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Ondansetron wird zunehmend off-Label bei Schwangerschaftsübelkeit eingesetzt. Ein Rote-Hand-Brief informiert aktuell jedoch über ein erhöhtes Risiko orofazialer Fehlbildungen und rät, dass Ondansetron nicht im ersten Trimenon der Schwangerschaft angewendet werden sollte. Wie lässt sich Schwangerschaftsübelkeit behandeln?
Schwangerschaftsübelkeit: Drei von vier werdenden Müttern leiden mehr oder weniger darunter. Die Beschwerden treten meist zwischen der sechsten und zwölften Schwangerschaftswoche auf und verschwinden dann plötzlich wieder. Auch, wenn man meist von Morgenübelkeit spricht, ist den Schwangeren keineswegs nur morgens übel, sondern möglicherweise zu jeder Tageszeit.
Hormone und andere Auslöser
Vermutlicher Auslöser von Schwangerschaftsübelkeit ist ein hoher Spiegel des Schwangerschaftshormons HCG (Human Choriongonadotropin), der in den ersten Wochen der Schwangerschaft rasant in die Höhe schnellt nach dem dritten Monat wieder abfällt. Außerdem verändern sich in den ersten Schwangerschaftswochen das Geschmacks- und Geruchsempfinden und das Brechzentrum im Gehirn wird gereizt. Neben dem ungewohnt hohen Hormonspiegel werden diverse weitere Auslöser diskutiert: Eine genetische Disposition, Blutzuckerschwankungen, Vitamin-B6- und Zinkmangel, Stress, ein allzu entspannter unterer Schließmuskel der Speiseröhre, ungünstige psychosoziale Bedingungen für die Schwangere und Mehrlingsschwangerschaften sind nur eine Auswahl an möglichen Faktoren. Auch wenn die Ursachen der Übelkeit immer noch nicht bewiesen sind, steht doch fest, dass eine moderate Schwangerschaftsübelkeit zwar unangenehm, aber keine Krankheit ist – im Gegenteil: Übelkeit gilt als gutes Zeichen dafür, dass eine Schwangerschaft stabil ist und ist ein typischer Begleiter der ersten Schwangerschaftswochen und ist zudem meist gut zu lindern.
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Ondansetron erhöht Risiko orofazialer Fehlbildungen
Hyperemesis gravidarum – wenn die Übelkeit Überhand nimmt
Neben der normalen Form der Schwangerschaftsübelkeit leiden etwa drei bis zehn von 1.000 Schwangeren unter einer extremeren und deutlich länger anhaltenderen Form, der Hyperemesis gravidarum (HG). Unter Umständen leiden betroffene Frauen bis zur Geburt des Kindes unter starker Übelkeit und sehr häufigem Erbrechen. HG schwächt die werdende Mutter nicht nur körperlich, sondern verlangt auch psychisch enorm viel Kraft. Spätestens nach der Geburt stellen sich Appetit und Lebensfreude jedoch auch bei diese Frauen schnell wieder ein. Bis es so weit ist, leiden die Betroffenen meist den ganzen Tag und übergeben sich täglich bis zu 50 Mal. Diese Patientinnen können zeitweise weder feste Nahrung noch Flüssigkeit bei sich behalten. Schwere Fälle sind behandlungsbedürftig. Selbstverständlich gehören Patientinnen, die sich mehr als drei- bis viermal am Tag übergeben müssen und dadurch mehr Flüssigkeit verlieren als sie aufnehmen können, schnell in ärztliche Behandlung. Droht die Patientin zu dehydrieren oder der Elektrolythaushalt aus dem Gleichgewicht zu geraten, können Infusionen und auch ein stationärer Krankenhausaufenthalt notwendig werden.
Medikamente gegen die Übelkeit – das sagt Embryotox
Im besten Fall helfen bereits Präparate mit Pyridoxin (Vitamin B6) oder Ingwer (Cave: Ingwer sollte nur im ersten Trimenon angewendet werden. Viele Ärzte und Hebammen raten vom Genuss frischen Ingwers oder Ingwertees ab dem zweiten Trimenon ab, da dieser eine wehenfördernde Wirkung hat.). Auch klassische sedierende Antihistaminika mit antiemetischer Komponente wie Doxylamin, Dimenhydrinat oder Diphenhydramin, auch in Kombination mit Pyridoxin, können den Betroffenen helfen.
Pyridoxin (Vitamin B6)
Der in Deutschland empfohlene Bedarf an Pyridoxin beträgt für Schwangere ab dem vierte Monat und Stillende etwa 1,9 mg/Tag. Die Konzentrationen von Pyridoxin beim Feten sind aufgrund eines aktives Transports durch die Plazenta etwa doppelt so hoch wie bei der Mutter. Pyridoxin wurde beziehungsweise wird zusammen mit Doxylamin in den USA beziehungsweise Kanada sehr häufig bei Hyperemesis gravidarum eingesetzt. Hinweise auf eine teratogene Wirkung des Pyridoxins bestehen nicht. In Deutschland ist das Vitaminpräparat Nausema® erhältlich. Es enthält die Vitamine B6, B1 und B12 in der erforderlichen Dosierung. Durch die Aufnahme von Vitamin B6 (Pyridoxin) sollen überschießende Hormonproduktionen abgefedert werden. Zudem unterstützt das Vitamin zusammen mit Vitamin B12 (Cobalamin) ein normal funktionierendes Immunsystem und die normale Bildung der roten Blutkörperchen. Zur Therapie einer Hyperemesis sollte eine Tagesdosis von 80 mg/Tag nicht dauerhaft überschritten werden.
Dimenhydrinat (Vomex A®, Vomacur® u.v.m.)
Eines der bekanntesten Antihistaminika zur symptomatischen Therapie von Übelkeit und Erbrechen ist Dimenhydrinat (Vomex A®, Vomacur® u.v.m.) Der Erfahrungsumfang in der Schwangerschaft wird von Embryotox als hoch eingestuft. Umfangreiche Untersuchungen haben für keines der weit verbreiteten Antihistaminika mit langer Markterfahrung, wie zum Beispiel Diphenhydramin den früher geäußerten Verdacht auf teratogene Effekte beim Menschen bestätigt. Dimenhydrinat sollte im dritten Trimenon wegen seiner möglichen kontraktionsfördernden Wirkung auf den Uterus gemieden werden. Nach langfristiger Anwendung einiger älterer Antihistaminika (wie Diphenhydramin oder Hydroxyzin) bis zur Geburt wurden in Einzelfällen beim Neugeborenen Entzugssymptome wie Zittrigkeit und Diarrhö beschrieben. Die vorübergehende Anwendung von Dimenhydrinat in der Schwangerschaft ist akzeptabel, falls kein Risiko für eine Frühgeburt besteht.
Doxylamin (Cariban®, Hoggar Night®, Schlafsterne®, Sedaplus® und weitere)
Doxylamin ist ein Antihistaminikum der ersten Generation mit einem ausgeprägten sedierenden Effekt. Es wird zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen und Schwangerschaftserbrechen eingesetzt. Doxylamin, meistens in Kombinationspräparaten unter anderem mit Pyridoxin, wurde fast 30 Jahre weltweit zur Therapie bei Schwangerschaftserbrechen eingesetzt. Das Präparat wurde 1983 freiwillig durch den Hersteller vom Markt genommen, da der Verdacht auf teratogene Wirkungen geäußert worden war. Große Metaanalysen zeigten jedoch kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko. In Kanada wird Doxylamin in Kombination mit Pyridoxin als Mittel der Wahl bei Schwangerschaftsübelkeit und -erbrechen angewendet, in den USA ist es seit 2013 offiziell wieder zugelassen und in Deutschland für diese Indikation erstmalig seit 2019. Seit Juni 2019 wird das rezeptpflichtige Cariban® in der Lauer-Taxe gelistet.
Diphenhydramin (Betadorm®, Emesan® u.v.m.)
Diphenhydramin gehört ebenfalls zu den Antihistaminika der ersten Generation. Aufgrund der ausgeprägten sedierenden Wirkung wird es heute hauptsächlich als Schlafmittel eingesetzt. Diphenhydramin kann in den ersten beiden Schwangerschaftsdritteln eingesetzt werden.
Weitere Tipps gegen die Übelkeit
- Vor dem Aufstehen am Morgen trockenes Brot oder Gebäck knabbern. Geeignet sind beispielsweise Knäckebrot, Zwieback oder Kekse.
- Mehrere kleine, fettarme Mahlzeiten über den Tag verteilt essen. Dann bleibt der Blutzuckerspiegel gleichmäßig. Falls die Schwangere mal keinen Hunger hat, sollte sie wenigstens auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.
- Minzöl (zum Beispiel Euminz®) äußerlich auf Stirn, Schläfen oder im Nacken auftragen. Großzügigen Abstand zu den Augen halten.
- Ingwertee (aus frischem Ingwer oder aus fertigen Aufgussbeuteln) trinken. Praktisch für unterwegs sind auch Ingwertropfen oder -kapseln oder Ingwerbonbons. Cave: Ingwer sollte nur im ersten Trimenon angewendet werden. Viele Ärzte und Hebammen raten vom Genuss frischen Ingwers oder Ingwertees ab dem 2. Trimenon ab, da dieser eine wehenfördernde Wirkung hat.
- Homöopathische Arzneimittel wie Robinia comp. Globuli von Wala (dreimal täglich zehn Globuli) und Nausyn® Tabletten von Weleda (bei Bedarf alle drei Stunden eine Tablette) können gegen die Übelkeit eingenommen werden.
- Auch Akupunktur, Aromatherapie, Fußreflexzonenmassage, Akupressur mit Akupressurbändern, die am Handgelenk getragen werden (zum Beispiel Sea-Band®) sowie Ruhe und frische Luft können für Linderung sorgen.
Wann zum Arzt?
Die Übergänge zwischen normaler Schwangerschaftsübelkeit und Hyperemesis sind fließend. Wichtig ist, in einem Gespräch mit der Kundin herauszufinden, wie stark deren Beschwerden sind und wie lange diese schon anhalten. Solange sich gelegentliches Erbrechen in dem beschriebenen begrenzten zeitlichen Rahmen bewegt, ist keine medikamentöse Behandlung notwendig. Aber schon bei viermaligem Erbrechen täglich spricht der Gynäkologe von Hyperemesis. Gerade bei Grenzfällen kann es notwendig sein, die Patientin zu einem Gespräch mit ihrem Frauenarzt zu motivieren. Die Ängste nehmen Nicht selten bagatellisieren die Betroffenen ihre Beschwerden im Arztgespräch. Sie glauben, Übelkeit und Erbrechen gehörten zur Schwangerschaft dazu und müssten durchlitten werden, oder sie fürchten, Medikamente könnten dem Fötus schaden. Bei sehr starkem Erbrechen kommen Phenothiazine wie Chlorpromazin und Promethazin zum Einsatz. Als Alternative für Therapieversager hat sich der Arzneistoff Ondansetron bewährt. Ondansetron ist aber für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft nicht zugelassen, und laut aktueller Produktinformation wird eine Behandlung während der Schwangerschaft auch nicht empfohlen. In einem aktuellen Rote-Hand-Brief informieren alle pharmazeutischen Unternehmen, die ondansetronhaltige Arzneimittel vertreiben, über neue Erkenntnisse zur Anwendung in der Schwangerschaft: „Ondansetron sollte nicht im ersten Trimenon der Schwangerschaft angewendet werden“, heißt es dort. Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass Ondansetron orofaziale Fehlbildungen verursacht, wenn es im ersten Trimenon der Schwangerschaft verabreicht wird.
Seit Juni 2019 wird das rezeptpflichtige Cariban® mit der Wirkstoffkombination Doxylaminsuccinat und Pyridoxinhydrochlorid in der Lauer-Taxe gelistet.
Zusätzlich zum körperlichen Zustand sollte der Arzt auch immer die seelische Verfassung der Patientin im Auge behalten. Wer in einem Kreislauf aus Erbrechen und Erschöpfung steckt, gerät schnell in eine Depression. Dann sind gut gemeinte Sätze wie „Das geht vorbei, Kopf hoch!“ nicht hilfreich, sondern geben der Patientin zu Recht das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.
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