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„Darmaufbau“ nach Antibiotika
Probiotika – nicht immer sinnvoll und harmlos
Ein Patient löst sein Rezept über ein Antibiotikum in der Apotheke ein. Er hat gehört, dass Antibiotika dem Darm schaden und man zur Antibiotikatherapie begleitend ein Probiotikum einnehmen sollte. Falsch machen könne er damit ja nichts – oder doch? Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass unerwünschte Wirkungen von Probiotika bislang zu wenig Beachtung gefunden haben könnten.
Das Mikrobiom des Menschen wird noch intensiv erforscht, während sogenannte Probiotika, die beispielsweise bei der Regeneration der Darmflora helfen sollen, von Patienten bereits aktiv eingefordert werden. Der Gedanke der Patienten dabei: Sie helfen ihrem Körper, auf „natürliche“ Weise wieder in seinen ursprünglichen und gesunden Zustand zurückzukehren. Gerade nach einer Antibiotika-Therapie würde man wohl auch in keiner Apotheke von der Einnahme eines Probiotikums abraten.
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Bekräftigt wird diese Herangehensweise von Cochrane-Reviews. Eines davon stammt zum Beispiel aus dem Jahr 2010. Dort heißt es, dass Probiotika sich klar positiv bei infektiösem Durchfall auswirken, indem sie die Dauer und die Stuhlfrequenz reduzieren – wenn sie neben einer Rehydratationstherapie angewendet werden. Sie schienen dabei sicher zu sein, hieß es damals. Dass es weiterer Forschung bedarf, wurde angemerkt.
Probiotika sind hilfreich, aber gefährlich für Risikogruppen
Im Dezember 2015 setzte sich Cochrane gezielt mit Antibiotika-assoziierter Diarrhö bei Kindern auseinander und mit der Frage, ob man einer solchen mithilfe von Probiotika vorbeugen könne. Cochrane kam zu dem Schluss, man könne von einem schützenden Effekt der Probiotika ausgehen. Nebenwirkungen wurden (im Zusammenhang mit den untersuchten Stämmen Lactobacillus rhamnosus oder Saccharomyces boulardii) als sehr selten beschrieben. Bei (immun)geschwächten Kindern mit gewissen Risikofaktoren wurden jedoch schwere Nebenwirkungen beobachtet.
Ein weiteres Cochrane-Review aus dem Dezember 2017 widmete sich der Prävention von Clostridium difficile-assoziierter Diarrhö (CDAD) bei Erwachsenen und Kindern. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass eine kurzzeitige Anwendung von Probiotika in diesem Zusammenhang nicht nur sicher ist (bei nicht (immun)geschwächten Patienten), sondern auch effektiv. Das Risiko eine CDAD zu entwickeln könnte demnach allgemein um 60 Prozent reduziert werden, wenn Probiotika gemeinsam mit Antibiotika eingenommen werden. Der Nutzen schien bei Patienten, die ein erhöhtes Risiko besitzen, eine CDAD zu entwickeln, noch größer zu sein. Neuere Daten stellen nun den Nutzen der Probiotika in Frage.
Probiotika sollen Erholung der Darmflora verzögern
Ein Forscherteam um den Immunologen Eran Elinav vom Weizmann Institute of Science in Israel war laut dem Ärzteblatt von experimentellen Ergebnissen überrascht, die zeigten, dass Probiotika bei Mäusen die Erholung der Darmflora verzögerten, anstatt sie zu beschleunigen. Auf diese Erkenntnis hin führten die Forscher zwei experimentelle Studien an gesunden Probanden durch, die in einer Pressemitteilung beschrieben werden.
In der ersten Studie wurde bei 25 Probanden sowohl eine obere Endoskopie als auch eine Koloskopie durchgeführt, wobei Proben aus verschiedenen Darmabschnitten entnommen wurden. 15 Probanden wurden schließlich auf zwei Gruppen verteilt: Die eine Gruppe nahm über vier Wochen täglich ein Probiotikum mit elf verschiedenen Bakterienstämmen ein. Die andere Gruppe erhielt ein Placebo. Drei Wochen nach Ende der Behandlung wurden dann alle Teilnehmer erneut endoskopiert. Die Ergebnisse fielen sehr unterschiedlich aus, die Forscher unterschieden jedoch zwei Gruppen: die „Persisters“ und die „Resisters“.
Erst Stuhltest, dann Probiotikum?
Bei den „Persisters“ überlebten die Probiotika im Darm der Probanden, bei den „Resisters“ verschwanden sie vollständig. Welcher Gruppe ein Proband angehören würde, ließ sich anhand seiner Darmflora vorhersagen. Zudem soll die Genexpression in der Darmschleimhaut Hinweise auf Überlebenschancen der Probiotika geben.
Studienautor Elinav folgert daraus, dass Probiotika nicht für alle Menschen geeignet sind. Er meint, dass ein Stuhltest in Zukunft darüber entscheiden könnte, welches Probiotikum für wen geeignet ist.
Nach Antibiotikatherapie: Probiotikum schlechter als abwarten?
In der zweiten Studie untersuchten die Forscher den Einfluss der Probiotika speziell im Zusammenhang mit der Einnahme von Antibiotika. Dazu verabreichten sie 21 Probanden für eine Woche eine Breitbandantibiose (Ciprofloxacin plus Metronidazol) und führten anschließend eine obere Endoskopie und eine Koloskopie durch. Dann wurden die Probanden in drei Gruppen eingeteilt. In der ersten Gruppe ließ man dem Mikrobiom die Chance, sich von selbst zu regenerieren – „watch and wait“. Die zweite Gruppe nahm über vier Wochen täglich ein Probiotikum mit elf Bakterienstämmen ein. Die dritte Gruppe erhielt hingegen über eine Sonde Darmbakterien, die vor der Antibiotikagabe aus dem Darm entnommen worden waren (autologes fäkales Mikrobiomtransplantat, aFMT).
Den Probiotika gelang es zwar, den Darm nach der Antibiotikagabe zu besiedeln, jedoch wurde dabei nicht der Zustand aus der Zeit vor der Antibiotikabehandlung erreicht – und das über Monate. Dadurch behinderten die Probiotika im Vergleich zur „watch and wait“-Gruppe sogar die Regeneration. Nach der aFMT erholte sich der Darm innerhalb weniger Tage.
Unerwünschte Wirkungen der Probiotika nicht ausreichend untersucht
Der Studienautor schließt aus seinen Ergebnissen, dass eine ungezielte Einnahme von Probiotika den meisten Patienten nicht helfen wird – und ihnen manchmal sogar schaden kann.
Schon 2013 hatte das Ärzteblatt über eine Studie aus dem Journal Lancet berichtet, die Zweifel am Sinn der Probiotika weckte: „Die in den letzten Jahren populär gewordene Prophylaxe einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö durch Einnahme von Probiotika hat in der ersten großen randomisierten Studie an Senioren nicht gewirkt“, hieß es damals. Weder die Rate von Durchfallerkrankungen noch die Zahl der gefürchteten Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhö habe darin signifikant gesenkt werden können.
Auch das Nachrichtenportal Medscape griff das Thema möglicher schädlicher Wirkungen von Probiotika im Juli 2018 auf und bezieht sich dabei auf eine Meta-Analyse aus den Annals of Internal Medicine. Demnach werden potenziell schädliche Auswirkungen von Probiotika in entsprechenden Studien nicht aussreichend untersucht.
Im August 2018 wurde auf dem Gesundheitsportal der Stadt Berlin ebenfalls die Frage gestellt „Können Probitoika auch schaden?“. Forscher um Satish Rao von der Augusta University (USA) haben demnach gezeigt, dass bei Probanden, die Probiotika einnahmen, „im Dünndarm riesige Kolonien an Lactobacillus-Bakterien zu finden waren, welche wiederum große Mengen an D-Milchsäure produzierten“, was wiederum mit Beschwerden wie Blähbauch und Magenschmerzen, aber auch mentalen Symptomen wie Verwirrtheit in Zusammenhang gebracht wurde.
Auch wenn viele Probiotika-Studien zu klein waren, um zuverlässige Aussagen zu treffen, allen Berichten über potenzielle unerwünschte Wirkungen gemeinsam ist der Gedanke, dass man Probiotika kritischer betrachten sollte. Auch wenn sie rechtlich nicht zu den Arzneimitteln, sondern zu den Lebensmitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln zählen.
3 Kommentare
Wie überraschend
von Stefan Haydn am 11.09.2018 um 18:47 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: π
von J.Haberkorn am 12.09.2018 um 12:01 Uhr
AW: Wie überraschend
von Wellness_Watch am 13.09.2018 um 9:22 Uhr
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