Spahn auf dem DAT

Spahn: „Nicht ich habe die Gleichpreisigkeit gekippt!“

Düsseldorf - 27.09.2019, 15:22 Uhr

Jens Spahn will Verlässlichkeit: Entweder unterstützen die Apotheker seinen Weg oder sie setzen auf die Länder, dann stoppt er seine Apothekenreform gänzlich. (b/Foto: Schelbert)

Jens Spahn will Verlässlichkeit: Entweder unterstützen die Apotheker seinen Weg oder sie setzen auf die Länder, dann stoppt er seine Apothekenreform gänzlich. (b/Foto: Schelbert)


Auch wenn er betonte, völlig ruhig zu sein, wurde beim Auftritt von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beim Deutschen Apothekertag deutlich, dass ihm die nach dem Bundesratsbeschluss zum Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz wieder aufgelebte Debatte um das Rx-Versandverbot gar nicht gefällt. Zudem stellte er klar: Es sei nicht er, der mit seinem Gesetzesvorhaben die Rx-Preisbindung aufgebe – das habe der EuGH vor drei Jahren getan. Er wolle die Gleichpreisigkeit für 90 Prozent des Marktes wiederherstellen.

Zwischen seinen Reisen in die USA und nach Afrika und mitten in einer Sitzungswoche des Bundestages schaffte es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Deutschen Apothekertag nach Düsseldorf. Eineinhalb Stunden nahm er sich Zeit – für seine Rede und anschließende Fragen der Delegierten. Er erinnerte daran, dass vor einem Jahr auf dem Apothekertag in München die Debatte um die Apotheken-Reform gestartet war. Seitdem habe es einen regen Austausch und viele Gespräche gegeben. Offenbar sieht er die mit der ABDA-Spitze gefundene Linie nach der gestrigen Diskussion in der Hauptversammlung nun aber wanken.

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Doch zunächst stellte Spahn fest: „Im Ziel sind wir uns einig“. Er wolle ebenso wie die Apotheker eine flächendeckende Versorgung mit Präsenzapotheken vor Ort – in Stadt und Land. Ebenso gebe es das gemeinsame Verständnis: Wenn man das Ziel erreichen wolle, könne nicht alles bleiben, wie es ist. Beispiel: Digitalisierung. Glücklicherweise sei man mittlerweile so weit, dass man im Gesundheitswesen nicht mehr das „ob“, sondern das „wie“ diskutiere. 

Spahn stellte dabei klar, dass Digitalisierung kein Selbstzweck sei, sondern ein wirksames Mittel zum Zweck einer besseren Versorgung. Insofern freut sich der Minister über die Aktivitäten der ABDA in Sachen E-Rezept. Hier sei es wichtig, dass man einen Weg geht, der sicherstellt, dass diese Rezepte nicht gemakelt werden und die Souveränität der Patienten sowie die freie Apothekenwahl erhalten bleiben. Dafür gab es Applaus von der Hauptversammlung.

Spahn begrüßt auch die ersten Modellprojekte zum E-Rezept. Man dürfe nicht auf die „180-prozentige Lösung warten“, ehe man beginnt. Man müsse anfangen und Erfahrungen sammeln, die man dann weiterentwickeln könne. Es sei ein komplexes Projekt, daher müsse man Schritt für Schritt vorgehen. Für Spahn ist gerade die Kombination aus E-Rezept, Botendienst und Vor-Ort-Apotheke eine große Chance, sich gegen den Versandhandel zu behaupten. Man habe daher auch lange diskutiert über die neuen Regelungen zum Botendienst. Der Minister ist überzeugt, dass die Vor-Ort-Apotheken hier eine gute Ausgangslage im Wettbewerb haben. Zugleich stellte er klar: „Keiner muss Botendienst machen. Aber wer es will, der soll es können“.

Spahn: Boni-Verbot im SGB V ist eine ausgewogene Lösung

Was die Frage des Wettbewerbs mit dem EU-Versandhandel betrifft, so wollte Spahn zudem „mit einer Mär aufräumen“, die er ständig lese. Immer wieder heiße es, sein Gesetzesvorschlag würde dazu führen, dass es keine Preisbindung mehr gebe. Das Gegenteil sei der Fall: „Wir wollen den Zustand vor EuGH für 90 Prozent des Versichertenbereichs wiederherstellen“. Es sei schließlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) gewesen, der vor drei Jahren die Situation der zulässigen Rx-Boni herbeigeführt habe. 

Auch die Kritik der Apotheker, dass er die Preisbindung für EU-Versender im Arzneimittelgesetz (§ 78 Abs. 1 Satz 4 AMG) streichen will, kann Spahn nicht nachvollziehen. Diese Vorschrift gelte nach der EuGH-Entscheidung bereits nicht mehr. Er kann nicht nachvollziehen, „so viel Kraft in etwas zu legen, das nicht mehr gilt“. Spahn ist überzeugt: Sein Vorschlag, im GKV-Bereich wieder Gleichpreisigkeit wiederherzustellen, ist eine europa- und verfassungsrechtlich ausgewogene Lösung. Dabei geht er durchaus davon aus, dass auch sein Gesetz vor dem EuGH landen wird. „Aber dann möchte ich eine Lösung haben, von der wir in der Bundesregierung meinen, dass sie am ehesten Bestand hat“. Und das ist für Spahn keinesfalls das Rx-Versandverbot. In diesem Punkt hat er volles Vertrauen ins Bundesjustizministerium, das dieses Verbot für rechtlich nicht haltbar hält. „Das muss ich akzeptieren“.

Bundesrat hat eigenes Initiativrecht für Gesetze

Dass der Bundesrat nun anderer Auffassung ist, nimmt Spahn zur Kenntnis. Aber er hat eine klare Meinung dazu. Zum einen fehlt ihm das Verständnis, wenn die Apothekerschaft über die ABDA-Mitgliederversammlung ein einstimmiges Votum für das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz gefasst hat und dann offenbar über die Länder wieder das Rx-Versandverbot nach vorne gebracht hat. Dazu sagt Spahn bemüht nüchtern und neutral:„Die Länder haben über den Bundesrat selbst ein Gesetzesinitiativrecht. Sie könnten also selbst einen Entwurf für ein Rx-Versandverbot vorlegen." Spahn erklärte den Apothekern zum Schluss seiner Rede in aller Deutlichkeit: „Wenn Sie meinen, die Länder können das besser, stelle ich die Dinge in Berlin gerne ein, bis der Bundesrat seinen Gesetzentwurf vorlegt“. Das meine er „sehr ernst“. Zugleich betonte er, dass er die kontroversen, aber konstruktiven Diskussionen mit den Apothekern fortsetzen wolle.

Wie und wann das parlamentarische Verfahren des Gesetzes im Bundestag weitergeht, beantwortete Spahn nur vage. Man wolle zunächst die Meinung der EU-Kommission abwarten, Anfang Oktober seien weitere Gespräche geplant. Allerdings: Die Regierungsfraktionen von Union und SPD haben diesbezüglich inzwischen Fakten geschaffen. Die beiden Fraktionen einigten sich darauf, die erste Lesung des Gesetzes, die eigentlich für den 16. oder 17. Oktober geplant war, von der Tagesordnung zu nehmen.

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In der anschließenden Diskussion wiederholte Spahn noch mehrmals, dass es für ihn kein VOASG und daneben die Forderung nach einem Rx-Versandverbot geben wird. Er sieht hier nur ein klares „Entweder-Oder". Der Minister forderte ein klares Signal, ob die Apotheker lieber auf den Bundesrat setzen und hoffen, dass er alles besser macht. Oder ob sie mit der Bundesregierung gehen, die nach sorgsamer Abwägung und im gemeinsamen Interesse einen konkreten Vorschlag gemacht habe.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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7 Kommentare

Nicht ich.......

von pille62 am 30.09.2019 um 11:12 Uhr

dreist zu behaupten, ein RXVV sei nicht möglich und gleichzeitig auszurufen:`Haltet den Dieb!!!`
Unverfroren auch die Werbung für den Versand auf der Internetseite des Ministerium.
Grund: Die Nomenklatura nimmt uns nicht ernst und die Feder bei den Gesetzen führen scheinbar andere

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Tränen in BMG

von gabriela aures am 28.09.2019 um 2:10 Uhr

Was bisher geschah:
1.Koalitionsvertrag mit Rx-VV
2.Gesundheitsminister ohne entsprechende Vorliebe
3.politischer Aschermittwoch für das Rx-VV, aber so bauernschlau verpackt, daß eigentlich immer irgendwie die Apotheker darselbst davon abgerückt zu sein scheinen.

Vorläufiger Höhepunkt:
1.Bundesgesundheitminister legt ein in weiten Teilen geradezu beleidigend schlechtes Surrogat von Gesetz vor und erwartet Gold, Myrrhe, Weihrauch sowie auch Bejubelung.
2.(vermeintlich) führende Teile der Apothkerschaft sind völlig hingerissen, aber leider liest ein guter Teil der volksnäheren VertreterInnen den Entwurf doch genauer und ist weniger amused.
3.In der Folge kehren Apothekers doch wieder nachgerade todesmutig zur ursprünglichen Forderung zurück, die ja exakt so und mitnichten anders im Koalitionsvertrag steht.
4.Gesundheitsminister mag aber just diese Passage so gar nicht , hat er im Übrigen bereits auch mitgeteilt ( Menno !!!!) und droht ausgerechnet beim großen Apotheker-Festival , dem DAT, mit Arbeitsniederlegung.
Also ministerialer Streik ?

Hä ??

Ich war nicht dabei, ich kann es nicht mal ansatzweise emotional einstufen, ich habe nur zeitgleich zu seinen Drohungen gelesen, daß die Koalition gerade sowieso die Diskussion vertagen will - und/aber ich hätte diesem konzeptlosen , aber geltungsgedrängten und zwangsdigitalisierten Bengel sein Gesetzespamphlet sowas von in die Butterdose zurück gepackt, daß ihm die Löckchen verwirbeln.

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AW: Tränen in BMG

von Conny am 28.09.2019 um 8:03 Uhr

Die Apotheker standen am Abgrund, seit gestern sind Sie einen Schritt weiter. Es war erschütternd gestern . Danke Herr Minister das Die da sind, danke das Sie Zeit habe, danke, danke, danke. Wir möchten Ihnen auch nächstes Jahr in München auf die Bühne helfen.Und dann der Treueschwur nach einer trotzigen Rede. Und jetzt ; Verschiebung des Ganzen mit Rückhalt für den mit Taschenspielertricks auftretenden Minister. Von Herrn Schmidts Dauergrinsen ganz zu Schweigen. Dieser Freitag wird der Anfang vom Ende gewesen sein

AW: Tränen in BMG

von Florian Becker am 28.09.2019 um 23:45 Uhr

Der entscheidende Satz ist „ich war nicht dabei“

Glatt gelogen

von Stefan Haydn am 27.09.2019 um 18:47 Uhr

Herr Spahn, ich bitte um Verzeihung, aber der Zwang durch den EUGH ist eine glatte Lüge.
Der EUGH hat die Preisbindung gekippt, da ihm von der Politik zu wenig Daten vorgelegt wurden, da sieht es heute mit Gutachten und Berechnungen anders aus.
Zum anderen hat der EUGH damals schon zu verstehen geegeben, dasss ein Versandverbot mit EU-Recht vereinbar ist, solange es nur um den RX-Bereich geht.
Er hat dies sogar als eine mögliche Lösung der Politik angedient.
Man möge doch bitte einfach so ehrlich sein und klipp und klar von politischer Seite sagen, dass man den ausländischen Schmarotzern am deutschen Gesundheitswesen nicht auf die Füße treten will.

Bleibt nur die Frage nach dem "Warum".

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Gleichpreisigkeit

von Roland Mückschel am 27.09.2019 um 16:41 Uhr

Ich bin völlig ruhig.
Und ich sage Ihnen Herr Spahn dass Sie die
Interessen der ausländischen Versandapotheken
vertreten.

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AW: Gleichpreisigkeit

von Anita Peter am 27.09.2019 um 17:37 Uhr

Und das tut er auch noch völlig ungeniert.

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