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Interview mit Securpharm-Vorstandssprecher Reinhard Hoferichter
„Bei nicht serialisierter Ware sind alle Fälschungsschutzsysteme wirkungslos“
Ein deutsch-griechischer Arzneimittelskandal sorgt für Schlagzeilen. Das Brandenburger Gesundheitsministerium hat den Rückruf von Arzneimitteln veranlasst, die der Pharmahändler Lunapharm in Deutschland in den Verkehr gebracht hat. Sie sollen Diebesgut aus griechischen Kliniken sein. Wie sieht man diesen Fall bei Securpharm, der Organisation, die das deutsche System zur Echtheitsprüfung von Arzneimitteln aufbaut? DAZ.online hat bei Dr. Reinhard Hoferichter, dem Vorstandssprecher von Securpharm, nachgefragt.
Ein Bericht des ARD-Magazins Kontraste hat kürzlich über zwielichtige Arzneimittelgeschäfte berichtet: Aus griechischen Kliniken gestohlene Krebsmedikamente sollen über nicht ordnungsgemäße Lieferwege beim brandenburgischen Groß- und Parallelhändler Lunapharm gelandet sein – und letztlich auch in deutschen Apotheken, bei Ärzten und bei Patienten. Vieles ist noch im Dunklen, das Brandenburger Gesundheitsministerium steht unter Druck. Mittlerweile hat es Versäumnisse eingeräumt und einen Rückruf angeordnet.
DAZ.online berichtete, dass wohl auch die neuen EU-Regelungen zum Fälschungsschutz in diesem Fall nicht weitergeholfen hätten. Doch wie sieht man das bei Securpharm, der Organisation, die das deutsche System zur Echtheitsprüfung von Arzneimitteln aufbaut? Wir haben bei Dr. Reinhard Hoferichter, dem Vorstandssprecher von Securpharm nachgefragt.
DAZ.online: Herr Hoferichter, was ist das Besondere am aktuellen Fall der mutmaßlich aus griechischen Kliniken gestohlenen Arzneimittel?
Hoferichter: Es handelt sich nicht um einen klassischen Fälschungsfall, sondern um eine weitere Variante von Arzneimittelkriminalität. In den Jahren 2014/2015 gab es bereits ähnliche Fälle in Italien, die ihren Ausgangspunkt in den dortigen Kliniken hatten. Das kriminelle Geschäftsmodell läuft wie folgt ab: Es beginnt mit dem Diebstahl zumeist teurer und häufig temperatursensibler Arzneimittel – entweder auf dem Weg vom Hersteller zu seinem Kunden oder direkt beim Kunden. Da die für diese kriminellen Machenschaften „interessanten“ Medikamente überwiegend im stationären Bereich eingesetzt werden, wird vorzugsweise aus Kliniken gestohlen. Auf dem weiteren Weg der Ware spielen produktspezifische Transport- und Lagervorschriften dann keine Rolle mehr. Dennoch wird die Ware an anderer Stelle in Europa wieder in den Verkehr gebracht – zumeist über Unternehmen im Besitz einer Großhandelslizenz. Der politisch gewünschte freie Warenverkehr in der EU sorgt dafür, dass Ware in griechischer und oder italienischer Aufmachung in jedem EU-Mitgliedstaat auf Großhandelsebene verkehrsfähig ist. Unzulässig ist nur die Abgabe von Packungen in ausländischer Aufmachung in Apotheken und die Verwendung im Krankenhaus. Doch Unternehmen, die auch eine Herstellerlaubnis haben, können diese dann zu verkehrsfähiger Importware in nationaler Aufmachung umpacken.
Die oben beschriebene Spielart der Arzneimittelkriminalität verursacht nicht nur erheblichen wirtschaftlichen Schaden, sondern kann auch zu einer Gefährdung von Patienten führen. Nämlich dann, wenn die gestohlenen Arzneimittel ihre Wirksamkeit teilweise oder vollständig verlieren, weil sie unsachgemäß transportiert und/oder gelagert werden.
Fälschungsschutz ist auch für Kliniken wichtig
DAZ.online: Ist das ein Alarmsignal für Krankenhäuser?
Hoferichter: Der Fall macht deutlich, wie wichtig es ist, den neuen Fälschungsschutzes gerade im Krankenhausbereich einzuführen. Krankenhäuser laufen weniger Gefahr, gefälschte Ware einzukaufen – sie können aber durch Diebstahl teurer Medikamente von der Station und aus der Apotheke betroffen sein. Dieses Problem wird mit der Einführung serialisierter Ware mit der Möglichkeit, einzelne Packungen zu identifizieren und ggf. in den nationalen Verifizierungssystemen als „gestohlen“ zu markieren, jedoch deutlich entschärft. Zusätzliche Sicherheit bietet eine frühzeitige „Ausbuchung der Krankenhausware“, z.B. bei Wareneingang.
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DAZ.online: Warum?
Hoferichter: Bereits ausgebuchte Packungen sind für Kriminelle weit weniger attraktiv, da diese beim erneuten Verifizierungs- oder Ausbuchungsversuch durch einen Besitzer sofort einen Alarm auslösen würden. Selbst bei einer Umarbeitung zu in Deutschland verkehrsfähiger Importware müsste ein Unternehmen vor dem erneuten Inverkehrbringen die alten Seriennummern ausbuchen und durch neue, die in die Datenbanken hochzuladen sind, ersetzen. Durch die Protokollierungspflicht dieser Tätigkeiten einerseits und den offiziellen Hochladevorgang andererseits hinterlässt ein solcher Vorgang eine massive Datenspur, die so gut wie nicht zu fälschen ist, nachvollzogen werden kann und damit extrem abschreckend wirkt.
Securpharm wirkt erst, wenn es nur noch serialisierte Ware gibt
DAZ.online: Hätte Securpharm den aktuellen Fall also verhindert?
Hoferichter: Die Antwort muss lauten: ja und nein. Nein, weil alle nationalen Fälschungsschutzsysteme wie Securpharm in Deutschland naturgemäß wirkungslos sind bei nicht serialisierter Ware. Denn dann ist es nicht möglich, einzelne Packungen zu identifizieren und gegebenenfalls zu sperren. Da im aktuellen griechischen Fall und auch 2014/2015 in Italien keine serialisierte Ware im Spiel war, wären demzufolge die nationalen Verifizierungssysteme machtlos gewesen.
Ein prinzipielles „Ja“ ist ebenfalls eine richtige Antwort, weil das am 9. Februar 2019 europaweit in Betrieb gehende Fälschungsschutznetzwerk die Identifizierung und Sperrung einzelner Packungen möglich macht und damit dem oben geschilderten kriminellen Geschäftsmodell mit gestohlener Ware einen wirksamen Riegel vorschiebt. Voraussetzung für diesen wirksamen Schutz ist aber die flächendeckende und ausschließliche Verwendung serialiserter Ware in allen Märkten Europas. Ein Ja ohne Einschränkungen gilt also erst ab dem Zeitpunkt, an dem in Europa ausschließlich serialisierte Ware im Markt ist.
DAZ.online: Wie lange werden wir noch nicht serialisierte Ware im Markt haben?
Hoferichter: Zum Stichtag 9. Februar 2019 wird das europäische Fälschungssystem scharf geschaltet. Ab diesem Zeitpunkt dürfen die Hersteller nur noch mit den neuen Sicherheitsmerkmalen ausgestattete Ware in Verkehr bringen. Um in der Phase der Marktumstellung auf serialiserte Ware die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, hat sich der Gesetzgeber unter sorgfältiger Abwägung der Risiken entschieden, zum Stichtag im Markt befindliche, nicht serialisierte Ware ohne Sicherheitsmerkmale bis zum Ende der Laufzeit verkehrsfähig zu belassen. Diese sogenannte Bestandsware wird für maximal fünf Jahre, also bis Anfang 2024, in den Märkten Europas vorhanden sein. In Griechenland und Italien sogar noch bis voraussichtlich 2030, da der EU-Gesetzgeber diesen Ländern eine zusätzliche, sechsjährige Frist für die Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie eingeräumt hat. Bis dahin müssen wir also mit einem „systembedingten Restrisiko “ leben, dass wir Fälschungen und andere Fälle von Arzneimittelkriminalität in den legalen Vertriebswegen auch nach dem Praxisstart der europäischen Fälschungsschutzrichtlinie am 9. Februar 2019 noch für einige Jahre sehen könnten. Ein Systemversagen von Securpharm oder des europäischen Fälschungsschutznetzwerkes wäre dies aber nicht.
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