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Reaktionen aus der Politik
Der neue Spahn-Plan: Zwischen kluger Lösung und rechtlicher Unsicherheit
Das neue Eckpunkte-Papier zur Reformierung des Apothekenmarktes soll in den kommenden Wochen gesetzgeberisch umgesetzt werden. In den Regierungsfraktionen von Union und SPD erzeugen die Vorschläge dabei unterschiedliche Reaktionen. Während die Union froh ist, einen Kompromiss gefunden zu haben, zögert die SPD, verweist auf europarechtliche Bedenken und will den Vorschlag erst genau prüfen. Ein Überblick.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat am gestrigen Dienstag ein neues, überarbeitetes Eckpunkte-Papier vorgelegt. In diesem Papier, über das DAZ.online exklusiv berichtete, ist Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in einem wichtigen Punkt von seiner Linie abgerückt: Statt eines Rx-Boni-Deckels soll es künftig ein Verbot solcher Boni für alle Marktteilnehmer geben. Dieses soll allerdings im SGB V festgehalten und im Rahmenvertrag zwischen Kassen und Apothekern konkretisiert werden. Um auch auf das EU-Vertragsverletzungsverfahren einzugehen, soll das Boni-Verbot für EU-Versender, das seit 2012 Teil des Arzneimittelgesetzes (AMG) ist, restlos gestrichen werden.
Auch bei Honorar-Anpassungen hat das BMG im Vergleich zu den ersten Eckpunkten einige Änderungen vorgenommen. Es soll zwar weiterhin eine höhere Notdienstpauschale, neue vergütete pharmazeutische Dienstleistungen und eine höhere BtM-Vergütung geben. Doch das Honorar-Plus und das Budget für die neuen Dienstleistungen für die Apotheker sollen weitaus geringer ausfallen als noch im ersten Papier aus dem Dezember 2018 vorgesehen. Hinzu kommt, dass das BMG den Apothekern den Weg in die Telepharmazie ebnen will: Die pharmazeutische Beratung bei Botendiensten soll künftig auch in nicht-persönlichen Gesprächen möglich sein. Weitere Punkte zur freien Apothekenwahl sind nach wie vor in den BMG-Plänen enthalten. So soll es keine Selektivverträge zwischen Kassen und Versendern geben, kein „Makeln“ von E-Rezepten und keine Beeinflussung der Versicherten durch die Kassen.
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Hennrich: Das ist eine kluge Lösung
Die Unionsfraktion hatte monatelang über die Apotheken-Reform debattiert. Auf der einen Seite forderten viele Bundestagsabgeordnete eine konsequente Umsetzung des Koalitionsvertrages, also des Rx-Versandverbotes – schließlich hatte man dafür im Wahlkampf getrommelt. Auf der anderen Seite stand Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der ein Verbot für „unwägbar“ hält. Michael Hennrich, Berichterstatter zu Apothekenthemen in der Unionsfraktion, hält den jetzigen Kompromiss für „eine kluge Lösung“. Gegenüber DAZ.online erklärte der CDU-Arzneimittelexperte, dass er insbesondere die Fixierung des Rx-Boni-Verbots im Sozialrecht für sinnvoll halte.
„Endlich lösen wir diesen Konstruktionsfehler. Die Honorare von Kliniken und Ärzten werden ja schließlich auch auf einer Grundlage im SGB V geregelt. Dort gehört auch das Apothekenhonorar hin.“ Grundsätzlich sei das neue Eckpunkte-Papier in der Lage, einen Zustand herbeizuführen, „wie wir ihn vor dem EuGH-Urteil von 2016“ hatten, sagt Hennrich. Der CDU-Politiker sieht in den Vorschlägen aber mehr als nur die Lösung des Versandhandelskonfliktes. Vielmehr ergäben sich neue „Perspektiven und Chancen“ für die Apotheker. Die Einführung der vergüteten pharmazeutischen Dienstleistungen werde den Berufsstand stärken, meint Hennrich.
Haken Apothekenhonorar?
Nur einen Haken erkennt Hennrich noch: „Was das Apothekenhonorar und die genannten Summen angeht, müssen wir nochmals genauer hinschauen.“ Auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hatte die großen Honorar-Unterschiede zwischen dem ersten und dem zweiten Eckpunkte-Papier kritisiert. In einem Video-Statement erklärte Schmidt, dass gerade die Summe für die pharmazeutischen Dienstleistungen nicht ausreiche.
Dass sich die SPD auf den BMG-Vorschlag einlässt, hält Hennrich für wahrscheinlich. Schließlich meint er: „Die Union hat sich bewegt, schließlich gibt es einen Koalitionsvertrag, der eigentlich uns das Recht gibt. Auch von der SPD erwarte ich mir nun ein Entgegenkommen.“
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Schmidt: Die Summe reicht nicht aus
Doch so eindeutig scheint die Angelegenheit nicht zu sein. Denn schon in der vergangenen Woche kündigten die SPD-Gesundheitspolitiker Sabine Dittmar (gesundheitspolitische Sprecherin) und Karl Lauterbach (stellv. Fraktionsvorsitzender) Widerstand an. Lauterbach hält ein komplettes Boni-Verbot nach dem EuGH-Urteil für rechtlich nicht sicher. Dittmar verlangt ein eigenes Gesetz und auch ein EU-Notifizierungsverfahren.
Am gestrigen Dienstag teilte Dittmar zu den neuen Eckpunkten mit:
Die Apotheken vor Ort sind ein unverzichtbarer Baustein für die verlässliche Versorgung der Patientinnen und Patienten. Aus Sicht der SPD leistet aber auch der Versandhandel einen wichtigen ergänzenden Beitrag zur flächendeckenden Arzneimittelversorgung. Wir begrüßen deshalb, dass sich Minister Spahn nun vom Versandhandelsverbot mit verschreibungspflichtigen Medikamenten verabschiedet. Für uns ist es wichtig, dass wir eine rechtssichere Regelung bekommen, bei der für alle Marktteilnehmer die gleichen Wettbewerbsbedingungen und somit ‚gleich lange Spieße‘ gelten. Wir werden die Vorschläge des Ministeriums nun gründlich dahingehend prüfen.“
Franke: Preisbindung ist nicht-gerechtfertigter Eingriff in den freien Warenverkehr
Edgar Franke ist in der SPD-Bundestagsfraktion Berichterstatter für das Thema Apotheken. In den vergangenen Monaten hatte sich Franke im Versandhandelskonflikt zurückgenommen. Gegenüber DAZ.online erklärte nun auch Franke, dass er einige Bedenken habe. Man werde die neuen Pläne jetzt „seriös prüfen“, sagte der Jurist. Franke verwies aber – so wie Lauterbach auf das EuGH-Urteil. „Dabei ist es mir wichtig, dass wir uns das EuGH-Urteil von 2016 nochmals genauer anschauen. Denn um europa- und verfassungsrechtlich sichere Lösungen zu finden, müssen wir uns daran erinnern, dass der EuGH die Rx-Preisbindung als nicht gerechtfertigten Eingriff in den freien Warenverkehr bezeichnet hat. Wenn man jetzt jegliche Form der Bonifikation streicht, weiß ich nicht, ob das rechtlich haltbar ist.“
Immerhin: Der SPD-Politiker hält es für eine gute Idee, die neuen Regelungen im SGB V festzuschreiben. Denn: „Dort können und dürfen wir nationale Besonderheiten in der Gesundheitsversorgung festhalten, das hatten Sabine Dittmar und ich in unserem Gesetzesvorschlag ja genau so gesehen. Wir müssen eben nur aufpassen, dass die Regelung dem EuGH-Urteil nicht diametral widerspricht." Franke spielt auf einen Gesetzesantrag an, den er und Dittmar kurz nach dem EuGH-Urteil einbrachten. Damals forderten die beiden SPD-Politiker, den Rx-Versand beizubehalten und Rx-Boni bis zu einer Bagatellgrenze im SGB V stark einzuschränken.
3 Kommentare
Dittmar
von Anita Peter am 20.03.2019 um 8:13 Uhr
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AW: Dittmar
von Heiko Barz am 20.03.2019 um 18:31 Uhr
Weniger Politiker und Juristen ... dafür mehr Ärzte und Apotheker ...
von Christian Timme am 20.03.2019 um 8:05 Uhr
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