verwendung von COVID-19-RKP zur Transfusion: Die spendewillige Person wurde negativ getestet auf Antikörper gegen HLA-Klasse I, HLA Klasse II und HNA.
  • Die spendewillige Person wurde positiv auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 getestet.
  • In Ergänzung zu den Vorgaben des §10 Arzneimittelgesetz (AMG) muss COVID-19-RKP als solches gekennzeichnet sein.

Das PEI erwähnt auch, dass neben RKP SARS-CoV-2 spezifische Immunglobulin-Produkte, die aus RKP-Plasmapools hergestellt wurden, eine weitere Therapieoption bieten. 

Mehr als ein Hoffnungsschimmer?

Prof. Dr. Robert Fürst und Dr. Ilse Zündorf hatten sich in der DAZ 13/2020 der Frage „Wann kommt der erste Impfstoff gegen COVID-19?“ gewidmet. Darin verwiesen sie am Ende darauf, dass man hierzulande momentan noch viel zu wenig über mögliche passive Immunisierungsstrategien höre. Es sei in der akuten Infektionsphase besser auf letztere zu setzen, als auf einen schnell verfügbaren Impfstoff zu hoffen: „Gegen SARS-CoV-2 wurde bereits ein humaner monoklonaler Antikörper identifiziert, der zumindest in Zellkulturen eine Infektion mit dem Virus verhindern konnte. Und das Serum von genesenen Personen, von denen es ja mittlerweile etliche gibt, könnte doch durchaus als Quelle für eine passive Impfung dienen – zumindest für die schwer Erkrankten“, schrieben sie. In weiteren Beispielen führen sie an, dass beispielsweise die Takeda Pharmaceutical Co. mit TAK-888 Japan ein intravenöses Immunglobulin aus dem Blutplasma genesener COVID-19-Patienten entwickle und in Kalifornien teste die Firma Vir Pharmaceuticals, ob die 2003 aus dem Blutserum von SARS-Patienten gewonnenen Antikörper auch bei COVID-19 helfen.

Auch die Industrie forscht an Arzneimitteln zur passiven Immunisierung

Vergangenen Montag berichtete die dpa, dass der Pharmakonzern Biotest ebenfalls an einem Medikament für Corona-Patienten auf Basis von menschlichem Blutplasma forscht. Man sei dabei, so schnell wie möglich Plasma von genesenen Spendern zu sammeln und entwickle einen neuen Test für die Proben. Die Spenden mit den meisten Antikörpern könnten dann in einem Pool zu einem neuen „Hyperimmunglobulin“ gegen die Lungenkrankheit verarbeitet und bei schweren Verläufen eingesetzt werden, heißt es.

Biotest sei auf die Entwicklung von Arzneien aus Blutplasma-Spenden spezialisiert. Für das neue Corona-Medikament, das noch in diesem Jahr eingesetzt werden soll, kooperiere Biotest mit Branchenunternehmen weltweit. 

Zuvor hatte Biotest zudem bereits erklärt, man erforsche, ob das firmeneigene Antikörper-Produkt Trimodulin auch bei Coronapatienten helfen könne. Das Mittel könne bereits die Sterblichkeit bei künstlich beatmeten Patienten mit schwerer Lungenentzündung deutlich senken, wie fortgeschrittene klinische Studien zeigen sollen. 

Mit Hannover und Münster haben bereits zwei Universitätskliniken gesundete Corona-Patienten aufgerufen, sich für neue COVID-19-Studien zu Blutspenden zu melden, darüber hatte DAZ.online berichtet. Auch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete am Mittwoch, dass derzeit Kliniken in Deutschland genesene Corona-Patienten suchen, die Blutplasma spenden. „Das mildert und verkürzt den Krankheitsverlauf“, sagte der Leiter der Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Erlangen, Holger Hackstein der dpa. Das zeigten Erfahrungen aus China, hieß es. In China hätten Forscher jüngst an zehn Covid-19-Erkrankten gezeigt, dass sich deren Zustand innerhalb von drei Tagen nach der Transfusion verbesserte. 

Das Universitätsklinikum Erlangen ist eigenen Angaben nach eine der ersten Einrichtungen in Deutschland die eine Erlaubnis bekommen haben, das therapeutische Plasma herzustellen. „Das ist ein recht aufwendiges Verfahren“, sagte Hackstein. In ein bis zwei Wochen könnten die ersten Patientinnen und Patienten in Erlangen damit behandelt werden. Mit einer Spende von 600 bis 800 Millilitern Plasma könnten die Mediziner ein bis zwei Patienten behandeln. Die Therapie soll deshalb nur bei den Schwerstkranken angewendet werden.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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