Sondersitzung im Landtag

Lunapharm: Warum die Gesundheitsgefahr so schwierig zu beurteilen ist

Berlin - 29.08.2018, 07:00 Uhr

Wie hoch ist das Ausmaß der Gesundheitsschädigung? Schwer zu beurteilen, sagen die Experten der Lunapharm-Taskforce. (c / Foto: Imago)

Wie hoch ist das Ausmaß der Gesundheitsschädigung? Schwer zu beurteilen, sagen die Experten der Lunapharm-Taskforce. (c / Foto: Imago)


Wenig Hoffnung in Analytik der Rückstellmuster

Viele Fragen der Abgeordneten drehten sich um das Ausmaß der Gesundheitsgefährdung, weil die Transportbedingungen im Rahmen des Arzneimittelschmuggels möglicherweise nicht optimal waren. Dadurch könnten temperatursensible Wirkstoffe zerfallen und die Wirksamkeit des Arzneimittels beeinträchtigt sein. Außerdem könnten Zersetzungsprodukte entstehen, die immunologische Unverträglichkeitsreaktionen hervorrufen könnten.

Große Erwartungen werden in die Analysen der Rückstellmuster, die die Staatsanwaltschaft Potsdam bei Lunapharm sichergestellt hatte, gelegt. Derzeit werden 22 Arzneimittel, die biologische Antikörper enthalten, bei den jeweiligen Originalherstellern untersucht, weil die Analytik zu aufwändig für ein amtliches Labor sei. Die Ergebnisse sollen bis Ende August vorliegen – demnach in wenigen Tagen. 

Der AMK-Vorsitzende Professor Martin Schulz relativierte allerdings die Erwartungen. Die Rückstellmuster seien von bedingter Aussagekraft, da pro Charge nur Kleinstmengen – teilweise nur eine Packung – importiert wurden. Insgesamt lägen zu wenige bis gar keine charegenbezogenen Muster vor. Zeige eines oder mehrere der Proben eine Abweichung von der Spezifikation, sei dies ein Hinweis auf einen möglichen Wirkverlust. Es könne aber auch der Fall sein, dass die Analysen keine Beanstandung ergeben und eine Gesundheitsgefahr dennoch nicht auszuschließen sei.

Auf die Frage des CDU-Abgeordneten Raik Nowka, ob die Analyse der zurückgerufenen Präparate repräsentativer wäre, antwortete Schulz, dass bisher keine Lunapharm-Packung aus dem Handel zurückgekommen sei. Die Apotheken bestellen die Zytostatika kurz vor der Herstellung der patientenindividuellen Rezeptur und nicht auf Vorrat, so der Apotheker.

Auch hypothetische Ausführungen äußerte der Pharmazeut mit Vorsicht. „In 2018 die Qualität von Arzneimitteln aus 2016 einzuschätzen, die nicht mehr vorliegen, ist schwierig.“ Denn Unterlagen über die tatsächlichen Transportbedingungen fehlen. Bei Arzneimitteln, die nicht kühlkettenpflichtig sind und die zwischen 2 und 8 Grad gelagert werden sollen, führe es nicht zu großen Qualitätseinbußen, wenn die Temperatur kurzfristig überschritten werde.

Mediziner fordert Identifizierung der Patienten

Die Mehrzahl der betroffenen Arzneimittel seien Krebsarzneimittel, die im Rahmen der Palliativmedizin eingesetzt werden, erklärte Taskforce-Mitglied und Onkologe Wolf-Dieter Ludwig. Bei der Palliativmedizin gehe man nicht von der Heilung der Patienten aus. Hinzu käme, dass häufig nur eine von mehreren Dosen über den Lunapharm-Vertriebsweg gekommen sei. „Wir wissen auch nicht, welche Patienten zu welchem Standpunkt der Erkrankung betroffen sind“, so Ludwig. „Deshalb müssen wir unbedingt die Patienten über die Apotheken identifizieren“, forderte der Onkologe.

Die CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag hat laut dpa einen Entschädigungsfonds für die Opfer des Medikamenten-Skandals angeregt. Nach dem Bericht der Expertenkommission habe es gravierende Mängel in der Arzneimittelaufsicht des Landes gegeben, sagte Fraktionschef Ingo Senftleben am vergangenen Dienstag.

Skandal nicht auf Brandenburg beschränkt

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Potsdam sind noch nicht abgeschlossen. Die Auswertung der Taskforce bezieht sich auf die Vorfälle im Zeitraum 2015 bis 2017. Recherchen des ARD-Magazins Kontraste zufolge sollen die fragwürdigen Geschäfte von Lunapharm allerdings bereits 2013 begonnen haben.

Außerdem hat sich der Kreis der Beschuldigten erweitert: In der vergangenen Woche wurden die Wohnungen von ehemaligen hessischen Geschäftspartnern durchsucht. Ebenso wurden die Räumlichkeiten des in Wiesbaden ansässigen Pharmahändlers Rheingold Pharma durchsucht, der von dem griechischen Apotheker gegründet wurde, der mutmaßlich gestohlene Krebsarzneimittel an Lunapharm lieferte. Laut Wiesbadener Kurier zählt der Anwalt des Apothekers, Gunter Kowalski, der Rheingold zwischenzeitlich leitete, nun ebenfalls zum Kreis der Beschuldigten. Weitere Spuren führen nach Italien, Schweiz und in die Niederlande.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Lunapharm

von Gunter Kowalski am 30.08.2018 um 14:32 Uhr

Dem Bericht der Expertengruppe war auch zu entnehmen, dass die griechische Aufsicht EOF bis heute keine internationalen Warnmeldungen abgegeben hat. Sie wurde dazu von den Brandenburger Behörden gefragt, denn dadurch würden ja tausende von Patienten gefährdet. Die EOF antwortet erst einen Monat später und erklärte, man habe die Diebe nicht warnen wollen. aber die Diebe sind seit Mai gewarnt und trotzdem werden jeden Tag irgendwo Päckchen der griechischen Apotheke verkauft, weil es noch immer keine Warnung gibt. Ich meine das bedeutet, dass die EOF und die griechische Staatsanwaltschaft längst nicht mehr an die Diebstähle glaubt, für die sich so gar keine Belege finden lassen. Nur weil man im Mai vollmundige Erklärungen abgegeben hat, dass Ausländer das griechische Gesundheitssystem ausplündern und nicht etwa die Korruption, kann man die Verdächtigen 4, die es noch gibt, nicht freilassen.
Es gibt also auch nichts dass verdorben sein könnte.

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