Ibuprofen statt Fosfomycin

Harnwegsinfekte: Viele Patienten möchten gar kein Antibiotikum

Stuttgart - 18.03.2019, 17:30 Uhr

Prof. Dr. Ildiko Gágyor forscht selbst daran, wie man den Einsatz von Antibiotika verringern kann. (s / Foto: Matthias Balk)

Prof. Dr. Ildiko Gágyor forscht selbst daran, wie man den Einsatz von Antibiotika verringern kann. (s / Foto: Matthias Balk)


Analgetika können Antibiotikaverbrauch senken – aber was sagen die Leitlinien?

In der zu Beginn erwähnten ICUTI-Studie sollten der Verbrauch von Antibiotika und die Symptomlast als Zielkriterien untersucht werden. Später untersuchte auch eine Schweizer Studie die Wirksamkeit von Diclofenac gegenüber Norfloxacin. Hier war Diclofenac gegenüber Norfloaxcin unterlegen, reduzierte aber dennoch den Antibiotikaverbrauch um 37 Prozent. In einer Studie aus Norwegen, Dänemark und Schweden wurde der Einsatz von Ibuprofen mit dem von Pivmecillinam verglichen  und kam zu ähnlichen Ergebnissen. Die Zielkriterien dieser beiden Studien sollen vergleichbar mit denen der ICUTI-Studie gewesen sein und deren Ergebnisse bestätigt haben: Alle drei Studien zeigten eine erhebliche Reduktion des Antibiotikaverbrauchs, wobei die Symptomlast aber unter Analgetika etwas höher war, so Gágyor. Fieberhafte Infekte (bis zu Pyelonephritiden) sollen unter Analgetika allerdings etwas häufiger aufgetreten sein:


Wer schon einmal eine Nierenbeckeninfektion hatte, kommt für Ibuprofen nicht in Frage.“

Prof. Dr. Ildiko Gágyor auf der Interpharm 2019 in Stuttgart


Aber nicht nur Ibuprofen und Co. sind laut Gágyor Faktoren, die den Antbiotikaverbrauch senken können. Sie machte darauf aufmerksam, dass Apotheken generell die Patienten für die Ärzte „vorfiltern“ würden. Dies lege nahe, dass in der Praxis bereits viele unkomplizierte Harnwegsinfektionen mit Analgetika oder pflanzlichen Alternativen behandelt würden. Sie machte auch auf Studien aufmerksam, die den Einsatz von Bärentraubenblättern untersuchen. Dabei sei es generell schwierig, Patienten in solche Studien einzuschließen, weil diese oft gar kein Antibiotikum bekommen wollen. Mittlerweile hätten sich die Studien aber – die einzeln nicht signifikant seien – in ihrer Gesamtheit auch in den Leitlinien niedergeschlagen.

Eingang in die Leitlinien


Bei der akuten unkomplizierten Zystitis sollte eine antibiotische Therapie empfohlen werden. Bei Patientinnen mit leichten/mittelgradigen Beschwerden kann die alleinige symptomatische Therapie als Alternative zur antibiotischen Behandlung erwogen werden. Eine partizipative Entscheidungsfindung mit den Patienten ist notwendig.“

Interdisziplinäre S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulatn erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Register-Nr. 043/044


Der Patient sollte also über das Risiko Komplikationen zu entwickeln, aber auch über Antibiotika-Resistenzen aufgeklärt werden. Eine antibiotische Therapie sollte dann immer möglich, aber nicht immer zwingend sein: Der Patient entscheidet mit. Zudem finden sich auch pflanzliche Präparate in der Leitlinie wieder: 


„Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau kann Mannose empfohlen werden. Alternativ können verschiedene Phytotherapeutika (z.B. Präparate aus Bärentraubenblättern (maximal 1 Monat), Kapuzinerkressekraut, Meerrettichwurzel), erwogen werden.“

Interdisziplinäre S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulatn erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Register-Nr. 043/044


Mehr zum Thema

Die aktualisierte Leitlinie zur Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfekte

Es muss nicht immer ein Antibiotikum sein!

Wenn also die Alternativen nicht greifen und Antibiotika notwendig werden, so sollen laut Gágyor die „richtigen“ Antibiotika nach Leitlinie verordnet werden: Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam oder Trimethoprim (letzteres bei Resistenzraten <20%). Gágyor verwies außerdem auf eine kanadische Leitlinie zu Harnwegsinfekten, die sich speziell an Apotheker richtet



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Im Rollstuhl nach 3 Tabletten Fluorchinolone

von ImRollstuhl am 19.03.2019 um 8:27 Uhr

Bekam auf eine chronische Prostatitis Fluorchinolone. Nach 3 Tabletten sitze ich nun 3 Jahre später im Rollstuhl, vertrage keine Medikamente mehr, habe oft Schmerzen, kann nur noch eingeschränkt essen und bin sozial isoliert. Warum werden Fluorchinolone nicht vom Markt genommen ? So etwas darf nicht verkauft werden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.