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DAZ.online-Themenwoche
So läuft's beim E-Rezept-Projekt der TK in Hamburg
Während andere E-Rezept-Ansätze zumindest im GKV-Bereich den Sprung in die Praxis noch nicht geschafft haben, ist die Techniker Krankenkasse schon einen Schritt weiter: Die ersten Rezepte wurden bereits eingelöst. Wie sind die Erfahrungen? Inwiefern unterscheidet sich das TK-E-Rezept von anderen Projekten und wo soll die Reise hingehen, zum Beispiel was Schnittstellen betrifft? DAZ.online hat bei den TK-Arzneimittel-Experten Dr. Frank Verheyen und Apotheker Tim Steimle nachgefragt.
Auf Hochtouren wird derzeit von allen möglichen Playern im Markt am E-Rezept gearbeitet. Das erste E-Rezept Deutschlands für GKV-Versicherte in der Praxis zu erproben – das kann sich wohl die Techniker Krankenkasse (TK) auf die Fahnen schreiben. Nach eigener Aussage ist man mittlerweile in der Lage ein Rezept von der Ausstellung beim Arzt über den Patienten zur Apotheke, von dort zum Rechenzentrum bis hin zur Krankenkasse digital zu verarbeiten. Der Patient muss also theoretisch weder beim Arzt noch in der Apotheke persönlich vorbeikommen und kann das Wunscharzneimittel auch in seiner Apotheke vorbestellen.
Ein vollständig durchgestylter digitaler Prozess“
TK-Versicherte aus einem Postleitzahlenbezirk in Hamburg, dem Stadtteil Wandsbek, können sich seit Februar beim E-Rezept-Pilotprojekt einschreiben, es gab erste Tests und weitere technische Anpassungen. Ab Mai startete dann die Erprobungsphase mit den ersten „echten“ Rezepten, nun läuft die Rekrutierungsphase. Versicherte werden in der teilnehmenden Hamburger Arztpraxis nun auf breiter Front angesprochen. Wie viele sich schon eingeschrieben haben, vermag Dr. Frank Verheyen, Arzneimittelexperte bei der TK, nicht zu sagen, weil die Rekrutierung noch läuft. Endgültige Zahlen erwartet er in wenigen Monaten. Aus der Diabetologen-Praxis, die von Anfang an dabei ist, rechnet man bei der TK mit mehreren 100 Patienten. Angelegt ist das Projekt auf mehrere 1000, alle Arztpraxen in dem Postleitzahlengebiet wurden angeschrieben.
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Weiterentwicklung mit den Anwendern geplant
Das erste Feedback ist aber anscheinend positiv. „Das stößt bei den Patienten auf offene Ohren“, berichtet Tim Steimle, Apotheker und Fachbereichsleiter Arzneimittel bei der TK. Dass das E-Rezept von Patienten begrüßt wird, überrascht ihn nicht: „Es entspricht der heutigen Lebensrealität. Wir kennen es aus vielen Bereichen, dass Dokumente online zur Verfügung stehen, wie ein Bahn- oder Flugticket. Insbesondere beim Diabetologen, wo Patienten viele Arzneimittel und diese auch immer wieder verordnet bekommen, stellt es eine enorme Verbesserung für die Patienten dar, wenn sie ein Rezept ohne Arztbesuch empfangen und an die Apotheke weiterleiten können“, so Steimle. Auch die Rückmeldungen der Leistungserbringer seien positiv. Das liege natürlich auch daran, dass die Partner sehr technikaffin sind und deshalb Spaß an solchen Entwicklungen haben. Gemeinsam wolle man das Projekt nun weiterentwickeln.
Gemeinsam mit den Anwendern weiterentwickeln – darauf legt
man bei der TK großen Wert, wie Verheyen und Steimle bekräftigen. Man habe sich
bewusst nicht für ein fertiges Konzept eines technischen Anbieters entschieden
und das einfach nur zur Verfügung gestellt, sondern wolle es gemeinsam mit Apothekern,
Ärzten und Patienten entwickeln, erfahren, wie die Wahrnehmung ist, und das
Angebot entsprechend gestalten. Das unterscheidet laut Steimle und Verheyen das
TK-Projekt von anderen: „Wir integrieren in der Implementierungs- und
Entwicklungsphase sehr stark die Wünsche der Nutzer“, erklären sie.
Zweite Kasse schon an Bord, weitere Apotheken sollen folgen
Aktuell ist bei den Apotheken nur die Adler-Apotheke in Hamburg dabei, allerdings soll die Teilnahme weiterer Apotheken bereits sehr konkret sein. Nicht alle waren von Anfang an so offen wie die Familie Gnekow von der Adler-Apotheke, aber doch so einige. Das freue ihn persönlich, so Steimle. Anfragen bekomme man von überall her. Aber in der ersten Phase soll das Projekt eng limitiert sein – auf den Bezirk Wandsbek in Hamburg. Man wolle nämlich gemeinsam mit den Apothekern und Ärzten vor Ort die Standards entwickeln.
Und zwar vorerst nur mit den Apotheken vor Ort. Auch wenn die TK als nach eigener Einschätzung modern aufgestellter Gesundheitsdienstleister den Versandhandel nicht ablehnt – gleich lange Spieße und vernünftige Rahmenbedingungen vorausgesetzt –, so war doch bei diesem Projekt von Anfang an vereinbart, dass nur Apotheken vor Ort berücksichtigt werden. „Wir befördern an dieser Stelle den Versand nicht“, erklärt Steimle. „Wir wissen, dass wir den Versandhandel beim E-Rezept auf Dauer nicht außen vor lassen können. Aber mutige Apotheken können sich im E-Rezept-Umfeld gut positionieren, weil sie die Nähe vor Ort haben. Wenn man dazu den Convenience-Vorteil nutzen kann, den das E-Rezept bietet, und beides zusammenbringt, funktioniert das gut.“
Auch andere Kassen haben Interesse geäußert, ganz konkret ist das Ganze schon bei der Hanseatischen Krankenkasse (HEK), die seit Anfang August an dem Pilotprojekt beteiligt ist.
Das sind mutige Apotheker und mutige Ärzte, die hier das erste E-Rezept Deutschlands voranbringen und damit Standards setzen für die Zukunft.“
Technik soll nicht im Vordergrund stehen, sondern der Nutzen für die Anwender
„Bei allem soll weniger die Technik im Vordergrund stehen – die technischen Standards werden durch die Gematik definiert. Die werden für alle gleich sein“, so Verheyen. „Was uns umtreibt, sind die Nutzenelemente. Wir wollen mit den Leistungserbringern und Patienten diskutieren, was ihnen wirklich nützt.“ Seiner Ansicht nach hat das E-Rezept Potenzial, auch über seine Funktion als Verordnung hinaus eingesetzt zu werden, zum Beispiel könnten in der Apotheke die Informationen zur erweiterten Beratung genutzt werden – Stichwort AMTS.
Daher ist es für die TK auch ein wichtiger Punkt, dass die Anbindung an die digitale Gesundheitsakte „TK-Safe“ geschaffen wird, in der schon jetzt die Medikationshistorie erfasst werden kann. Über die Standards, die definiert werden, müssten sich die E-Rezepte in den Gesundheitsakten der Kassen wiederfinden, so Steimle. Nur wenn die Apotheke das ganze Bild inklusive Diagnose, behandelnder Ärzte et cetera kennt, könne man über sinnhafte Weiterentwicklungen der pharmazeutischen Dienstleistungen nachdenken. Deswegen werde man seitens der TK darauf achten, dass der Nutzen, den digitale Gesundheitsakten bieten, nicht durch Closed-Shop-Applikationen von „E-Rezept-Transportmitteln“ außen vor bleibt. Diese Position wolle die TK auch bei der Gematik vertreten. Zudem sei man mit den Softwarehäusern und Rechenzentren im Austausch, um zu klären, dass das System anschlussfähig ist.
Warum die TK mit einer Zur-Rose-Tochter kooperiert
Das eigene System ist, wie Verheyen und Steimle betonen, in alle Richtungen offen – anders als die anderen Projekte: GERDA funktioniere nur im Apothekenumfeld, das E-Rezept der Compugroup nur auf deren Anwendungen, erklären sie. „Wir wollten ein System, das mit jedem anderen System kompatibel ist und andere beteiligen kann“, so Steimle. „Das war uns wichtig. Dass wir heute in Deutschland noch keine E-Rezepte haben, liegt nur daran, dass die Player sich abschotten.“ Deswegen hat man sich bei der TK auch für die Zur-Rose- und Shop Apotheke-Tochter König IDV als technischen Dienstleister entschieden, weil diese Anforderung sonst anscheinend niemand erfüllte – und es angeblich auch heute noch niemand tut.
Wir werden so viele Erfahrungen sammeln wie möglich, Offenheit ist ein zentrales Gut.“
Beim TK-E-Rezept muss man sich einschreiben
Und es gibt laut Verheyen und Steimle einen weiteren Unterschied zu GERDA: TK-Patienten müssen sich explizit einschreiben. Es geht der Kasse um die Datenhoheit. Der Patient müsse entscheiden, was mit seinen Daten passiert, und das bilde man mit der Patientenaufklärung und der Einwilligung ab, so Steimle. Man befinde sich in Pionierzeiten der digitalen Versorgung und da ist in Steimles Augen Vertrauen ganz wichtig. Die TK will darauf auch bei anderen Projekten achten, schließlich nehmen da auch TK-Versicherte teil. „Wir begrüßen, dass mit dem E-Rezept-Projekt GERDA in Baden-Württemberg etwas passiert, und sind deshalb gerne dabei – auch wenn wir eine Individualeinschreibung favorisieren“, so Steimle. „Solange die gesetzlichen Standards nicht definiert sind, möchten wir sicherstellen, die Versicherten eng zu begleiten.“
Testphase bis 2020, bei Bedarf auch länger
Die Testphase soll nun bis Anfang 2020 gehen, eventuell bei Bedarf noch länger, um neue Anwendungen zu erproben. Um das E-Rezept weiterzuentwickeln, gibt es bei der TK ein E-Rezept-Lab. „Das ist für uns eine Gestaltungsplattform, um Nutzenelemente besser zu integrieren und Prozesse zu optimieren“, erklärt Verheyen.
Darüber hinaus befindet man sich im engen Austausch und teilt Erfahrungen, beispielweise mit dem DAV, der ABDA und der Gematik. „Es besteht natürlich Interesse, das Pilotprojekt in der praktischen Umsetzung und der Weiterentwicklung der technischen Standards zu verfolgen“, so Steimle. Wobei, wie er erklärt, die Standards gar nicht so kompliziert seien, die Tücke liege dann eher im Detail. Bei einem Fernrezept müsse gewährleistet sein, dass die Apotheke sich mit dem Patienten in Verbindung setzen kann, wenn ein Medikament zum Beispiel nicht vorrätig ist, damit das Rezept gegebenenfalls anderswo eingelöst werden kann. Nur ein kleiner Anwendungsfall von vielen, der aber technisch in den Protokollen und Fachvorgaben vorgegeben werden muss, so Steimle. „Deshalb halten wir es für einen wichtigen und richtigen Schritt, das E-Rezept in der Praxis zu testen.“
1 Kommentar
Hier wird das DocMorris-Wunsch-E-Rezept gebaut
von Lorenz Weiler am 21.08.2019 um 13:53 Uhr
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