Masern betreffen alle Altersgruppen

Rekordzahlen: Kehren die Masern in die USA zurück?

Stuttgart - 26.04.2019, 07:00 Uhr

Masern in den USA: In den betroffenen Gegenden Brooklyns leben viele orthodoxe Juden und auch im Landkreis Rockland ist Medienberichten zufolge vor allem die jüdisch-orthodoxe Gemeinschaft betroffen. ( r/ Foto: picture alliance / AP Photo)

Masern in den USA: In den betroffenen Gegenden Brooklyns leben viele orthodoxe Juden und auch im Landkreis Rockland ist Medienberichten zufolge vor allem die jüdisch-orthodoxe Gemeinschaft betroffen. ( r/ Foto: picture alliance / AP Photo)


Aktuell findet die europäische Impfwoche statt. Doch nicht nur in Europa, sondern global wird für das Impfen geworben: Vor allem die jüngsten Masernausbrüche bereiten der Welt Sorgen – und das in Ländern wie den USA, die sich im Jahr 2000 eigentlich als frei von Masern erklärt hatten. Am vergangenen Mittwoch meldeten dort die Centers for Disease Control and Prevention die höchsten Masernzahlen seit 2000. Derweil fordert in Deutschland der Ethikrat eine „differenziertere Debatte zur Impfpflicht“: Es soll nicht nur um Kinder, sondern auch um Erwachsene gehen.

Eigentlich wurde der gesamte amerikanische Kontinent Ende September 2016 als frei von Masern erklärt. Die USA gelten bereits seit dem Jahr 2000 als masernfrei. Dennoch: In den USA traten 2014 mit 667 Fällen zuletzt die meisten Masernerkrankungen in einem Jahr auf. Sie wurden vornehmlich aus nicht geimpften Amish-Gemeinschaften gemeldet. Viele weitere Fälle wurden wahrscheinlich aus den Philippinen eingeschleppt. 

Am vergangenen Mittwoch meldete die US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) eine neue Rekordzahl von Masern-Fällen: „Das ist die höchste Zahl von Fällen, die seit der Eliminierung der Masern in diesem Land im Jahr 2000 in den Vereinigten Staaten gemeldet wurde“, zitiert die Deutsche Presse-Agentur (dpa) die CDC. Demnach ist die Zahl der gemeldeten Krankheitsfälle aus 22 Bundesstaaten am Mittwoch auf 695 gestiegen.

Die jüngsten Ausbrüche seien (ähnlich 2014) die Folge von ungeimpften Reisenden, die die Krankheit in die USA importiert hätten, erklärt die CDC. Die hohe Zahl sei vor allem auf größere Ausbrüche im US-Staat Washington sowie in der Stadt und im gleichnamigen Bundesstaat New York seit Ende 2018 zurückzuführen.

Je länger die Ausbrüche andauerten, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankheit wieder in den USA Fuß fassen könne, heißt es außerdem. Schuld am unzureichenden Impfschutz seien unter anderem Fehlinformationen über die Sicherheit von Impfstoffen.

Auch in Europa steigen die Masern-Zahlen weiter an. Besonders vom Anstieg betroffen sind Frankreich, Polen, die Tschechische Republik, Belgien, Bulgarien und Irland.

„Das Masern-Virus wird es immer schaffen, ungeimpfte Kinder zu finden“

Auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef nimmt die Weltimpfwoche zum Anlass, darauf aufmerksam zu machen, dass zwischen 2010 und 2017 schätzungsweise 169 Millionen Kinder weltweit die erste Dosis ihrer Masern-Impfung nicht erhalten haben. Die wachsende Zahl von nicht geimpften Kindern habe den Boden „für die aktuellen Masern-Ausbrüche in mehreren Ländern bereitet“. Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore sagte der Pressemitteilung zufolge: „Das Masern-Virus wird es immer schaffen, ungeimpfte Kinder zu finden. Wenn es uns ernst damit ist, die Ausbreitung dieser gefährlichen, aber vermeidbaren Krankheit zu stoppen, müssen wir dafür sorgen, dass jedes Kind geimpft ist – in armen ebenso wie in wohlhabenden Ländern.“

Die globale Impf-Rate für die erste Masern-Dosis soll 2017 bei 85 Prozent gelegen haben, nur 67 Prozent hätten auch die zweite Impfdosis erhalten. Besonders kritisch sei die Situation in Entwicklungs- und Schwellenländern: „Allein in Nigeria haben 2017 fast vier Millionen Babys unter einem Jahr die erste Masern-Impfung nicht erhalten, in Indien waren es fast drei Millionen Kinder und in Pakistan, Indonesien und Äthiopien jeweils über eine Million Babys.“  Doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in Deutschland Impflücken gibt.

Laut Unicef haben zwischen 2010 und 2017 in Deutschland 168.000 Kinder ihre erste Masern-Impfung versäumt. In den USA sollen es sogar 2,5 Millionen Kinder, in Frankreich 600.000 und in Großbritannien 500.000 gewesen sein. Gerade die Kinder gilt es also zu schützen – dabei sollte man aber (in Deutschland) auch die Erwachsenen nicht aus den Augen verlieren.

Im Hinblick auf Forderungen nach einer Impfpflicht gegen Masern in Deutschland kritisierte der Deutsche Ethikrat am vergangenen Mittwoch nämlich eine „unzulässige Verengung der Diskussion auf Kinder“, eine unzureichende Berücksichtigung der Datenlage und „den unscharfen Begriff der Impfpflicht“. 

Fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland sind Erwachsene

Nach Ansicht des Ethikrates werde zu Recht über Maßnahmen zur Erhöhung der Impfquoten für Masern diskutiert, meldete die Deutsche Nachrichten-Agentur (dpa). Das Gremium hebt aber hervor, dass fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland Erwachsene seien: „Maßnahmen mit dem Ziel, die Masernimpfquote zu erhöhen, müssen als Adressaten sowohl Kinder als auch Erwachsene einbeziehen.“ Auch die ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) hat am 15. April eine Infografik veröffentlicht, mit der sie darauf aufmerksam macht, dass Masern alle Altersgruppen betreffen

Europäische Impfwoche

Mythen und Fakten zum Thema Impfen

Zudem verweist der Deutsche Ethikrat darauf, dass die Erstimpfungsquote gegen Masern (anders als weltweit) bei Kindern bei der Einschulung in Deutschland bei 97,1 Prozent liege – was eine große Akzeptanz zeige. Probleme entstünden  vor allem durch die noch unzureichende Quote bei den Zweitimpfungen von 92,9 Prozent sowie aufgrund der beträchtlichen regionalen Unterschiede. Laut Medienberichten sollen beispielsweise auch in Neuseeland auffällig viele Erwachsenen von Masern betroffen sein. 

Der Ethikrat kündigte an, noch vor der Sommerpause eine Stellungnahme zur Impfdebatte vorzulegen. Das Gremium berät Bundesregierung und Bundestag in ethischen, medizinischen, rechtlichen und sozialen Fragen.



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