Gefahr der Überdosierung

Warum gibt es Otriven für Säuglinge nicht als Dosiertropfer?

Stuttgart - 30.01.2020, 13:15 Uhr

Otriven Säuglingstropfen mit Pipette bergen das Risiko für Fehldosierungen und Medikationsfehler. Nasivin Baby gibt es als Dosiertropfer. Gibt es das auch bald bei Otriven? DAZ.online hat bei GSK nachgefragt.  (b / Foto: epixproductions / stock.adobe.com)

Otriven Säuglingstropfen mit Pipette bergen das Risiko für Fehldosierungen und Medikationsfehler. Nasivin Baby gibt es als Dosiertropfer. Gibt es das auch bald bei Otriven? DAZ.online hat bei GSK nachgefragt.  (b / Foto: epixproductions / stock.adobe.com)


Abschwellende Nasentropfen bei Säuglingen sind umstritten: Sie schaffen Babys durchaus Erleichterung bei Atmung und Nahrungsaufnahme, aber sie bergen – zwar „sehr selten“, aber schon bei korrekter Dosierung – die Gefahr für schwere Nebenwirkungen (Apnoe, Koma, Intubationspflicht), erst recht bei Intoxikation durch Überdosierung. Die AMK wies jüngst auf „potenzielle Medikationsfehler bei Otriven gegen Schnupfen 0,025 Prozent Nasentropfen für Säuglinge“ hin, die lediglich mittels einfacher Pipette – kein Dosiertropfer wie bei Nasivin Baby – angewendet werden. Warum löst GSK die Applikation nicht besser? DAZ.online hat nachgefragt.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) informierte jüngst über das Risiko von möglichen Fehldosierungen bei Otriven gegen Schnupfen 0,025 Prozent Nasentropfen für Säuglinge. Anlass bot „eine meldende Apotheke“, die laut AMK Hinweise von „mehreren Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten“ erhielt, dass ein zuverlässiges Dosieren mittels beiliegender Pipettenmontur schwierig umzusetzen ist, vor allem bei unruhigen Kindern.

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Bereits bei korrekter Dosierung – zwei- bis dreimal täglich je ein Tropfen pro Nasenloch – tritt laut Fachinformation in „sehr seltenen“ Fällen Apnoe bei jungen Säuglingen und Neugeborenen auf. Bereits 2006 berichtete die Heidelberger Kinderklinik im Deutschen Ärzteblatt – Koma bei Neugeborenen durch abschwellende Nasentropfen? – über drei Neugeborene, die nach Gabe von oxymetazolin- beziehungsweise xylometazolinhaltigen Nasentropfen in üblicher Dosis komatös wurden und kurzzeitig maschinell beatmet werden mussten (zwei Neugeborene). Ein Baby litt an ausgeprägter Apnoen.

„Die Gefährlichkeit von Sympathomimetika enthaltende Nasentropfen bei Neugeborenen und Kleinkindern ist bekannt“, las man auch 2013 in der Monatsschrift für Kinderheilkunde (Fachzeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, DGKJ). Dort wurden „schwerwiegende Nebenwirkungen durch nasales Xylometazolin“ beschrieben, nachdem ein neugeborenes Mädchens nach elterlicher Gabe von (bei Neugeborenen kontraindiziertem) 0,05 Prozent Xylometazolin intensivimedizinisch betreut werden musste.

Erleichterte Atmung und Nahrungsaufnahme

Dem Risiko schwerer unerwünschter Arzneimittelwirkungen gegenüber steht der Nutzen für das Baby - das erleichtere Atmen und die Nahrungsaufnahme. Prof. Dr. Fred Zepp, Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz, fasst auf Nachfrage von DAZ.online zusammen: Abschwellende Nasentropfen können Kindern bei der Nahrungsaufnahme und der Atmung durchaus Erleichterung verschaffen, sind aber neben dem Risiko einer akzidentiellen Fehldosierung gerade bei Säuglingen und Kleinkindern grundsätzlich mit weiteren pharmakologischen Risiken behaftet.“ 

Wenn bereits bei korrekter Indikation und Dosierung schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen möglich sind, zeigt das nur, wie wichtig eine korrekte Dosierung bei alphasympathomimetischen Säuglingstropfen ist - was nach Einschätzung der AMK jedoch bei Otriven nicht automatisch gegeben zu sein scheint. Und: Dosieren bei Säuglingstropfen geht auch anders, wie Merck bei Nasivin zeigt.

Abschwellenden Nasentropfen für Babys – welche gibt es noch?

Neben GSKs xylometazolinhaltigen Otriven® gegen Schnupfen 0,025 Prozent Nasentropfen für Säuglinge bietet Merck Nasivin® Dosiertropfer ohne Konservierungsstoffe Baby an. Der Wirkstoff in Nasivin ist Oxymetazolin, das für die pädiatrischen Tropfen in einer Konzentration von 0,01 Prozent enthalten ist. Doch nicht nur im Wirkstoff und der Konservierung – Otriven® enthält im Gegensatz zu Nasivin® Konservierungsmittel (Benzalkoniumchlorid) – unterscheiden sich die beiden Nasentropfen, auch die Art der Applikation ist verschieden. GSK setzt bei seinen Säuglingtropfen auf ein einfaches Fläschchen mit Pipettenmontur – mit Hilfe von Unterdruck werden die Tropfen aus der Flasche in die Pipette gesaugt. Dosiert wird, indem man den Gummi-Kopf der Pipette vorsichtig zusammendrückt, sodass ein Tropfen abgegeben wird. Merck löst seine Applikation hygienischer und wahrscheinlich auch weniger fehleranfällig mittels eines Dosiertropfers: Die Flasche wird bei Anwendung nach unten gerichtet und durch Druck auf die Fingerauflage ein Tropfen „rausgepumpt“. Ein versehentliches Überdosieren und die Abgabe mehrerer Tropfen sind nicht möglich.

Die Anwendung von Nasivin-Dosiertropfer für Babys. (Screenshot Merck/Nasivin)

GSK: Kein Dosiertropfer, aber Tipps zur Anwendung von Otriven

DAZ.online hat interessiert, warum GSK dieses Prinzip der Dosierung nicht auch für Otriven® Säuglingstropfen anbietet oder ob der Hersteller zumindest an alternativen Applikationsformen arbeitet. GSK vermittelt allerdings den Eindruck, bei Otriven keine andere Darreichungsform in naher Zukunft zu launchen. Man beobachte Sicherheit und Wirksamkeit der GSK-Produkte sehr genau, und man versuche diese sowie Informationen dazu kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu verbessern. „An einer Weiterentwicklung unseres Produktes bleiben wir natürlich auch weiterhin interessiert und evaluieren hierfür regelmäßig mögliche Optionen“, so die recht vage Antwort. 

Der Hersteller betont jedoch, dass der abschwellende Wirkstoff Xylometazolin ein bewährtes positives Risiko-Nutzen-Profil hat. Es seien GSK „nur einige wenige Einzelfälle bekannt, bei denen es zu einem unerwünschten Ereignis auf Grund von Überdosierung oder Fehlanwendung bei den Otriven gegen Schnupfen 0,025 Prozent Nasentropfen für Säuglinge gekommen ist“, so GSK. Und weiter: Konkret sei GSK in den letzten drei Jahren ein einziges schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis gemeldet worden, bei – laut IMS OTC®Report Apotheke und IMS®GesundheitsMittelStudie (GMS) Apotheke über elf Millionen verkauften Packungen in diesem Zeitraum. Kein Grund zu handeln?

Zusätzliche Hinweise auf der Packung

GSK hat „erst kürzlich die folgenden zusätzlichen Maßnahmen ergriffen“, um Otriven sicherer zu machen, diese sind theoretischer und informativer Natur: „Wir haben den Warnhinweis in Fach- und Gebrauchsinformation von Otriven® gegen Schnupfen 0,025 Prozent umformuliert, um noch gezielter auf die richtige Anwendung hinzuweisen und hervorzuheben, dass bei Neugeborenen und Säuglingen unter einem Jahr besondere Vorsicht geboten ist.“ Zudem habe man seit Januar 2020 die Sichtbarkeit der Dosierungsangabe deutlich erhöht und den Hinweis „Maximale Dosierung: 2-3mal tägl. 1 Tropfen pro Nasenloch!“ auch auf der Umverpackung abgebildet.

Otriven richtig dosieren

DAZ.online hat nachgefragt, ob GSK Tipps hat, wie denn eine korrekte Dosierung am besten klappt. Um Otriven® Nasentropfen bei Säuglingen sicher anzuwenden, empfiehlt der Hersteller GSK Folgendes: Die Flüssigkeit zuerst in die Pipette hochziehen. Um zu testen, welcher Druck nötig ist, um einen Tropfen zu entleeren, die Flüssigkeit dann Tropfen für Tropfen wieder zurück ins Fläschchen tropfen, bis nur noch ein bis zwei Tropfen in der Pipette vorhanden sind. Danach kann die Applikation erfolgen - ohne dabei die Nase des Säuglings zu berühren.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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