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„Notfall-Paragraf“ § 79 Absatz 5 AMG
Weg frei für potenziell wirksame Arzneimittel gegen COVID-19
Das Bundesgesundheitsministerium hat am 27. Februar 2020 nach § 79 Absatz 5 des Arzneimittelgesetzes den Versorgungsmangel mit zugelassenen Arzneimitteln zur Behandlung einer SARS-CoV-2-Infektion bekannt gemacht. Das erlaubt den zuständigen Behörden von den Vorgaben des AMG abzuweichen, um zum Beispiel befristet in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel in Verkehr zu bringen. Erforderlich ist dies, da bislang kein Präparat zur COVID-19-Behandlung zugelassen ist, es aber vielversprechende Kandidaten gibt, wie beispielsweise Remdesivir, das sodann auch in Deutschland appliziert werden dürfte.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat in diesen Tagen viel zu tun. Als Krisenmanager während der Ausbreitung des Coronavirus muss der Minister nicht nur hierzulande, sondern auch auf EU-Ebene Maßnahmen vorbereiten, um das Virus möglichst einzudämmen. Dazu greift Spahn nun auch zu einem Mittel, das er während seiner Amtszeit schon zwei Mal angewendet hat: Die Feststellung eines offiziellen Versorgungsmangels bei einem Arzneimittel. Nach dem Mangel an Grippeimpstoffen in der Influenzasaison 2018/19 und jüngst dem Versorgungsmangel bei Oxytocin, greift Spahn nun erneut auf § 79 Absatz 5 des Arzneimittelgesetzes zurück. Dieser legitimiert, dass ein Versorgungsmangel bekannt gemacht werden kann. Grund ist die derzeitige durch SARS-CoV-2 verursachte COVID-19-Epidemie.
Droht ein Versorgungsmangel bei „Arzneimitteln, die zur Vorbeugung oder Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen benötigt werden“, können die Behörden von den Vorgaben des AMG abweichen und zum Beispiel im Einzelfall befristet erlauben, dass hierzulande nicht zugelassene oder registrierte Arzneimittel dennoch in Deutschland in Verkehr gebracht werden dürfen. Das gleiche gilt auch für den Fall „einer bedrohlichen übertagbaren Krankheit“, wenn deren Ausbreitung das Bereitstellen spezifischer Arzneimittel erforderlich macht. Diese Sorge hat das BMG bei SARS-CoV-2. Bereits am 27. Februar 2020 hat das BMG diesen Versorgungsmangel mit zugelassenen Arzneimitteln zur Behandlung einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus (COVID-19) bekannt gemacht. Damit will man rechtlich vorbereitet sein, falls Forschungsbemühungen bei Arzneimitteln gegen COVID-19 erfolgreich sind.
(5) Im Falle eines Versorgungsmangels der Bevölkerung mit Arzneimitteln, die zur Vorbeugung oder Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen benötigt werden, oder im Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, können die zuständigen Behörden im Einzelfall gestatten, dass Arzneimittel, die nicht zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen oder registriert sind,
1. befristet in Verkehr gebracht werden sowie
2. abweichend von § 73 Absatz 1 in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.
[...]
(6) Maßnahmen der zuständigen Behörden nach Absatz 5 sind auf das erforderliche Maß zu begrenzen und müssen angemessen sein, um den Gesundheitsgefahren zu begegnen, die durch den Versorgungsmangel oder die bedrohliche übertragbare Krankheit hervorgerufen werden. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Absatz 5 haben keine aufschiebende Wirkung.
RKI optimistisch bei Arzneimitteleinsatz in Deutschland
Derzeit laufen bereits Studien, vor allem in China, zu Arzneimitteln, die potenziell auch gegen SARS-CoV-2-Infektionen wirken könnten, beispielsweise Remdesivir. Der RNA-Polymerase-Hemmstoff wurde ursprünglich gegen das Ebolavirus entwickelt, zeigte aber auch in Tierversuchen „breit antivirale Wirksamkeit" gegen Coronaviren, unter anderem SARS oder MERS. Nun wird es an COVID-19-Erkrankten in Fünf- und Zehntages-Regimen gegen Placebo an schwer und weniger schwer Erkrankten erprobt. Ergebnisse liegen derzeit noch nicht vor.
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„Wir sind optimistisch, dass wir in den nächsten Wochen solche Medikamente auch in Deutschland einsetzen können", erklärte Medienberichten zufolge Professor Dr. Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), in einer Pressekonferenz am Donnerstag. Derzeit fänden intensive Forschungsbemühungen statt und die ersten verwertbaren Ergebnisse würden in einigen Wochen erwartet.
Doch nicht nur Remdesivir wird gegen SARS-CoV-2 getestet. In China läuft seit kurzem eine klinische Studie mit dem Wirkstoff Favipiravir und auch die bereits bei HIV zugelassene Wirkstoffkombination Lopinavir/Ritonavir (Kaletra® von AbbVie) wurde bereits in mehreren Ländern versuchsweise eingesetzt – mit gemischtem Ergebnis. Zudem werden sowohl experimentelle als auch bereits zugelassene Antikörper und Immuntherapeutika auf ihre Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 hin untersucht. Dazu gehören der Antikörper Leronlimab, der eigentlich gegen HIV entwickelt wird, und zwei Antikörper von Regeneron, Target war hier eigentlich MERS, sowie Brilacidin, das immunmodulatorisch wirkt. Einsatzgebiete sollen eigentlich entzündlicher Darmerkrankungen und Entzündungen der Mundschleimhaut sein.
Und auch auf in an deren Bereichen Bewährtes wird zurückgegriffen, wie das Malariamittel Chloroquin, das immunmodulierende MS-Medikament Fingolimod und der in der Onkologie eingesetzte VEGF-Inhibitor Bevacizumab (Avastin®) sowie der IL-6-Antikörper Tocilizumab (RoActemra®), der bei Lungenschäden durch den SARS-CoV-2-Erreger helfen soll.
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