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DphG-Expertentreffen
Importarzneimittel: Gefährden „Bastelpackungen“ die Therapie?
Wieviel Reimporte tatsächlich einsparen, ist strittig. Doch können Importarzneimittel auch indirekte Kosten verursachen? Auf dem Expertentreffen der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft und von „House of Pharma and Healthcare“ am vergangenen Montag schilderten Apotheker, welche Auswirkungen die Importförderung auf die Arzneimitteltherapiesicherheit haben kann, ohne dass es sich um Fälschungen handeln muss.
Blisterschnipsel, fremdsprachige Packmitteltexte – es braucht nicht einmal einen Lunapharm-Skandal, um Patienten mit importierten Arzneimitteln zu verunsichern. Vor welchen konkreten Herausforderungen Apotheker und Patienten durch die Importförderung tagtäglich stehen, darüber diskutierten Apotheker sowie Behörden- und Patientenvertreter am vergangenen Montag auf einem Expertentreffen zur Sicherheit von Parallelimporten in Berlin.
Die Veranstaltung wurde von der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) und der pharmazeutischen Organisation „House of Pharma and Healthcare“ organisiert. Unter anderem referierten die Apotheker Fritz Becker (Vorsitzender Deutscher Apothekerverband), Professor Martin Schulz (Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheken – AMK) und Dr. Christian Ude (Stern-Apotheke, Darmstadt) sowie Dr. Ilona Köster-Steinebach (Aktionsbündnis Patientensicherheit).
Einsparung oder Kostenfaktor?
Die Ereignisse des vergangenen Sommers und das
Gesetzgebungsverfahren zum GSAV (Gesetz für mehr Sicherheit in der
Arzneimittelversorgung) hatten die Grundsatzdebatte um die Importförderung wieder
aufleben lassen. Unterschiedliche Statistiken und Studien beziffern das jährliche Einsparvolumen
durch Importarzneimittel zwischen 120 Millionen und 2,86 Milliarden Euro – letztere Zahl verbreitete
der Verband der Arzneimittelimporteure
Deutschlands (VAD) am
vergangenen Montagnachmittag, kurz nachdem das Expertentreffen begonnen hatte, per Pressemitteilung.
Im Apothekenalltag ist vom Geldsparen wenig zu bemerken, findet Ude. Im Gegenteil: „Wir legen drauf“, erklärte der Pharmazeut. So sei die Erfüllung der Importquote mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden, was personelle Kapazitäten an anderer Stelle binde. Viele Reimporte seien trotz gegensätzlicher Information in der Apothekensoftware nicht lieferbar. Wer dann doch das Referenzarzneimittel abgebe, und die Lieferunfähigkeit im Nachhinein nicht belegen könne, dem drohten Retaxationen. Bei Hochpreisern wie etwa Humira® könnten diese von schmerzhafter Höhe sein.
Hinzu komme, dass manche Patienten das Importarzneimittel wieder zurückbrächten und einen Umtausch wünschten, weil sie durch das Erscheinungsbild verunsichert seien. Ude kann die Skepsis seiner Kunden größtenteils verstehen: „Es kann nicht mein Verständnis von Heilberuf sein, Patienten zum Importarzneimittel überreden zu müssen.“
Überdosierung wegen falscher Etiketten
Sind die Patienten hierzulande etwa zu ängstlich? Fehler beim Umpacken und Umetikettieren können gefährliche Folgen haben, erklärte Schulz, Vorsitzender der AMK, bei der deutschlandweit pharmazeutische Beanstandungen gemeldet werden. So mussten sieben Chargen des bupropionhaltigen Antidepressivums Elontril® zurückgerufen werden, weil Etiketten mit der falschen Stärke aufgeklebt worden waren. Und dies bei einem Arzneimittel mit enger therapeutischer Breite.
Blau geworden? Hilfsstoffe dürfen abweichen
Aber auch wenn es sich nicht um einen Produktionsfehler handelt, kann das abweichende Erscheinungsbild von Importarzneimitteln die Therapie gefährden. So gingen bei der AMK beispielsweise Meldungen zu dem clonazepamhaltigen Antieplieptikum Rivotril® ein, bei dem die Importvariante im Gegensatz zum farblosen deutschen Referenzarzneimittel blau gefärbt war. Zwar dürfen die Hilfsstoffe von Import- und Referenzarzneimitteln dem sogenannten Rhône-Poulenc-Rorer-EuGH-Urteil von 1999 zufolge abweichen, wenn die Wirkung dadurch nicht beeinträchtigt ist. Doch wenn auf einmal das gewohnte Arzneimittel blau gefärbt und mit einem Etikett überklebt ist, auf dem „farblose Lösung“ steht, kann dies auf Patienten so verstörend wirken, dass sie die Therapie abbrechen, was bei Epilepsie mit hohen Risiken verbunden ist.
Erscheinungsbild gefährdet Compliance
Zudem beschweren sich viele Patienten gar nicht mehr in der Apotheke, sondern beenden in Eigenregie ihre Therapie. Und das ist viel gefährlicher, erklärte Köster-Steinebach. Selbst wenn die Tabletten pharmazeutisch in Ordnung sind – schief geklebte Etiketten auf der Faltschachtel und Blisterschnispel innen drin, wecken Zweifel an der Wirksamkeit. Auch wenn die Patienten ihr Arzneimittel anwenden, können abweichende Maßeinheiten oder fremdsprachige Dosieranleitungen die Compliance gefährden. Und die Kosten durch Medikationsfehler oder Therapieabbrüche seien zwar schwer zu beziffern, aber vorhanden. „Wir kennen diese Verwechslungs- und Adhärenzprobleme allerdings auch von Rabattarzneimitteln“, betont die Patientenvertreterin.
Auch DAV-Chef Fritz Becker sind die „Bastelpackungen“ ein Dorn im Auge. Er habe bereits erlebt, dass ein Kunde, der ein Importarzneimittel erhalten habe, derartig misstrauisch geworden sei, dass er die Apotheke prompt verlassen habe und in polizeilicher Begleitung wiedergekommen sei. Bei einer anderen Packung habe ein aufgeklebtes Totenkopfsymbol zu Irritationen geführt. „Sowas ist nicht gerade compliancefördernd“, betonte der DAV-Chef.
Kohlpharma wollte eigene Packmittel einführen
Bei den Diskussionen äußerte sich die Mehrheit im Auditorium eher kritisch zu dem Erscheinungsbild von Importarzneimitteln. Ein paar Teilnehmer brachten jedoch andere Aspekte ins Spiel. So warf Thomas Vogt, Qualified Person bei Kohlpharma, ein, dass sich sein Importunternehmen für die Verwendung eigener deutschsprachiger Packmittel stark gemacht habe, um das Problem der „Bastelpackungen“ zu lösen. Doch diese Idee habe sich bisher aus markenrechtlichen Gründen nicht durchsetzen können.
Manuela Pohl, Leiterin Public Affairs beim Pharmagroßhändler Gehe, wies auf Versorgungsaspekte hin. Bei Lieferengpässen sei es manchmal hilfreich, auf Reimporte ausweichen zu können. „Ich habe nichts gegen Importe. Aber gegen deren Förderung“, kommentierte Becker.
1 Kommentar
Eine Kampagne
von Jörg Geller am 02.05.2019 um 21:27 Uhr
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