Strukturfonds statt Rx-Versandverbot

Honorargutachterin tritt nach

Süsel - 30.07.2018, 07:00 Uhr

Wie hält man die flächendeckende Versorgung aufrecht? Honorargutachterin Iris an der Heiden meint, dass es mit einem Strukturfonds für wirtschaftlich gefährdete Apotheken besser geht als mit dem Rx-Versandverbot. ( r / Foto: Imago)

Wie hält man die flächendeckende Versorgung aufrecht? Honorargutachterin Iris an der Heiden meint, dass es mit einem Strukturfonds für wirtschaftlich gefährdete Apotheken besser geht als mit dem Rx-Versandverbot. ( r / Foto: Imago)


Die Honorargutachterin Iris an der Heiden von der Agentur 2HM hat ihren Standpunkt noch einmal bekräftigt: In einer Zeitschrift des AOK-Bundesverbandes schreibt sie, dass sie das Rx-Versandverbot nicht als Problemlösung sieht, sondern einen Strukturfonds für wirtschaftlich gefährdete Apotheken fordert. Letztlich stützen fast alle ihre Argumente den Versand und spiegeln die Auffassung der Krankenkassen wider.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „G+G Wissenschaft“ (GGW) des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) stellt Iris an der Heiden von der Agentur 2HM einige neue und zugespitzte Ergebnisse aus dem Gutachten zum Apothekenhonorar vor, das sie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums angefertigt hatte. Dabei geht sie auch auf die jüngere Debatte zum Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel und zur Apothekenhonorierung ein. Ihre Kernaussage: Das Rx-Versandverbot könnte die flächendeckende Versorgung nicht sichern, weil viele Apotheken ohnehin wirtschaftlich nicht zu retten seien.

Diese These war schon aus dem Gutachten bekannt und wird in der aktuellen Veröffentlichung weiter unterfüttert. Neu sind einige Anmerkungen zum Kombimodell. An der Heiden versucht, die Umstellung des Jahres 2004 als Paradigmenwechsel hin zur Kostendeckung umzudeuten. Dabei war die damalige politische Bedingung, dass die Umstellung ergebnisneutral erfolgen sollte. Die Gutachterin versucht mit ihrer Argumentation offenbar, die Kritik zurückzuweisen, das Gutachten missachte den Versorgungsauftrag der Apotheken.

Erneute „Entwarnung“ zum Versand

Wie schon im Gutachten moniert Iris an der Heiden auch in ihrem aktuellen Artikel, dass die Gewährleistung der flächendeckenden Versorgung mangels einer Legaldefinition nur schwer zu beschreiben sei. Es sei auch unabhängig vom Versand nicht zu beantworten, welchen Stellenwert 7.600 gefährdete Apothekenunternehmen für die Versorgung hätten.

Zum Versandhandel präsentiert sie einige neuere Daten. Demnach habe der Rx-Versand auch nach dem EuGH-Urteil nur in Maßen zugelegt. Daraus leitet an der Heiden keine Gefahren für die wohnortnahe Versorgung ab. Doch argumentiert sie, die Versender könnten Boni zahlen, weil die Preise für Fertigarzneimittel zu hoch und für Rezepturen und BtM zu niedrig seien. Darum sollten die Rezeptur- und Dokumentationszuschläge auf kostendeckende Beträge erhöht und die anderen Zuschläge gesenkt werden.

Gutachterin ignoriert Grundidee des Kombimodells

Doch dabei ignoriert sie die damalige politische Grundidee, die Voraussetzung für alle Berechnungen zum Kombimodell war: Es sollte eine ergebnisneutrale Umstellung für die Apotheken werden. Dies war die Voraussetzung für die ABDA, das Kombimodell aktiv zu unterstützen. Anders hätte das Modell nie im Konsens umgesetzt werden können. Damals ging es darum, die Apothekenhonorierung von den immer weiter steigenden Preisen der Arzneimittel abzukoppeln. Es ging aber gerade nicht darum, die Apotheken schlechter zu stellen.

Gutachterin weist Kritik zurück

Doch an der Heiden begründet mit ihrer Argumentation den kostenrechnerischen Ansatz des 2HM-Gutachtens. Zudem weist sie damit die Kritik zurück, dass das Gutachten den Versorgungsauftrag nicht angemessen berücksichtige. Stattdessen wirft sie den Kritikern „ein falsches Verständnis der Arzneimittelpreisverordnung, seiner gesetzlichen Grundlagen und seiner Berechnung“ vor. Was an der Heiden dabei verkennt: Zwar gab es 2004 einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Berechnungsmethode für die Arzneimittelpreise. Doch das sollte nicht bedeuten, dass bestimmte Kostenarten künftig nicht mehr über die Arzneimittelpreisverordnung honoriert werden sollten.

Strukturfonds für Landapotheken

Während ein Strukturfonds zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung im Gutachten noch eher als Option erscheint, setzt sich an der Heiden nun klar dafür ein. Mit etwa 100 Millionen Euro jährlich könne dafür gesorgt werden, dass alle ländlichen Apotheken mit Umsätzen bis 2 Millionen Euro einen Überschuss von jeweils 100.000 Euro erzielen. Dies sei zielgerichteter als ein Rx-Versandverbot. Dazu führt an der Heiden aus, der EuGH würde bei einem Rx-Versandverbot fragen, was neben dem Verbot getan worden sei, um die bereits gefährdeten Apotheken zu erhalten. „Findet man hier keine stichhaltige Antwort, wird der EuGH auch dieses Problem aufgreifen“, erwartet an der Heiden.

2HM und Krankenkassen argumentieren ähnlich

Bemerkenswerterweise erscheinen viele Parallelen in den Argumentationen der Gutachterin und der Krankenkassen. Letztlich geht es beiden darum, die Apotheken nur noch für die Kosten zu entschädigen, die unmittelbar aus der Abgabe der Arzneimittel entstehen. Das vom GKV-Spitzenverband beschlossene Positionspapier zum Apothekenmarkt hatte beispielsweise genau diese Grundaussage.

Die Infrastruktur müssten die Apotheken dann zu großen Teilen außerhalb der Solidargemeinschaft finanzieren. Die Honorierung würde auf das Maß bonigewährender Arzneimittelversender gedrückt, die mit geringeren Kosten und einem erfolgreichen OTC-Geschäft arbeiten oder aus strategischen Gründen mittelfristig auf Gewinne verzichten. Die ganze Argumentationsweise beginnend mit der Auslegung der Arzneimittelpreisverordnung erscheint letztlich wie eine Rechtfertigung für den Versand mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

Wenn die Vor-Ort-Apotheken aufgrund geringerer Vergütung ihre Leistungen einschränken müssten, wären die Vorteile des bestehenden Systems ohnehin nicht mehr aufrechtzuerhalten.

 



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Das schlägt dem Fass den Boden aus

von Realist am 21.09.2018 um 9:36 Uhr

Liebe Kollegen,

Was in diesem Zusammenhang an unreflektierten Gejammer in der Zunft stattfindet ist gelinde gesagt nur ein Ausdruck eines völlig übersättigten Marktes. Kein Mensch braucht 3 Apotheken auf 0,5 km2 in den Städten. Die Kleinstädte sind ebenfalls überversorgt.

Gute Nacht

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Zu Herrn Ströh

von Dr.Diefenbach am 30.07.2018 um 18:54 Uhr

Ich befürchte auch,dass Ihre Einschätzung weitgehend zutrifft.Ich bohre noch mal nach:Wie viele haben die Petition inzwischen abgezeichnet ??Letzte Woche hörte ich was von 34000.....Da gibt es wirklich einen dünnen Boden.Bei über 150 Tausend im Beruf.Peinlich.

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AW: Zu Herrn Ströh

von Heiko Barz am 31.07.2018 um 12:56 Uhr

Natürlich wären die 50000 Unterschriften einfachst zu erwarten. Leider ist die Kommunikationsebene, auf der Kollege Reimann diese Aktion gestartet hat, nicht von Allen benutzt. Wenn jeder Apotheker bereit wäre, seinen Mitarbeitern, auch deren berufspolitische und existenzielle Zukunft, mit der entsprechenden Dramatik zu erklären, dann hätten wir längst über 100000 Unterschriften.
Die Kammern könnten die Verbreitungsfunktion übernehmen. Da bekommen wir doch ständig auch unwichtige E-Mails, warum nicht auch mal in dieser Angelegenheit? Aber wollen die das? Wozu bezahlen (müssen) wir eigentlich unsere Kammerbeiträge, wenn die Einzelkammern ihre Zustimmung zu dem „Reimann-Verfahren“ unterdrücken, vielleicht mit der Pression von F.Schmidt, dessen indifferentes Stillhalteabkommen mit Spahn vielleicht Einiges erklärt.

Das grosse Schweigen

von Dr.Diefenbach am 30.07.2018 um 15:13 Uhr

WANN kommt endlich eine Reaktion zu diesem doch offenbar unsäglichen Gutachten von Seiten der ABDA-GF?Wann installiert man medienwirksam (!) die substanziellen Gegenargumente von Dr.Müller-Bohn,U.Hüsgen et alt.Das nutzt nichts,wenn das in der Fachpresse auftaucht-wir geben über 3 Mio Euro für PR aus.Wo ist diese hier?Unsere "Partner" in Kassen und Politik werden überschüttet mit Argumenten FÜR Rx,FÜR Preisfreigabe,FÜR die weitgehende Deregulierung.Und der Berufsstand?Das Statement von FS,wo bleibt die grosse Verbreitung?Wir hören NUR noch was über Preise,Logistik,Digitalistik usw.Über Wissenschaft redet keiner mehr.Merkt man in Berlin nicht,wie sich alle über das Papier 2030 freuten-weil es UNS beschäftigt.Bloss interessiert es nicht mehr besonders.Weil das Arzneimittel ,noch nicht gemerkt,immer weiter zu einer trivialen Ware herunterstilisiert wird.WO sind da Prof.Schulz und alle die anderen Fachleute?Die Valsartan Affäre-eine Steilvorlage für den Beruf.Die Ausputzer erledigen die Arbeit FÜR die Patienten,die Versager halten sich vornehm zurück.Oh,ABDA,erwache!!!-

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AW: Das grosse Schweigen

von Ulrich Ströh am 30.07.2018 um 18:32 Uhr

Lieber Herr Diefenbach,
alles richtig,was Sie anregen....!
Hat aber keinen Resonanzboden unter den Kollegen.

Wird sich vor der Expo auch nicht mehr ändern.
Und danach auch nicht...

2HM meldet sich wieder oder des Dramas nächster Akt:

von Heiko Barz am 30.07.2018 um 11:40 Uhr

Ich glaube, ich sitze im falschen Kino. Wem haben wir denn diese ständig abwärtsdrängenden Einkommen zu verdanken? War es nicht die Politik, und ich möchte diese, in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchenden Namen derer nicht wiederholen müssen, die, und das wird bei von Heiden nur tangentiel berührt, einen Paradigmenwechsel mit dem Ziel durchsetzen wollte, dass die Apotheken dabei ergebnisneutral bleiben sollten.
Und nun kommt die Ironie ins Spiel: „sonst hätte ABDA und Verbände diesem Umstand widersprochen“.
Wir sollten nicht vergessen, dass Ulla Schmidt und die Grünen damals schwere Geschütze (Fremd-und Mehrbesitz und Versandapotheken ) auffuhren, um die Apotheker in die Knie zu zwingen - was sie ja auch gegen alle Zukunftsbedenken ( der ValsartanKonflikt mach es mehr als deutlich) berufsvernichtend erreicht haben.
Dass nun gerade diese, auf die soziale Ethik abhebenden Politiker der gleichen Art wie schon damals, sich ausländischen Großkapitalisten an die Hand geben, um das Arzneimittelwesen in Grund und Boden zu stampfen, ist logisch nicht mehr nachvollziehbar. Und dass diese Politiker jetzt den Wirtschafts-Darwinismus entdeckt haben: nur der Stärkste überlebt! Zeigt, was diese Leute in ihrem Geiz-und Sparrausch uns noch überstülpen werden.
Verwunderlich ist auch, dass RXVV und Honorardiskussion dauernd in einem Gedankenstrom benannt und auch beschrieben werden. Das Eine wie auch das Andere ist eine von einander unabhängige Verhandlungsbasis.

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