Engpässe in der Influenzasaison 2018/19

Wie wird ein Grippeimpfstoff produziert?

Dresden / Stuttgart - 22.11.2018, 07:00 Uhr

Grippeimpfstoffe produziert GSK in den alten Sächsischen Serumwerken in Dresden. (Foto: DAZ.online)

Grippeimpfstoffe produziert GSK in den alten Sächsischen Serumwerken in Dresden. (Foto: DAZ.online)


Grippeimpfstoffproduktion dauert 18 Monate

„Die Impfstoffherstellung ist ein komplett anderes Geschäft, als eine Tablette über die Presse rollen zu lassen“, erklärt Sabine Skwara, Apothekerin bei GlaxoSmithKline (GSK). Das forschende Pharmaunternehmen ist nach eigenen Angaben der größte Impfstoffhersteller und war 2013 der erste Grippeimpfstoffproduzent, der nach der WHO-Empfehlung einen tetravalenten Impfstoff entwickelt und marktfähig hatte. Die Grippeimpfstoffproduktion von GSK findet in den früheren sächsischen Serumwerken in Dresden statt, 60 Millionen Grippeimpfdosen produziert GSK jährlich, wobei das Gros (50 Millionen) für die Nordhalbkugel bestimmt sind, hier vor allem die Vereinigten Staaten. Nur zehn Millionen Impfdosen produziert GSK für Länder südlich des Äquators wie Australien oder Brasilien.

Dass pünktlich zum Startschuss der Grippesaison – auf der Nordhalbkugel beginnt diese mit Kalenderwoche 40, also Ende September/Anfang Oktober – ein neuer Impfstoff parat steht, dafür bedarf es im Vorfeld etlicher Planungen. Die Vorbereitungen beginnen bereits im Mai des Vorjahres der Grippesaison, in der der Impfstoff schließlich verimpft werden soll. In Zahlen bedeutet dies: Seit Mai 2018 kümmert sich GSK bereits um die Influenzavakzine 2019/2020 der Nordhemisphäre – zu diesem Zeitpunkt ist der Grippeimpfstoff für die aktuelle Grippesaison noch nicht einmal in Spritzen abgefüllt. Ein Grippeimpfstoffzyklus – von der Eierbestellung bis zur Auslieferung an die Apotheken – dauert im Schnitt 18 Monate. Wie sieht dieser aus?


Die Planung und Bestellung der benötigten Bruteier muss bereits im Vorjahr erfolgen.“

GSK zur Grippeimpfstoffproduktion


GSK setzt auf Hühnereier bei der Grippeimpfstoffherstellung

Die Grippeimpfstoffproduktion beginnt bereits im Mai mit der Bestellung spezieller Serumeier. Diese bilden die Basis für die Antigenproduktion, mit der GSK dann im Dezember des gleichen Jahres startet. Auch wenn die Serumei-Produktion in den Händen des Ei-Lieferanten liegt, so muss GSK zumindest zu diesem frühen Zeitpunkt wissen, wie viele Eier für die Impfstoffproduktion der Grippesaison benötigt werden, und zwar der übernächsten – und das sind einige: „Bei voller Auslastung verarbeiten wir 360.000 Eier täglich“, erklärt Dr. Peter Schu hierzu. Schu leitete bis September 2018 das GSK-Impfstoffwerk in Dresden und wechselte zum 1. Oktober in eine internationale Führungsposition bei GSK (Head of Process Science, Local Manufacturing Science and Technology).

Auch wenn jüngst Seqirus die Zulassungsempfehlung des Humanarzneimittelausschusses (CHMP) der EMA für eine zellbasierte Grippeimpfstoffproduktion erhalten hat und innovative Alternativen zur Produktion von Influenzavakzinen nahen, produziert GSK seine Influenzavakzine nach wie vor in vorbebrüteten Hühnereiern. Warum? „GSK hat sich ganz bewusst dazu entschlossen, auf die bewährte Herstellung in Hühnereiern zu setzen. Vögel sind neben Schweinen und Menschen natürliche Wirte der Influenzaviren, daher eignen sich Hühnereier besonders zu Vermehrung des Influenzavirus in großem Maßstab“, erklärt GSK.

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Serumei – ein normales Hühnerei, aber spezifiziert

Die Vorlaufzeit zwischen Mai und Dezember ist dem 26-wöchigen Entwicklungszyklus eines Küken geschuldet – dieses muss im Mai oder Juni geschlüpft sein, dass es im Dezember schließlich so weit gediehen ist, um ein für die Grippeimpfstoffproduktion geeignetes Serumei zu legen. Ein Serumei ist zwar ein normales Hühnerei, aber es ist spezifiziert –, und mehr als bei gewöhnlichen Eiern vom Bauernhof oder aus dem Supermarkt, gleicht hier wirklich ein Ei dem anderen. „Es müssen weiße Eier definierter Größe und von gleichmäßiger Form sein, damit die Eier in großem Maßstab maschinell verarbeitet und zur Grippeimpfstoffherstellung verwendet werden können“, erklärt GSK. Die Serumeier wiegen zwischen 52 und 56 Gramm, weisen von der Form eine perfekte Eiform auf, sind vollkommen unbeschädigt – und vollkommen sauber.

Die Hühnerfarmen, von denen GSK seine Impfstoffbrutstätten bezieht, sind speziell für die Serumei-Herstellung ausgerüstete Betriebe, die einer ständigen Gesundheitsüberwachung durch die zuständigen lokalen Veterinärbehörden, durch betriebsinterne Veterinäre der Lieferanten sowie durch von den Impfstoffherstellern beauftragte Veterinäre unterliegen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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