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Teil 1: Nur die Spitze des Eisbergs?
Sartan-Skandal: FDA verhängt Importverbot gegen Lösungsmittelhersteller
Mit dem GSAV und dem Eingang der Grenzwerte für die Nitrosamin-Verunreinigungen NDMA und NDEA ins Europäische Arzneibuch hat der Fall Valsartan des Sommers 2018 erste rechtliche Konsequenzen nach sich gezogen. Man könnte zumindest die Ursachensuche für abgeschlossen halten. Ein Statement der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zeigt aber, dass kanzerogene Verunreinigungen die Welt der Pharmazie noch länger beschäftigen werden – und das nicht nur in Bezug auf die Sartane. Zunehmend nimmt die FDA auch Substanzen wie Lösungsmittel in den Fokus.
Der Fall um mit wahrscheinlich kanzerogenen Stoffen verunreinigten Blutdrucksenker des Sommers 2018 wird die pharmazeutische Welt wohl noch einige Zeit begleiten. Auch wenn es schon erste gesetzliche Konsequenzen in der EU gibt – ein Blick über den Atlantik verrät, dass die Hintergründe zu mit Nitrosaminen verunreinigte Sartanen noch immer nicht gänzlich aufgeklärt sind. Während zunächst vor allem die Wirkstoffhersteller weltweit im Fokus standen, lenkt das jüngste Statement der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA von Ende August die Aufmerksamkeit auf ein Unternehmen zur Lösungsmittelrückgewinnung. Die indische Firma, um die es geht, soll Lösungsmittel an Valsartan-Wirkstoffhersteller geliefert haben: Anfang August hat die FDA an Lantech Pharmaceuticals Limited in Telangana, India einen „Warning Letter“ versendet (entsprechend dem europäischen GMP-non-Compliance-Bericht). Bei der vorausgehenden Inspektion im März 2019 habe die US-Arzneimittelbehörde im von der Firma aufbereiteten Lösungsmittel die Nitrosaminverunreinigung NDEA (N-Nitrosodiethylamin) gefunden, schreibt sie in ihrem Statement an die Öffentlichkeit. Zudem ist im „Warning Letter“ selbst auch von NDMA (N-Nitrosodimethylamin) die Rede. Lantech habe die mit seinen Prozessen verbundenen Risiken nicht ausreichend evaluiert und die Verunreinigungen unzureichend untersucht, fasst die FDA ihre Kritik zusammen.
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Seit Juni 2019 bestehe nun eine Import-Warnung vor Lantech, sodass Wirkstoffe, in deren Herstellung wiederaufbereitetes Lösungsmittel von Lantech involviert war, nicht mehr in die USA eingeführt werden dürfen. Wie aus einem Bericht des Nachrichtenportals FiercePharma hervorgeht, könnten auch Kreuzkontaminationen bei Lantech nicht ausgeschlossen werden. Zudem geht aus dem „Warning Letter“ hervor, dass Lantech auch selbst Valsartan, Telmisartan und Olmesartan sowie Zwischenprodukte für Lieferketten außerhalb der USA herstellt.
Auch Aurobindo erhielt „Warning Letter“ der FDA
Anfang Juli berichtete FiercePharma außerdem von einem „Warning Letter“ an Aurobindo. Auch in Deutschland waren umfassende Sartan-Rückrufe durch Aurobindo erfolgt. Aus dem Brief der FDA geht zwar nicht hervor, um welche Wirkstoffe es genau geht, allerdings liegt nahe, dass der Brief die Sartan-Herstellung betrifft und auch dort kommt die Problematik kontaminierter wiederaufbereiteter Lösungsmittel zur Sprache. Während Aurobindo die Schuld bei seinen Zulieferern zu sehen scheint, erkennt die FDA die Schuld auch deutlich bei Aurobindo.
Sollten Lösungsmittel in Arzneimitteln grundsätzlich nicht nachweisbar sein?
Gerade das Lösungsmittel Dimethylformamid (DMF) stand bei der Ursachensuche der Nitrosaminverunreinigungen von Beginn an im Fokus. Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe und Dr. Helmut Buschmann erklärten in der DAZ 29/2018, dass sich DMF in geringen Spuren zu Dimethylamin zersetzen kann (thermisch oder auch basenkatalysiert). Die Bildung von Dimethylamin aus DMF sollte per se zwar kein Problem darstellen. „Aber die gleichzeitige Anwesenheit von Natriumnitrit führt dazu, dass sich aus dem Abbauprodukt des DMF Lösungsmittels unter Reaktion von Nitrit-Ionen die Bildung von NDMA bedingt.“
Zuletzt geriet DMF im Juni 2019 auf dem Nachrichtenportal FiercePharma wieder in den Fokus: Die Online-Apotheke „Valisure“ aus den USA – nach eigenen Angaben, die einzige Apotheke, die jede Charge jedes Arzneimittels, das sie verkauft, selbst testet – machte in einem öffentlichen Brief darauf aufmerksam, dass auch DMF selbst noch in Valsartan-Fertigarzneimitteln nachweisbar sei. Zwar in erlaubten Mengen – doch die Apotheke mit angeschlossenem Labor hält diese Mengen für bedenklich und fordert die FDA auf, wie die Nitrosamin-Limits auch die aktuellen DMF-Grenzwerte zu überdenken.
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Von der IARC (International Agency for Research on Cancer) wird Dimethylformamid seit 2018 nämlich, wie NDMA oder NDEA, in die Gruppe 2 A einsortiert (wahrscheinlich krebserregend für den Menschen).
Direkt auf diese Aufforderung scheint die FDA zwar noch nicht reagiert zu haben. Dass die Problematik im Fall Valsartan aber auch die Lösungsmittel und eventuell andere Stoffe betrifft, scheint sie nun intensiver zu untersuchen.
Teil 2: Nur die Spitze des Eisbergs?
Sartan-Skandal: FDA weitet ihre Untersuchungen auf weitere Substanzen aus
Schon im April 2019 hatte DAZ.online darüber berichtet, dass die FDA Hersteller in einem Brief aufforderte, ihre Rohstofflieferanten genau unter die Lupe zu nehmen. Die FDA betonte in dem Brief, dass nicht nur die Wirkstoffe selbst, sondern auch die Rohmaterialien kontaminiert sein könnten. Noch im Dezember 2018 hatte die FDA zudem schon Bedenken geäußert, dass die Grundursache der Verunreinigungen noch immer nicht eindeutig identifiziert sei und befürchtete ein noch größeres Ausmaß beim Wirkstofhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical (ZHP), der zunächst allein im Zentrum des Valsartan-Skandals stand, ehe bei weiteren Wirkstoffherstellern ebenso Nitrosaminverunreinigungen gefunden wurden. Die gemessenen Verunreinigungen liegen bei ZHP aber deutlich höher als bei den anderen Herstellern.
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Zum Abschluss des Risikobewertungsverfahrens in Europa hatte die EMA außerdem im Februar 2019 geschrieben: Man wisse nun, dass die Verunreinigungen unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Lösungsmitteln, Reagenzien und anderen Rohmaterialien in der Herstellung von Sartanen mit einem Tetrazolring in der Sturktur entstehen können. Zusätzlich sei aber auch möglich, dass die Verunreinigungen in manchen Sartanen vorhanden waren, weil Wirkstoffhersteller „unbeabsichtigt“ verunreinigte Geräte oder Reagenzien im Herstellungsprozess verwendet haben.
Vieles deutet also darauf hin, dass man in der Lieferkette noch weiter zurückgehen muss, als bis zu den Wirkstoffherstellern und, dass der Sartan-Skandal nur die Spitze eines Eisbergs ist, mit dem sich die Pharmazie in Zukunft intensiv beschäftigen muss.
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