BAH-Diskussionsrunde zur Versorgungssicherheit

Hennrich: „Das Logistiksystem des Großhandels ist absurd“

Berlin - 05.02.2020, 16:35 Uhr

Michael Hennrich (CDU) zeigte bei der Berliner Runde des BAH den Stand der Dinge in Sachen Lieferengpässe auf. Mit dem Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz sollen erste Maßnahmen ergriffen werden. Und auch danach wird das Thema nicht die politische Bildfläche verlassen. (m / Foto: Mike Fuchs / BAH)

Michael Hennrich (CDU) zeigte bei der Berliner Runde des BAH den Stand der Dinge in Sachen Lieferengpässe auf. Mit dem Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz sollen erste Maßnahmen ergriffen werden. Und auch danach wird das Thema nicht die politische Bildfläche verlassen. (m / Foto: Mike Fuchs / BAH)


Das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz ist auf der Zielgeraden – und mit ihm verschiedene Maßnahmen, die helfen sollen, Arzneimittellieferengpässe zu bekämpfen. Doch noch wird am entsprechenden Änderungsantrag gefeilt. Bei einer Diskussionsrunde des BAH zeigte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich offen für weiteren Input. Deutlich machte er zugleich eines: Das derzeitige Logistiksystem des Großhandels hält er für „absurd“. Statt mehrmals täglich Apotheken zu beliefern, sollten die Großhändler seiner Meinung nach besser in die Lagerhaltung investieren.

Zum neunten Mal hat der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) am heutigen Mittwoch zur „Berliner Runde“ geladen. Die Diskussionsrunde stand unter dem Titel „Herausforderungen in der Arzneimittelpolitik – Wie können wir die Versorgungssicherheit erhöhen?“. Einmal mehr ging es um Arzneimittel-Lieferengpässe. Der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich streute gleich zu Beginn eine gewisse Hoffnung, dass es noch Chancen für weiteren Input zum Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) gibt. Bekanntlich gibt es zu diesem Gesetzentwurf, der am 13. Februar abschließend im Bundestagsplenum beraten wird, einen Änderungsantrag, der verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung von Lieferengpässen vorsieht. Doch klar ist auch: Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, die Regierungsfraktionen feilen weiterhin an den Details.

Mehr Transparenz muss sein

In einigen Punkten sind sich wohl alle einig: Vor allem darin, dass mehr Transparenz in die Lieferkette einziehen muss und Meldepflichten auch auf den ambulanten Bereich auszudehnen sind. Einig ist man sich auch, dass es wünschenswert wäre, die Produktion, vor allem von Wirkstoffen, wieder nach Europa zurückzuholen – doch das lässt sich kaum mit kurzfristigen nationalen Maßnahmen erreichen. Zudem gibt es durchaus noch Knackpunkte, um die man sich streitet.

Was vermutlich nicht in das Gesetz einfließen wird, ist ein Verbot exklusiver Rabattverträge, obwohl dieses von vielen Seiten, nicht zuletzt auch in der Unionsfraktion, gefordert wird. Hennrich selbst wäre wohl dafür offen – zumal ihn wurmt, dass das Rabattvertragssystem mittlerweile auch in der Öffentlichkeit an Akzeptanz verliert. Schließlich waren die Lieferengpässe seit vergangenem Sommer immer wieder Thema in den Publikumsmedien – und schnell wurde dort der Bogen zu den Rabattverträgen geschlossen. Auch wenn Hennrich sich hier „etwas Bewegung“ wünschen würde – das Bundesgesundheitsministerium hat bereits klargestellt, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen Exklusivverträgen und Engpässen sieht. Und so erwartet auch Hennrich im GKV-FKG in diesem Punkt keinen Umschwung.

Becker: 24-Stunden-Regel ist eine „absolute Verschlechterung“

Auch die Apotheker fordern bekanntlich das Ende der Exklusivverträge. Die Verträge sollten aus Sicht der ABDA mit mindestens zwei pharmazeutischen Unternehmern geschlossen werden – sofern möglich, sollte auch der Wirkstoff des Arzneimittels von zwei unterschiedlichen Herstellern kommen. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Fritz Becker, zeigte die Forderungen der Apothekerschaft in Sachen Lieferengpässe in der „Berliner Runde“ nochmals auf. Er verwies darauf, dass beispielsweise bei Ibuprofen und Novaminsulfon fast alle Krankenkassen Rabattverträge mit demselben Pharmaunternehmen haben. Wenn es hier zu einem Ausfall komme, habe man ein echtes Problem. Becker machte auch deutlich, dass die derzeit im Änderungsantrag vorgesehene „24-Stunden-Regel“, die Apothekern den Austausch eines nicht lieferfähigen Rabattarzneimittels nach 24 Stunden ermöglichen soll, eine „absolute Verschlechterung“ gegenüber der jetzigen Situation ist. Mühselig habe man mit den Krankenkassen vereinbart, dass in diesem Fall nach einer Abfrage bei zwei Großhändlern eine sofortige Abgabe möglich ist, erklärte Becker. „Wenn wir künftig 24 Stunden warten müssen, verlieren wir 23 Stunden. Das kann es nicht sein, wir wollen sofort reagieren.“ Weiterhin forderte Becker eine Lösung für Patienten, die nicht zusätzlich belastet werden dürften, wenn ein Arzneimittel fehlt und eine angemessene Honorierung für den Aufwand der Apotheker. Viele Engpässe könnten die Apotheker auffangen. Doch auch das funktioniert nicht immer. Ein Beispiel ist der gegenwärtige Venlafaxin-Engpass – für das Antidepressivum gibt es keine therapeutische Alternative. Hier zeige sich, wie groß  das Problem ist. Die Patienten seien verzweifelt, die Ärzte ebenfalls. So lange der Originalhersteller noch liefern konnte, waren diese Präparate mit immensen Mehrkosten verbunden. „Da braucht es dringend Regelungen“, forderte Becker. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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11 Kommentare

Bevorratung

von IA am 07.02.2020 um 22:41 Uhr

Arzneimittel und die entsprechenden Produktinformationstexte (z.B. Faltschachtel und Gebrauchsinformation) werden regelmäßig geändert. Was macht der Großhandel dann mit den nicht mehr brauchbaren AM im Lager? Das gilt für Großhandel, Industrie, aber auch die Apotheke (wenn man mal von der Absurdität ausgeht man könnte so viele AM lagern).

Man beachte den aktuellen Puren-Fall.

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Absurd...

von R. Lachenmaier am 06.02.2020 um 9:46 Uhr

Lieber Herr Hennrich, "absurd" ist es, für 50(!) verschiedene kranke Kassen jeweils mind. eine einzelne Packung Amlodipin, Ramipril, etc. in GLEICHER Wirkstärke und Anzahlund von verschiedenen Herstellern vorrätig halten zu müssen! Das ist an Absurdität kaum zu überbieten - aber die heilige Kuh der Rabattverträge darf ja nicht angerührt werden. Da nimmt man lieber Versorgungsausfälle in Kauf, um ein paar Cent zu sparen und führt die Logistik der GH als "fehlerhaft" an. Sorry, kein Verständnis dafür.

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Was habt ihr geraucht?

von Rainer W. am 06.02.2020 um 9:43 Uhr

Mehrmals tägliche Belieferung ist vor allem in den Rabattverträgen begründet:

Vor deren Einführung reichte pro Produktgruppe EIN Original und EIN Generikum in ausreichender Stückzahl. Jetzt habe ich 7 verschiedene Pantoprazol 40mg vorrätig, weil jede GKV eigene Verträge hat. Das gleiche Bild ergibt sich bei fast allen anderen Arzneimitteln. Abgesehen von den Rabattpartnern ist meist auch nichts lieferbar. NICHTS. Und selbst bei Mehrfachausschreibungen ist zunehmend nur noch 1 Rabattpartner lieferbar.

Wie stellen Sie sich einmal tägliche Belieferung vor?! Da kommt der Schmerzpatient mit Spritze vom Arzt und soll 24h die Zähne zusammenbeißen bis das Schmerzmittel geliefert werden kann?!

Oder bei Gürtelrose warten wir dass sich das Virus ordentlich in den Nerv frisst weil das Zostex nicht Samstag früh sondern Montag nachmittag geliefert wird?!

Der Typ-I-Diabetiker soll sich wegen dem hyperglykämischen Koma nicht so anstellen wenn er sein Insulin nicht rechtzeitig gekauft hat, wenn die Bestellung über 24h dauert gibts ja auch Insulin im Krankenhaus... Hoffentlich haben die das richtige..

Vielleicht sollten Sie mal mit den Apothekern vor Ort reden und einen Blick in deren Warenlager und Warenwirtschaft werfen bevor Sie mit solch seltsamen Vorschlägen ein bereits sehr FRAGIL gewordenes Arzneimittelbelieferungssystem noch weiter zu schädigen.

Die Kassen können viel behaupten wenn der Tag lang ist. Wir sehen die Liefersituation jeden Tag in jeder Apotheke hundertfach!

Wir sind gut vernetzt, wir sehen in jedem Vorgang was die Großhändler in unserer Hälfte Deutschlands oder z.t. in ganz Deutschland liefern können. Sekundenschnell und brandaktuell.

Während Sie noch theoretisieren was es warum geben oder nicht geben müsste haben wir den Patienten bereits versorgt und während Sie hahnebüchene Vorschläge erarbeiten wie man die Situation "verbessern" könnte haben wir bereits die Bestellung abgeschickt, die Ware erhalten, auf Echtheit geprüft, verbucht und an den Patienten abgegeben.

Trotz Lieferengpässen erfüllen wir 85% der Arzneimittelwünsche beim ersten Besuch - ohne Bestellung. Über 97% innerhalb der nächsten 12 Stunden, bei uns muss niemand Schmerzen leiden oder lange auf sein Insulin warten.

Der Rest ist nicht lieferbar. Und da hilft auch kein größeres Lager beim Großhandel. Nichtverfügbarkeiten entwickeln sich nicht über Tage, da geht es um Verzögerungen von Wochen oder Monaten. Das liegt vor allem an der Just-In-Time Produktion für Rabattverträge. Wer über 80% Rabatte an Krankenkassen geben soll hat eben kein Geld mehr für Lagerhaltung.

Und weder wir noch die Großhändler haben die Kapazität und das Geld das auszugleichen.

Allein um die Inflation auszugleichen stehen uns Honorarerhöhungen um den Faktor 1,5 zu. Also Erhöhung um 50%. Zusatzbevorratung kostet extra.

Sie können gern unser Honorar verdoppeln, dann können wir sehen ob noch was machbar ist. Aber in der derzeitigen Situation, bei der derzeitigen bürokratischen und wirtschaftlichen Lage von Apotheke und Großhandel und gleichzeitig den gigantischen Überschüssen der Krankenkassen so etwas zu verlangen ist an Widersinn kaum zu überbieten.

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AW: Nachtrag

von Rainer W. am 06.02.2020 um 9:46 Uhr

Falls das nicht klar geworden ist:

Eine Verdoppelung des Honorars für uns bedeutet dass wir genauso bezahlt werden wie die Krankenkassenmitarbeiter. Die verdienen im Schnitt das Doppelte der Apothekenmitarbeiter.

Das ist also keine "überhöhte Forderung" sondern einfach nur eine Angleichung an den Status Quo. Erschreckend? Finden wir auch!

Lagerkapazität iverschieben

von Kleiner Apotheker am 06.02.2020 um 8:34 Uhr

"Er hat kein Verständnis, wenn die Grossisten es sich erlauben können, mehrmals täglich Apotheken zu beliefern."

Die Apotheke soll möglichst alles vorrätig haben, egal wie es z.B. in den Kühlschrank passt und egal was es kostet.
Und alles für 6 Euro pro Packung. 1x tägliche Belieferung würde die Apotheke mit deutlich höheren Lagerkosten und Lagerrisiko belasten.

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kompasslos

von Thomas Kerlag am 06.02.2020 um 7:24 Uhr

Können sich diese Politiker und Funktionäre vorstellen wie es sich anfühlt, wenn man mit leeren Händen vor den Patienten steht, die wichtige, nicht austauschbare"Krebsmittel", Antiparkonsonmittel, usw. benötigen?
Und wie sich das Vertrauen in die Fähigkeiten dieser hochbezahlten Kaste, die am grünen Tisch entscheidet und uns tagtäglich in diesen Krieg hetzt, entwickelt? Im Supermarkt dagegen liegt ein Übermaß an krankmachendem Industriefutter. Und für alle Arten von Elektronikspielen ist genug Geld da. Als guter Mensch und guter Demokrat fragt man sich schon wie lange der Laden Deutschland noch zusammenhält und versteht, wo die, die es sich leisten können hininvestieren.

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Wir sind es leid, Herr Hennrich!

von Uwe Hansmann am 05.02.2020 um 19:30 Uhr

Völlig richtige Forderungen von Fritz Becker!

Völlig falsche Argumentation von Michael Hennrich!

Mit welcher Arroganz spricht hier ein Jurist, MdB, langjährig im Gesundheitswesen dabei, von unseren Grosshandelspartnern, um vom eigentlichen Problem, welches er als Politiker selbst mit zu verantworten hat, abzulenken.

Herr Hennrich: Seien Sie doch endlich einmal ehrlich und geben Sie zu, dass diese jetzige Situation einzig und allein durch falsch gesetzte Anreize und Entscheidungen in früheren Jahren - beginnend mit dem GMG - durch die Politik zu verantworten ist. Maximales Preispressing via Rabattverträge hat schlussendlich zur maximalen Produktionsverlagerung und Chargenminimierung bei der pharmazeutischen Industrie geführt. Wenn China als Grundstoffherstellerland nun noch in Teilen ausfällt, was dann?

Sich jetzt hinzustellen und die hervorragende Lieferstruktur des leistungsfähigen, deutschen Pharmagroßhandels in Oberlehrermanier abzukanzeln ist einfach nur noch grotesk! Haben Sie Großhandel gelernt?

Wo wären wir denn heute in der Versorgung der Bevölkerung, wenn nicht Großhandel und Apotheken tagtäglich Pirouetten für die Patienten - Ihre Wähler! - drehen würden.

Sie lenken ab, weil Sie es von Politikseite eben gerade ich nicht können, das ist hier der Fakt!

Hören Sie endlich auf die Fachleute und lassen Sie diese elendigen Spielchen mit uns Apothekeninhabern, unseren wertvollen Mitarbeitern und unseren treuen Handelspartnern. Wir haben das herumlavieren satt.

Ich erwarte jetzt von Ihnen, wie von Fritz Becker zu recht eingefordert, tatsächlich spürbare, finanzielle Unterstützung für den erheblichen Mehraufwand aller Beteiligten. Alles andere ist Augenwischerei.

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AW: Wir sind es leid, Herr Hennrich

von Michael Zeimke am 06.02.2020 um 10:24 Uhr

Nicht die Logistik des Großhandels ist absurd, sondern logisches Denken bei Juristen.

Hennrich

von Conny am 05.02.2020 um 17:02 Uhr

Nicht das Geschäftssystem des Großhandels ist absurd, sondern Typen wie Sie und der politischen Kaste. Thüringen zeigt die ganze Erbärmlichkeit der CDU .

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AW: Hennrich

von Frank ebert am 06.02.2020 um 9:51 Uhr

Irgendwie hat man das Gefühl das Herr Hennrich in letzter etwas verblödet ist. Haarsträubende Ansichten. Aber in Deutschland ist ja nichts mehr unmöglich,siehe gestern. Schlimm ist, man ist teilweise abhängig von solchen Ahnungslosen.

Logistiksystem GH

von Roland Mückschel am 05.02.2020 um 16:58 Uhr

Jetzt ist dieser Mann völlig abgedreht.
Der hat wirklich keine Ahnung und spielt
sich bei uns auf.
Immer und immer wieder.
Da sind nicht nur seine Vorschläge für die Tonne.

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