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Abschaffen oder beibehalten?
Lunapharm-Skandal entfacht Konflikt um Reimportquote neu
Der Skandal rund um die vermeintlich gestohlenen Krebsarzneimittel aus Griechenland hat den Streit um die Reimportquote erneut angeheizt. Wie schon seit Jahren fordern die Apotheker und die AOK Baden-Württemberg in seltener Eintracht und deutlichen Worten die Abschaffung der 5-Prozent-Quote. Auf der anderen Seite stehen die Reimporteure, die insbesondere DAV-Chef Fritz Becker attackieren und ihm „Trumpsches“ Argumentieren vorwerfen.
Es gibt wohl keinen Streit in der Arzneimittelpolitik, der sich schon seit so vielen Jahren hinzieht und immer mal wieder aufflammt wie der um die Zukunft der Reimportquote. Zur Erinnerung: Nach § 129 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in Verbindung mit dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung sind alle Apotheken in Deutschland verpflichtet, mindestens 5 Prozent ihres Fertigarzneimittelumsatzes mit Importen zu bestreiten. Für die Quote zählen nur Importe, die entweder 15 Prozent oder 15 Euro billiger als das heimische Originalpräparat sind.
Der Skandal rund um die mutmaßlich gestohlenen Krebsmedikamente, die hierzulande über den Händler Lunapharm vertrieben wurden, hat diese Debatte wieder entfacht. Schon am gestrigen Dienstag meldete sich DAV-Chef Fritz Becker in einer Mitteilung zu Wort und forderte die Abschaffung der Quote. Aus Sicht der Apotheker schafft die Quote unnötig viel Bürokratie und führt zu Einsparungen, die – im Vergleich zum Aufwand – mit 120 Millionen Euro recht gering seien. Becker sieht auch Sicherheitsrisiken, die mit der Quote verbunden sind. So sagte der DAV-Chef: „Leider sind Chargenrückrufe bei Importarzneimitteln keine Einzelfälle. Lange und grenzüberschreitende Lieferketten erhöhen das Risiko für das Einschleusen von gestohlenen und gefälschten Medikamenten.“
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Während Becker und Dr. Christopher Hermann, Chef der AOK-Baden-Württemberg, in Sachen Arzneimittelpolitik eigentlich nie einer Meinung sind, stimmen sie in dieser Sache überein: Gegenüber DAZ.online erklärte AOK-Chef Hermann am heutigen Mittwoch erneut, dass er die Abschaffung der Reimportquote vehement einfordere. Laut Hermann ist es beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass es in anderen europäischen Ländern aufgrund der Quote zu Lieferengpässen bei wichtigen Arzneimitteln kommt. „Die gesetzlichen Krankenkassen versorgen in Deutschland rund 72 Millionen Menschen. Wird deren Arzneimittelbedarf auch durch Importe aus anderen EU-Ländern gedeckt, liegt nahe, dass dies zulasten der Versorgung der Menschen in anderen Ländern mit niedrigeren Arzneimittelpreisen geht“, so der Kassenchef.
Auch was die Arzneimittelsicherheit betrifft, gibt Hermann dem Apotheker Becker Recht. Auf die Frage, ob durch die Quote ein Risiko bestehe, dass gefälschte, gestohlene oder falsch umgepackte Medikamente nach Deutschland gelangen, verweist der Kassenchef auf den Lunapharm-Skandal und sagt: „Insofern ist es durchaus denkbar, dass auch die Importquote ein Einfallstor für gefälschte Arzneimittel ist.“ Was die Einsparquoten betrifft, relativiert Hermann die Bedeutung der Reimportquote. Seine AOK habe im vergangenen Jahr „ganze 7 Millionen Euro weniger für Arzneimittel ausgegeben“, während man durch die Rabattverträge fast 230 Millionen Euro eingespart habe.
Insgesamt lässt Hermann kein gutes Haar an der Importregelung: „Bürokratiemonster aus der planwirtschaftlichen Steinzeit der Arzneimittelausgabensteuerung in der GKV müssen im 21. Jahrhundert endgültig ausgemustert werden.“ Zum Zeitpunkt ihrer Einführung habe es keinen Wettbewerb bei den Arzneimittelpreisen gegeben, jetzt gebe es die Rabattverträge, deswegen gehöre die Quote abgeschafft. In Richtung Apotheker signalisiert Hermann nochmals deutlich, welche Vorteile eine Streichung für sie hätte: „Sie müssen zunächst prüfen, ob ein Importarzneimittel, das die Anforderungen der Quote erfüllt, überhaupt verfügbar ist. Andernfalls muss die Apotheke dies auf dem Rezept kenntlich machen, um keinen Malus zu riskieren. Zudem muss die Importquote für jede einzelne Krankenkasse erfüllt werden. Im Sinne der Versorgungsqualität sollten die Apotheker diese Zeit viel eher in die Beratung der Patientinnen und Patienten investieren können.“
5 Kommentare
reimport
von Renate Mitterhofer am 06.08.2018 um 14:55 Uhr
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Lunapharm
von Gunter Kowalski am 26.07.2018 um 11:44 Uhr
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Importquoten, was nun?
von Heiko Barz am 26.07.2018 um 11:19 Uhr
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Meinungsumfrage
von Ulrich Ströh am 25.07.2018 um 17:54 Uhr
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seltene Einigkeit
von Jörg Geller am 25.07.2018 um 17:01 Uhr
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