Erleichterungen und Herausforderungen

Was bedeutet der neue Rahmenvertrag für Apotheken?

Süsel - 11.02.2019, 07:00 Uhr

Neuer Rahmenvertrag: Unter anderem ändert sich wohl etwas bei den Auswahlmöglichkeiten bei Wirkstoffen ohne Rabattvertrag. (Foto: imgao)

Neuer Rahmenvertrag: Unter anderem ändert sich wohl etwas bei den Auswahlmöglichkeiten bei Wirkstoffen ohne Rabattvertrag. (Foto: imgao)


Voraussichtlich ab dem 1. Juli soll ein neuer Rahmenvertrag für die Arzneimittelversorgung in der GKV gelten. Eine Fassung des Vertrages vom Januar zeigt, dass einige Änderungen zu erwarten sind. Die Apothekenteams dürfen sich auf einfachere Nachweise zur Nicht-Verfügbarkeit und die Beseitigung einiger Unklarheiten freuen. Dem steht neuer Aufwand bei der Auswahl von Generika ohne Rabattverträge gegenüber. Neuerungen gibt es außerdem bei den Importen.

Lange haben der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband über einen neuen Rahmenvertrag nach § 129 SGB V verhandelt. Doch über die Inhalte wurde bisher kaum etwas bekannt. DAZ.online liegt nun eine Fassung des neuen Vertrages vom 1. Januar 2019 vor. Dem Vernehmen nach soll der Inhalt beschlussreif sein. Nach den derzeitigen Planungen soll der neue Vertrag zum 1. Juli 2019 in Kraft treten.

Aufgeräumte Gliederung

In dem vorliegenden Entwurf wirkt die Gliederung des Vertrages strukturierter. Der Text wurde formal „aufgeräumt“. Es gibt einen neuen Paragrafen mit Definitionen. Vieles wirkt geordneter und inhaltlich klarer, beispielsweise die Regeln über Rezeptkorrekturen und zur Arzneimittelauswahl bei verschiedenen Verordnungsvarianten. So stehen bei der Verordnung einer N-Bezeichnung alle Packungen aus diesem N-Bereich zur Auswahl. Außerdem wird der Vorrang der Rabattverträge festgeschrieben. Dies dürfte Auslegungsfragen zur Vorfahrt von Rabattverträgen oder Importregelungen erübrigen. Die Sonderregeln für dringende Fälle (Akutversorgung, Notdienst) werden künftig in einem eigenen Paragrafen zusammengefasst.

Nicht-Verfügbarkeit beim Großhandel nachzuweisen

Der neue Nachweis der Nicht-Verfügbarkeit erscheint deutlich praktikabler. Ein Produkt soll künftig als nicht verfügbar definiert werden, „wenn es innerhalb angemessener Zeit nicht beschafft werden kann.“ Dies soll durch zwei Verfügbarkeitsanfragen beim Großhandel in direktem zeitlichen Zusammenhang mit der Vorlage des Rezeptes nachgewiesen werden. Wenn die Apotheke nur von einem Großhandel beliefert wird, sollen zwei Anfragen in angemessenem zeitlichen Abstand ausreichen. Streitigkeiten um Bestätigungen durch die Hersteller sollten sich damit erübrigen

Getrennte Betrachtung von Verordnungszeilen: Vorteil bei Mehrfachverordnungen

Mit dem neuen Vertrag wird die Verordnung größerer Abgabemengen vereinfacht. Denn jede Verordnungszeile soll nun getrennt betrachtet werden. So könnten relativ einfach mehrere Packungen eines Arzneimittels verordnet werden.

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Neuer Auswahlbereich für Generika ohne Rabattverträge

Außer Klarstellungen und Erleichterungen gibt es aber auch Verschärfungen. Dies betrifft insbesondere die Abgabe von generischen Arzneimitteln, für die keine Rabattverträge bestehen. In diesem Fall soll künftig eines der vier preisgünstigsten Fertigarzneimittel abgegeben werden, das die Kriterien für den Auswahlbereich erfüllt. Bei der Preisberechnung sollen alle gesetzlichen Rabatte berücksichtigt werden. Außerdem darf das abzugebende Arzneimittel nicht teurer als das verordnete Arzneimittel sein. Bisher darf hingegen das namentlich verordnete Arzneimittel oder eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel abgegeben werden. Mit der Abgabe des verordneten Arzneimittels erübrigten sich bisher sowohl Interpretationen zum Auswahlbereich als auch Diskussionen mit dem Patienten, wie sie von Rabattverträgen bekannt sind. Doch gemäß dem neuen Vertrag wird auch bei generischen Arzneimitteln ohne Rabattvertrag künftig immer ein Auswahlbereich zu betrachten sein.

Definition für preisgünstige Importe wie im GSAV

Ein großes Thema im vorliegenden Vertragsentwurf sind weiterhin die Importe. Der Text enthält eine neue Definition für preisgünstige Importarzneimittel, die inhaltlich dem jüngsten Kabinettsentwurf für das GSAV entspricht. Preisgünstig sind demnach Importe mit einem Preisabstand von mindestens 15 Prozent bei einem Abgabepreis bis 100 Euro, mit einem Preisabstand von mindestens 15 Euro bei einem Abgabepreis zwischen 100 und 300 Euro und mit einem Preisabstand von mindestens 5 Prozent bei einem Abgabepreis von über 300 Euro. So sollen auch bei hochpreisigen Arzneimitteln relevante Einsparungen für die Krankenkasse erzielt werden. Dies ist nach den jüngsten Entwicklungen beim GSAV nicht überraschend.

Neue Importquote

Doch zusätzlich enthält der neue Vertragstext eine ganz neue Berechnung für die zu erfüllende Importquote der Apotheken. Bisher war die Importquote als Umsatzanteil definiert. Die Importe mussten mindestens fünf Prozent Anteil am Umsatz der Fertigarzneimittel mit einer bestimmten Krankenkasse erreichen. Dies wurde immer schwieriger zu erfüllen, je mehr Arzneimittel von Rabattverträgen erfasst wurden. Außerdem bleibt bei dieser Regelung offen, was die Krankenkasse dabei spart.

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Nur noch der „importrelevante Markt“

Für die neue Importquote soll nur noch der „importrelevante Markt“ betrachtet werden. Das sollen die Fertigarzneimittel sein, die nicht unter Rabattverträge fallen. Für diesen „importrelevanten Markt“ wird ein „theoretischer Umsatz“ berechnet, der sich ergibt, wenn stets das „Referenzarzneimittel“ (gemeint ist das Original) abgegeben würde. Die Preisdifferenz zwischen dem Referenzarzneimittel und dem abgegebenen Import wird als „Einsparung“ ermittelt. Als „Einsparziel“ wird gemäß dem Vertragsentwurf festgelegt, dass die Summe der Einsparungen zwei Prozent des „theoretischen Umsatzes“ betragen soll. Die neue Importquote ist demnach ein Verhältnis aus Einsparungen und Umsatz. Die Zahlenwerte der alten und der neuen Quote sind damit nicht vergleichbar. Wenn das Einsparziel in einem Sechs-Monats-Zeitraum nicht erreicht wird, soll die Rechnung der Apotheke um die Differenz zwischen dem Einsparziel und der Summe der tatsächlichen Einsparungen gekürzt werden. Das Einsparziel von zwei Prozent soll ein Jahr nach Inkrafttreten des Vertrages von den Vertragspartnern überprüft und möglicherweise neu verhandelt werden.

Programmierarbeit nötig

Über diese auffälligen Unterschiede hinaus enthält der neue Vertrag weitere Neuregelungen, beispielsweise zur Datenübermittlung zwischen den Verbänden. Stellungnahmen und Erläuterungen von Vertragspartnern sind beim derzeitigen Stand nicht zu erhalten. Zudem sind letzte Änderungen des Vertragstextes nicht ausgeschlossen. Doch schon die bisher erkennbaren Unterschiede zeigen, dass einige Neuerungen auf die Apotheken zukommen. Die Änderungen von Auswahlbereichen und die neue Berechnung der Importquote dürften zudem einige Programmierarbeit bei den Softwarehäusern erfordern. Daher ist zu hoffen, dass die finale Fassung des Vertrages bald vorliegt.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

Erleichterung und Herausforderung

von Sven Larisch am 03.07.2019 um 11:57 Uhr

Also ich sehe keine Erleichterung, wenn ich jetzt sowohl die Sonder-PZN und einen passenden Kommentar auf dem Rezept vermerken muss und zusätzlich noch Nachweise erbringen/speichern muss, dass der GH nicht liefern kann.
Wann organisieren sich mal die Apotheker zum Streik?
Wieso lassen wir uns EUGH, BGH, Secure-pharm, Telematik, neuer Rahmenvertrag aufdeuen und bekommen dafür immer und immer wieder einen Tritt?
So macht arbeiten keinen Spass mehr- soll es vielleicht auch nicht.

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Neuer Auswahlbereich für Generika ohne Rabattverträge

von Andreas Seifert am 12.02.2019 um 11:04 Uhr

Das verordnete Medikament muss abgabefähig bleiben!
Ansonsten besteht die Gefahr, dass Patienten jedesmal
was anderes bekommen infolge möglicher 14-tägiger Preisänderungen. Rabattverträge gelten mindestens 2 Jahre
und gewährleisten somit etwas Stabilität in der AM-Versorgung. Diese neue Regelung wird für viel Chaos und Ärger mit den Patienten und Ärzten sorgen.
Die Arzneimittel - Compliance spielt wohl bei solchen Verhandlungen gar keine Rolle mehr?

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AW: Neuer Auswahlbereich für Generika ohne

von Heiko Barz am 12.02.2019 um 12:37 Uhr

Ihr letzter Satz ist entscheidend, Herr Kollege!

AW: Neuer Auswahlbereich für Generika ohne

von gerd reitler am 13.02.2019 um 13:13 Uhr

Geldgeile BW´ler auf der Kassenseite
praxisfremde Verhandler auf Apothekerseite

dabei kommt dann nichts Gutes heraus.

Für die Mitarbeiter am HV und Patienten.

Ich habe die Hoffnung schon lange aufgegeben, dass sinnvolle und praxistaugliche Lösungen möglich sind.



Danke

von Karl Friedrich Müller am 12.02.2019 um 7:49 Uhr

für die Antwort.
Die Frage ist: was wollen die KK noch sparen? Ist nicht mal ein Ende erreicht? Vor allem bei den Generika? Der Bereich ist überreguliert. Festbeträge, Rabattverträge, knebelnde Abgabevorschriften....

Mit der Regelung über die Abgabe ohne Rabattverträge werden wir unter Umständen vor unlösbare Probleme gestellt, besonders, wenn der Verordner nicht mit spielt.
Hier wird so ein Bereich geschaffen, der uns viel Geld kosten könnte, oder der Versicherte wird im Zweifel nicht versorgt. UNMÖGLICH!

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Neuer Auswahlbereich für Generika ohne Rabattverträge

von Karl Friedrich Müller am 11.02.2019 um 9:28 Uhr

dieser Abschnitt ist überhaupt nicht klar. was soll der bedeuten?
"Bei der Preisberechnung sollen alle gesetzlichen Rabatte berücksichtigt werden. " was heißt das?
generisch verordnet: nur eines der 4 preisgünstigsten? Für AM ohne Firmenbezeichnung oder alle? Darf dann auch das verordnete (mit Firma verordnet) nicht mehr abgegeben werden? Wäre ja ein schlechter Witz.
Insgesamt ist der Artikel äußert unklar und ungenau formuliert. Hoffentlich ist das im neuen Vertrag nicht auch so.

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AW: Neuer Auswahlbereich für Generika ohne

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 11.02.2019 um 10:13 Uhr

@Karl Friedrich Müller
Danke für die Nachfrage. Mein Ziel war, die wesentlichen praxisrelevanten Neuerungen in dem umfangreichen Vertrag darzustellen, wofür es bisher keine Stellungnahmen aus Verhandlungskreisen gibt. Es tut mir leid, wenn das nicht überall gelungen ist.
Mit gesetzlichen Rabatten sind lt. dem neuen Vertrag die Rabatte gemäß § 130a Absätze 1, 1a, 2, 3a und 3b gemeint. Ich verstehe das so, dass nicht die Listenpreise, sondern die Preise nach Abzug dieser Rabatte für den Vergleich relevant sind.
Und was die 4 preisgünstigsten angeht, verstehe ich es genauso wie Sie: Dann darf das verordnete nicht abgegeben werden, sofern es nicht zu den 4 preisgünstigsten gehört. Da ich darin ebenfalls ein Problem sehe, hatte ich dies als negativen Punkt hervorgehoben.

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