Neues Rechtsgutachten zu Rx-Boni

Douglas betrachtet Spahns Boni-Vorschlag als verfassungswidrig

Süsel - 08.01.2019, 15:40 Uhr

Der Gesundheitsrechtsexperte Morton Douglas hält Teil des Reformpakets von Jens Spahn für verfassungswidrig. (Foto: fgvw.de)

Der Gesundheitsrechtsexperte Morton Douglas hält Teil des Reformpakets von Jens Spahn für verfassungswidrig. (Foto: fgvw.de)


In einem Gutachten für die Apothekerkammer Nordrhein begründet der Gesundheitsrechtsexperte Dr. Morton Douglas, warum er eine Zulassung von Boni ausländischer Apotheken im deutschen Recht für verfassungswidrig hält. Beim Neujahrsempfang der Kammer verwies Kammerpräsident Lutz Engelen auf dieses Gutachten und forderte die Verantwortlichen auf, sich stärker für die deutsche Preisbindung zu engagieren.

Die Front der Ablehnung gegen die Zulassung von Rx-Boni ausländischer Apotheken im deutschen Recht wird immer stärker. Die Apothekerkammer Nordrhein hat beim renommierten Gesundheitsrechts-Experten Dr. Morton Douglas ein Gutachten zu den Vorschlägen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingeholt. Douglas begründet darin umfassend, weshalb er die von Spahn vorgeschlagene Regelung für nicht verfassungsgemäß hält. Dieses Gutachten hat die Apothekerkammer Nordrhein nach Informationen von DAZ.online inzwischen an alle Apothekerkammern und -verbände geschickt. Offenbar wollen die Nordrheiner ihre Kollegen in den anderen Bundesländern überzeugen, am 17. Januar gegen die Rx-Boni zu stimmen.

Eckpunktepapier mit positiver und negativer Seite

Beim Neujahrsempfang der Apothekerkammer Nordrhein am 7. Januar in Düsseldorf verglich Kammerpräsident Lutz Engelen das Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministers mit einer Münze, die zwei Seiten hat. Die Apotheker würden die Vorschläge zur Verbesserung der pharmazeutischen Versorgungssituation und zur Stärkung der flächendeckenden Versorgung begrüßen. Auch die Einbindung der Arzneimittelpreisverordnung in das Sozialrecht sei ein richtiges Signal. Doch der Vorschlag, den EU-Versendern die Gewährung von Boni bis 2,50 Euro zu erlauben, sei „weder logisch noch rechtssicher". In Anwesenheit der parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesgesundheitsministerium, Sabine Weiss, fragte Engelen: „Warum soll ein EuGH-Urteil handlungsleitend für die deutsche Gesundheitspolitik sein, bei dem es sich offensichtlich um einen Fremdkörper in der Rechtsprechung des EuGH handelt?" Damit bezog sich Engelen auf eine Folgerung im Gutachten von Douglas. 

Staatssekretärin Sabine Weiss (CDU) und AKNR-Präsident Lutz Engelen mit einer Grafik der Kammer zum Versandhandelskonflikt. (Foto: AKNR)

„Das Subsidiaritätsprinzip im Bereich der Gesundheitsversorgung stellt einen Wert dar, den es zu verteidigen gilt“, erklärte Engelen und forderte mehr Engagement von den Verantwortlichen. Dazu verwies Engelen auf die Subsidiaritätsrüge zur geplanten EU-Verordnung über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und fragte: „Wo bleibt die Subsidiaritätsrüge in Bezug auf den Arzneimittelpreis? Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?“ Engelen erinnerte auch auf das Bekenntnis des Bundestages zur Buchpreisbindung am 14. Dezember 2018 und beklagte, Arzneimittel würden dagegen zu Handelswaren degradiert und „auf dem europäischen Markt- und Wettbewerbsaltar geopfert“.

Umfassende Argumentation von Douglas

Engelen verwies zudem mehrfach auf das Gutachten von Douglas. Darin führt Douglas seine Position aus, die er bereits im DAZ.online-Interview erklärt hatte. Für ihn ist die Ungleichbehandlung deutscher und ausländischer Apotheker nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar und daher verfassungswidrig. Außerdem erwartet er, dass sich eine solche Regelung kurzfristig auf laufende Verfahren zu Rx-Boni im Inland auswirken würde. Dann sei davon auszugehen, dass sich auch deutsche Apotheken nicht mehr an die Preisbindung halten müssten.

Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen

An erster Stelle geht es in dem Gutachten um die Ungleichbehandlung deutscher und ausländischer Apotheken. Diese sei anders zu betrachten, wenn sie sich nicht mehr aus einem EuGH-Urteil, sondern aus einem deutschen Gesetz ergibt, erklärt Douglas. Aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes in Artikel 3 des Grundgesetzes müsse der Gesetzgeber eine solche Ungleichbehandlung sachlich rechtfertigen und könne sie nicht nur auf „Praktikabilitätserwägungen" stützen.

Das Argument, hier müsse einer Entscheidung des EuGH Rechnung getragen werden, sei nicht durchgreifend. Denn der EuGH missachte in seiner Entscheidung die Kompetenz des nationalen Gesetzgebers. Dazu verweist Douglas auf Artikel 168 Abs. 7 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und auf die Transparenzrichtlinie vom 21. Dezember 1988 (89/105/EWG), die den Mitgliedsstaaten die gesundheitspolitische Entscheidungskompetenz zuweisen. Dies sei weiterhin aktuell, wie die Subsidiaritätsrüge des Bundestages zu europäischen Bewertungen neuer Arzneimittel gezeigt habe. Auch der EuGH selbst habe diese Kompetenzverteilung in Entscheidungen vom 21. September 2017 und vom 1. März 2018 bestätigt. Außerdem habe der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24. November 2016 darauf hingewiesen, dass der EuGH in seiner Entscheidung zur Arzneimittelpreisbindung die allgemeinen Grundsätze zu den Kompetenzen der Mitgliedsstaaten nicht geachtet habe.

Daraus folgert Douglas, dass die EuGH-Entscheidung zur Arzneimittelpreisbindung an erheblichen Mängeln leide. Das vorlegende Gericht habe die Beweggründe des deutschen Gesetzgebers unzutreffend ermittelt. Bei der Prüfung der Vereinbarkeit mit dem deutschen Recht sei ein unzutreffender Maßstab angewendet worden und der EuGH habe die Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers missachtet. Doch eine solche mängelbehaftete Entscheidung könne für den deutschen Gesetzgeber kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung von Marktteilnehmern sein, argumentiert Douglas.

Alternativen prüfen

Außerdem sei eine solche Ungleichbehandlung stets eine ultima ratio. Zuvor seien Alternativen zu prüfen. Dies könnten ein Rx-Versandverbot, die Verteidigung des status quo oder ein Boni-Verbot im SGB V sein. In diesem Zusammenhang sieht Douglas einen Widerspruch im Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums. Denn gemäß diesem Papier solle durch die Überführung der Preisregelungen in das SGB V der Fokus verstärkt auf die mitgliedsstaatliche Kompetenz gelegt werden. Doch Douglas kritisiert, dass dies gegenstandslos würde, wenn der Gesetzgeber selbst die angegriffene Regelung außer Kraft setzt. Außerdem würde eine gesetzlich vorgeschriebene Ungleichbehandlung den Weg für ein neues Verfahren vor dem EuGH verbauen.

Deutsche Preisbindung in Gefahr

Ein weiterer Schwerpunkt im Gutachten betrifft die Frage, ob sich deutsche Apotheken noch an eine solche nationale Regelung halten müssten. Dazu verweist Douglas auf Urteile zu Rx-Boni in Deutschland. Darin sei die Ungleichbehandlung deutscher und ausländischer Apotheken nur akzeptiert worden, weil die EU-Versender nur einen sehr geringen Marktanteil haben und der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der deutschen Apotheker damit gering sei. Doch bei einer gesetzlichen Verankerung der Ungleichbehandlung dürfte diese Argumentation nicht mehr zu halten sein. Douglas erwartet, dass deutsche Apotheker dann auch in begrenztem Maß Rx-Boni gewähren können müssten.

5-Prozent-Klausel weder zu begründen noch durchzusetzen

Douglas beschäftigt sich in seinem Gutachten außerdem mit der von Minister Spahn vorgeschlagenen 5-Prozent-Klausel. Demnach solle der EU-Versandhandel stärker reguliert werden, wenn er einen Anteil von 5 Prozent an den Rx-Arzneimitteln erreicht. Dazu erklärt Douglas, dass sich aus der Zahl der Rx-Packungen multipliziert mit der vorgesehenen Vergütung ein Betrag ergibt, der für das System der Arzneimittelversorgung zur Verfügung stehen soll. Da die Nachfrage nach Rx-Arzneimitteln unelastisch sei, könnte ein niedriger Betrag pro Packung nicht durch zusätzliche Verkäufe kompensiert werden. Wenn diesem System 5 Prozent entzogen würden, fehle faktisch die Vergütung für 1000 Apotheken. Dadurch seien signifikante Konsequenzen für die flächendeckende Versorgung zu erwarten. Darum müsse in der Gesetzgebung gerechtfertigt werden, warum der Gesetzgeber eine Verlagerung von 5 Prozent des Umsatzes für hinnehmbar halte. Außerdem sei nicht ersichtlich, wie bei einer Überschreitung des Marktanteils von 5 Prozent diese Entwicklung wieder in den Griff zu bekommen sei. „Insoweit wird billigend in Kauf genommen, dass es zu irreversiblen Konsequenzen auf dem Apothekenmarkt kommt", folgert Douglas. Ähnliches erwartet er für den Buchmarkt. Auch dort seien dann Verfahren zur Buchpreisbindung zu erwarten, die „signifikantes Potenzial zu deren Beendigung" bergen würden.

Im Ergebnis stellt Douglas in seinem Gutachten fest, dass die vorgeschlagene Ungleichbehandlung deutscher und ausländischer Apotheken durch ein Bundesgesetz weder unter dem Aspekt der Gleichbehandlung noch hinsichtlich der Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen sein dürfte.

Das Gutachten von Dr. Morton Douglas finden Sie im Volltext auf der Webseite der AKNR.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Keine andere Option

von Versandverbot am 08.01.2019 um 19:09 Uhr

Ich danke für die Ausführungen und ich bin im Übrigen zutiefst davon überzeugt, dass etwas, was in Dreiviertel der EU-Staaten verboten ist auch bei uns verboten sein sollte ! Für eine weiterhin gute, verantwortungsvolle und sichere Arzneimittelversorgung, NEIN zum RX-Versand !

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Sehr gut argumentiert!

von Hermann Eiken am 08.01.2019 um 16:23 Uhr

Jeder der das liest, muss Boni und Versandgrenze ablehnen. Ich hoffe, unsere Kammern und Verbände sehen das genauso!
Besonders die Argumentation mit Bezug auf die Buchpreisbindung ist interessant.
Also Herr Spahn, über Ihren Plan kann man reden, wenn keine Boni zugelassen werden und keine lalala Versandgrenzen, die ohnehin nicht überwachbar sind.

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