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BAH-Diskussionsrunde zur Versorgungssicherheit
Hennrich: „Das Logistiksystem des Großhandels ist absurd“
Das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz ist auf der Zielgeraden – und mit ihm verschiedene Maßnahmen, die helfen sollen, Arzneimittellieferengpässe zu bekämpfen. Doch noch wird am entsprechenden Änderungsantrag gefeilt. Bei einer Diskussionsrunde des BAH zeigte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich offen für weiteren Input. Deutlich machte er zugleich eines: Das derzeitige Logistiksystem des Großhandels hält er für „absurd“. Statt mehrmals täglich Apotheken zu beliefern, sollten die Großhändler seiner Meinung nach besser in die Lagerhaltung investieren.
Zum neunten Mal hat der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) am heutigen Mittwoch zur „Berliner Runde“ geladen. Die Diskussionsrunde stand unter dem Titel „Herausforderungen in der Arzneimittelpolitik – Wie können wir die Versorgungssicherheit erhöhen?“. Einmal mehr ging es um Arzneimittel-Lieferengpässe. Der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich streute gleich zu Beginn eine gewisse Hoffnung, dass es noch Chancen für weiteren Input zum Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) gibt. Bekanntlich gibt es zu diesem Gesetzentwurf, der am 13. Februar abschließend im Bundestagsplenum beraten wird, einen Änderungsantrag, der verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung von Lieferengpässen vorsieht. Doch klar ist auch: Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, die Regierungsfraktionen feilen weiterhin an den Details.
Mehr Transparenz muss sein
In einigen Punkten sind sich wohl alle einig: Vor allem darin, dass mehr Transparenz in die Lieferkette einziehen muss und Meldepflichten auch auf den ambulanten Bereich auszudehnen sind. Einig ist man sich auch, dass es wünschenswert wäre, die Produktion, vor allem von Wirkstoffen, wieder nach Europa zurückzuholen – doch das lässt sich kaum mit kurzfristigen nationalen Maßnahmen erreichen. Zudem gibt es durchaus noch Knackpunkte, um die man sich streitet.
Was vermutlich nicht in das Gesetz einfließen wird, ist ein Verbot exklusiver Rabattverträge, obwohl dieses von vielen Seiten, nicht zuletzt auch in der Unionsfraktion, gefordert wird. Hennrich selbst wäre wohl dafür offen – zumal ihn wurmt, dass das Rabattvertragssystem mittlerweile auch in der Öffentlichkeit an Akzeptanz verliert. Schließlich waren die Lieferengpässe seit vergangenem Sommer immer wieder Thema in den Publikumsmedien – und schnell wurde dort der Bogen zu den Rabattverträgen geschlossen. Auch wenn Hennrich sich hier „etwas Bewegung“ wünschen würde – das Bundesgesundheitsministerium hat bereits klargestellt, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen Exklusivverträgen und Engpässen sieht. Und so erwartet auch Hennrich im GKV-FKG in diesem Punkt keinen Umschwung.
Becker: 24-Stunden-Regel ist eine „absolute Verschlechterung“
Auch die Apotheker fordern bekanntlich das Ende der Exklusivverträge. Die Verträge sollten aus Sicht der ABDA mit mindestens zwei pharmazeutischen Unternehmern geschlossen werden – sofern möglich, sollte auch der Wirkstoff des Arzneimittels von zwei unterschiedlichen Herstellern kommen. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Fritz Becker, zeigte die Forderungen der Apothekerschaft in Sachen Lieferengpässe in der „Berliner Runde“ nochmals auf. Er verwies darauf, dass beispielsweise bei Ibuprofen und Novaminsulfon fast alle Krankenkassen Rabattverträge mit demselben Pharmaunternehmen haben. Wenn es hier zu einem Ausfall komme, habe man ein echtes Problem. Becker machte auch deutlich, dass die derzeit im Änderungsantrag vorgesehene „24-Stunden-Regel“, die Apothekern den Austausch eines nicht lieferfähigen Rabattarzneimittels nach 24 Stunden ermöglichen soll, eine „absolute Verschlechterung“ gegenüber der jetzigen Situation ist. Mühselig habe man mit den Krankenkassen vereinbart, dass in diesem Fall nach einer Abfrage bei zwei Großhändlern eine sofortige Abgabe möglich ist, erklärte Becker. „Wenn wir künftig 24 Stunden warten müssen, verlieren wir 23 Stunden. Das kann es nicht sein, wir wollen sofort reagieren.“ Weiterhin forderte Becker eine Lösung für Patienten, die nicht zusätzlich belastet werden dürften, wenn ein Arzneimittel fehlt und eine angemessene Honorierung für den Aufwand der Apotheker. Viele Engpässe könnten die Apotheker auffangen. Doch auch das funktioniert nicht immer. Ein Beispiel ist der gegenwärtige Venlafaxin-Engpass – für das Antidepressivum gibt es keine therapeutische Alternative. Hier zeige sich, wie groß das Problem ist. Die Patienten seien verzweifelt, die Ärzte ebenfalls. So lange der Originalhersteller noch liefern konnte, waren diese Präparate mit immensen Mehrkosten verbunden. „Da braucht es dringend Regelungen“, forderte Becker.
Tiefere Lagerhaltung und Exportbeschränkungen
Weitere Maßnahmen, die derzeit noch kontrovers diskutiert werden, sind die erweiterte Lagerhaltung für Großhändler und Pharmaunternehmen sowie Exportbeschränkungen. Im Gespräch ist etwa, die derzeit für zwei Wochen vorgesehene Lagerhaltungsfrist (§ 52b AMG) auf sechs Wochen auszudehnen – jedenfalls für versorgungsrelevante Produkte, erklärte Hennrich. Alles unmittelbar scharfzustellen ist aus seiner Sicht nicht möglich. Der CDU-Politiker stellte in diesem Zusammenhang auch das derzeitige Geschäftsmodell vollversorgender Großhändler infrage. Er hat kein Verständnis, wenn die Grossisten es sich erlauben können, mehrmals täglich Apotheken zu beliefern. Diese Investitionen sollten sie eher in die Bevorratung stecken, findet er. Aus seiner Sicht ist das Logistiksystem der Großhändler schlicht „absurd“.
Was etwaige Exportbeschränkungen für Arzneimittel betrifft, erklärte Hennrich, dass dies nur die Ultima Ratio für einzelne Produkte sein könne. Eine entsprechende Regelung müsse man „eher mit dem Florett als mit dem Säbel gestalten“.
Für den vollsortierten Großhandel meldete sich Phagro-Geschäftsführer Thomas Porstner zu Wort. Er warnte vor pauschalen Regelungen. Die bisherigen Einzelfalllösungen, die etwa der Jour Fixe am BfArM gefunden habe, hätten sich bewährt. Eine generell sechswöchige Lagerfrist könne dagegen wenig helfen, sondern verursache vor allem Mehrkosten. Verständnis hat Porstner hingegen grundsätzlich für den Plan, die Großhändler einzubeziehen, wenn es um die Schaffung von mehr Transparenz geht. Die vollsortierten Großhändler seien bereit, hier ihren Beitrag zu leisten und Daten entsprechend aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen. Allerdings erinnerte er daran, dass die Lieferkette komplex ist. Es gebe auch zahlreiche Spezial-Großhändler sowie sonstige Unternehmen mit Großhandelserlaubnis. Auch hier müssten die Daten konsequenterweise abgefragt werden.
BMG hat auch den Parallelhandel im Blick
Abschließend meldete sich auch Thomas Müller, Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium und zuständig für Arzneimittel, zu Wort. Er erklärte, dass eine sichere Lieferkette eines von drei Themen sei, die Minister Jens Spahn im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft einbringen wolle – neben Krebs und dem digitalen Datenraum Europa. Man werde über mögliche neue Kriterien zum Vergaberecht sprechen und auch über den Parallelhandel. Es sei unrealistisch letzteren ganz auszuschließen. Es handele sich hier um eine Grundfreiheit. Allerdings handele es sich bei Arzneimitteln eben um ein besonderes Gut, sodass diese Art von Handel in Europa in Teilbereichen kontraproduktiv sein könnte.
11 Kommentare
Bevorratung
von IA am 07.02.2020 um 22:41 Uhr
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Absurd...
von R. Lachenmaier am 06.02.2020 um 9:46 Uhr
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Was habt ihr geraucht?
von Rainer W. am 06.02.2020 um 9:43 Uhr
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AW: Nachtrag
von Rainer W. am 06.02.2020 um 9:46 Uhr
Lagerkapazität iverschieben
von Kleiner Apotheker am 06.02.2020 um 8:34 Uhr
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kompasslos
von Thomas Kerlag am 06.02.2020 um 7:24 Uhr
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Wir sind es leid, Herr Hennrich!
von Uwe Hansmann am 05.02.2020 um 19:30 Uhr
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AW: Wir sind es leid, Herr Hennrich
von Michael Zeimke am 06.02.2020 um 10:24 Uhr
Hennrich
von Conny am 05.02.2020 um 17:02 Uhr
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AW: Hennrich
von Frank ebert am 06.02.2020 um 9:51 Uhr
Logistiksystem GH
von Roland Mückschel am 05.02.2020 um 16:58 Uhr
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