Apothekerkammer Hamburg

Siemsen vergleicht ABDA mit Würgeschlangen

Hamburg - 27.06.2018, 10:00 Uhr

Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen kommt beim Anblick der Würgeschlangen im Tierpark Hagenbeck die ABDA in den Sinn. (Foto: tmb)

Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen kommt beim Anblick der Würgeschlangen im Tierpark Hagenbeck die ABDA in den Sinn. (Foto: tmb)


Scharfe Töne gegen die ABDA schlug Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen bei der Kammerversammlung am gestrigen Dienstag an: Er verglich die oberste Standesorganisation mit Würgeschlangen. Zudem kündigte er an, dass seine Kammer bei der ABDA-Mitgliederversammlung am Donnerstag gegen den vorgelegten Haushaltsentwurf stimmen werde.

Beim Anblick der Würgeschlangen im Tierpark Hagenbeck kommt dem Hamburger Kammerpräsidenten Kai-Peter Siemsen die ABDA in den Sinn. Warum? „Wir hören nichts, es ist völlig ruhig, keine Regung ist zu erkennen. Sie verschlingt jährlich 361.000 Euro - das ist ein Drittel unseres gesamten Haushalts (gemeint sind der Haushalt und der ABDA-Beitrag der Apothekerkammer Hamburg, der Berichterstatter), um sich dann jährlich um drei bis fünf Mitarbeiter zu vermehren“, erläuterte Siemsen.

Ähnlich beschrieb er die Würgeschlangen: „Sie liegen die meiste Zeit stumm und regungslos rum, alle paar Wochen verschlingen sie riesige Mengen Nahrung, in dem sie zuvor dem Opfer die Luft und den Kreislauf abschnüren. Dann liegen sie wieder völlig ruhig rum, bis sie sich vielleicht vermehren“, berichtete Siemsen aus dem Zoo. Siemsen äußerte sich dazu in seinem Bericht bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Hamburg am gestrigen Dienstagabend. Dort verschärfte er die Kritik, die schon in anderen Kammern angeklungen war, weiter. Er kritisierte sowohl das Schweigen zur jüngsten politischen Entwicklung als auch den seit Jahren immer weiter steigenden ABDA-Haushalt.

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Kritik an Schweigen der ABDA

Zur ABDA erklärte Siemsen: „Die aktuellen Themen der Gesundheitspolitik oder die gesellschaftlichen Herausforderungen an die Gesundheitsberufe werden nicht reflektiert oder mit eigenen Konzepten belegt, jedenfalls nicht öffentlich, aber auch nicht im Gesamtvorstand.“ Zu den Gesprächen mit Minister Spahn erklärte Siemsen, Spahn kündige an, sich um seine Aufgaben kümmern zu wollen. Die ABDA wolle dies nicht durch öffentliche Forderungen und Kommentierungen stören, ergänzte Siemsen ironisch. Doch mit einer solchen Vorgehensweise seien die Apotheker in den letzten Jahren nicht erfolgreich gewesen, erklärte Siemsen und ergänzte: „Unser Präsidialsystem ist leider nicht bereit, effektive Selbstreflektion zu betreiben.“ „Hinterzimmerdiplomatie mag in bestimmten Fällen sinnvoll und angemessen sein“, aber sie müsse am Ende Erfolge liefern und die würden fehlen, erklärte Siemsen.

Wertschätzung für Apotheker fehlt

„Seit geraumer Zeit nehmen wir Apotheker nicht mehr an der wirtschaftlichen Entwicklung im Gesundheitswesen teil“, sagte Siemsen. Die Ärzte dagegen würden bei einer Forderung nach längeren Praxisöffnungszeiten reflexartig mehr Honorar einfordern. Außerdem beklagte Siemsen die „Qual mit all den bürokratischen Herausforderungen“. Dazu zitierte er den Facebook-Post eines Apothekers, der zahlreiche bürokratische Hindernisse des Apothekenalltags beschreibt. Er könne verstehen, dass die Kollegen sich darüber ärgern, erklärte Siemsen. Neben der fehlenden Zeit sei dafür die fehlende Wertschätzung entscheidend. Das gängige Symbol dieser Wertschätzung sei das Geld. Doch die Apotheker würden die vielen, auch neuen Arbeiten aus dem Honorar in der Höhe wie vor 15 Jahren erbringen. „Das ist keine Wertschätzung“, folgerte Siemsen. Zudem sei es für ihn unverständlich, warum die ABDA immer wieder mit Durchschnittszahlen argumentiere, obwohl ein Großteil der Apotheken kaum noch überlebensfähig sei.

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Stimme gegen ABDA-Haushaltsentwurf

Siemsen äußerte nicht nur Kritik an der ABDA und an den politischen Ergebnissen für die Apotheker, sondern er kündigte auch eine Reaktion an. Er erklärte, die Apothekerkammer Hamburg werde bei der ABDA-Mitgliederversammlung am Donnerstag gegen den vorliegenden Haushaltsentwurf stimmen. Siemsen beklagte, der Haushalt der ABDA steige von Jahr zu Jahr. Zu jeder neuen Stelle werde ausführlich beschrieben, was alles ohne diese Stelle nicht mehr möglich sein werde. Dabei würden „wahre Weltuntergangsszenarien“ gezeichnet. Für Geschäftsbereiche in durchschnittlicher Apothekengröße gebe es nicht nur eine Geschäftsführung, sondern auch eine Abteilungsleitung.


„Zu hohe Kosten, zu wenig Output“

In der Vergangenheit hätten die Mitgliedsorganisationen die Haushalte bis auf wenige Gegenstimmen genehmigt, obwohl er als Vorsitzender des Haushaltsausschusses mit seinen Mitstreitern auf verschiedene Missstände hingewiesen und Transparenz gefordert habe. Doch „der Widerstand in den Ländern wächst“, erklärte Siemsen und führte weiter aus: „Viele Kammern sind nicht mehr willens, diesen Selbstbedienungsladen so zu finanzieren“. Der neue Haushaltsentwurf sehe erstmals lineare Beitragssteigerungen von 3,48 Prozent vor. Im Mai habe der Gesamtvorstand den Entwurf mit einer Gegenstimme der Kammer Hamburg zustimmend zur Kenntnis genommen.  

Nun mehre sich in Kammerversammlungen Widerstand gegen die Pläne. Auch der Hamburger Kammervorstand habe seine ablehnende Haltung bekräftigt. „Der Vorstand ist der festen Überzeugung, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht ausgeglichen ist. Zu viele Mitarbeiter, zu hohe Kosten, zu wenig zählbarer Output“, fasste Siemsen zusammen. In Zeiten, in denen die Mehrheit der Apotheken den Gürtel immer engen schnallen müsse, sei es nicht mehr zu vermitteln, „so viel Geld für suboptimale Ergebnisse zu zahlen“, erklärte Siemsen. 

Zudem machte Siemsen auf die Petition des Apothekers Christian Redmann für das Rx-Versandverbot aufmerksam. Die Klarstellung der ABDA, Petitionen seien kein Mittel der Lobbyarbeit, sei für die Petition sogar förderlich, argumentierte Siemsen. Denn Petitionen würden im Petitionsausschuss nicht behandelt, wenn sie durch Verbände oder Institutionen initiiert worden seien.

Die Kammerversammlung, die in Hamburg eine Vollversammlung aller Kammermitglieder ist, diskutierte die Äußerungen Siemsens nicht weiter. Nach seiner Rede wurde nur kurz über den elektronischen Heilberufeausweis gesprochen. Möglicherweise lag dies an der fortgerückten Zeit. Denn vor Siemsens Bericht hatte Christian Krüger, Geschäftsführer der Netzgesellschaft Deutscher Apotheker, ausführlich über SecurPharm informiert. 



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Paradox

von Reinhard Rodiger am 28.06.2018 um 13:10 Uhr

Es ist schon paradox, dass diejenigen sich während des geistlosen Leerlaufs der Ereignisse oder deren Vermeidung melden, auch die sind,die diesen selbstquälerischen Gang geschaffen haben.Der selbstgeschaffene Abstand zur Arbeit-und -Ausbildungswirklichkeit verlangt nach drastischer Verringerung.
Eine Führung, die fast selbstverständlich mehr als die Hälfte ihrer zu vertretenden Klientel völlig vergisst, muss in Frage gestellt werden.Auch durch Fragen.
Doppelt paradox ist es,dankbar sein zu müssen, wenn es die tun, die den Zustand massgeblich mitbestimmt haben.

Hier ist Glaubwürdigkeit nach innen und aussen gefragt. Es geht um den fassbaren Nachweis, aus der Fehlsteuerung gelernt zu haben.Das bedeutet vor allem Konzentration auf das Versäumte und selbst induzierte.
Ganz vorn steht eine Klimaveränderung zu konstruktiver, entwicklungsfreudiger, achtungsvoller Atmosphäre.
Wie kann das inquisitorisch-quälerische,verantwortungsscheue, stagnierende Element beseitigt werden? Durch Offenheit , Transparenz und Abbau der internen Instrumentalisierung.
Versäumt wurde die schlagkräftige Aussenvertretung mit wirtschaftlicher Verantwortung.Dafür gibt es niemand.

Es ist zum hoffen, dass die Kumulation von offenen Fragen die Lernfähigkeit beschleunigt.Über das Verdrängte reden.
Entlasten.Besser kommunizieren.Verantwortung neu entdecken.


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"Warten auf die Politik!"

von Christian Giese am 27.06.2018 um 14:22 Uhr

Sehr gut Herr Siemsen !

Zahlen sind ohnmächtig, da kann man diskutieren, in welche Richtung auch immer, nichts ist glaubhaft, nichts überzeugt.
Aber überzeugend ist diese bildliche Metapher der Würgeschlange in politischer Entwicklung und Perspektive unseres noch "Freien Berufes".
Eine offensichtlich reine Verwaltungsinstitution wie die ABDA, die jegliche politisch öffentliche Positionsbestimmung, zu welchem Thema auch immer, meidet, schlicht abwürgt und verschweigt, kommt dem Bild einer Würgeschlange sehr nahe,
Wenn FS permanent sein "Warten auf die Politik!" unterbreitet, würgt er von vornherein jegliche aktivere, politische Initiative unsererseits ab.
Wir sind ein abgewürgter, wenig mehr Freier Schweigeberuf geworden.
Und das ist nicht gut!

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Herrn Siemsen

von Dr.Duefenbach am 27.06.2018 um 12:06 Uhr

Der Kollege trat doch vor einiger Zeit erst kandidatentechnisch gegen FS an,dann folgte nach ähnlich massiven Verbalschlägen schnell der Rückzug.Man fragt sich halt schon,ob diese Stürme im Wasserglas dem persönlichen Machterhalt (hier Hamburg) dienen.Oder was soll das??In der Sache hat Herr Siemsen sicher etlichen aus der Seele gesprochen aber dann muss er auch für einen Spitzenjob in Berlin antreten und nicht ,auch ein wenig schlangentechnisch(soweit möglich),schnell verschwinden,wenn Wahlen anstehen.Jetzt bin ich mal gespannt wie viele wirklich gegen den neuen Haushalt,den ich ja auch in der vorliegenden Form nicht akzeptabel finde,stimmen.Und ich bin auf Herrn Siemsens Würgegriff gegen das Podium beim Apotag gespannt.

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ABDA aufs Abstellgleis'/FS oder KPS als Arbeitgeberpräsident

von Wolfgang Müller am 27.06.2018 um 11:40 Uhr

Die aktuelle berufspolitische Diskussion entscheidet, ob normale Apotheken weiter überleben können. Was Rx-Festpreise betrifft, und generell: das zukünftige „Honorierungs-Modell“. Dazu höre ich aber fast nur von "Kammern", von "Kammerpräsident/innen", oder eben: "Der ABDA". Ganz selten mal ein Einstreusel von Fritz Becker, na gut ......

Die profiliertesten und energischsten, charismatischsten und smartesten Persönlichkeiten unseres Berufs - egal, ob man ihrer Meinung ist oder sie schrecklich findet, das spielt hier keine Rolle - leiten meist KAMMERN, keine Verbände. Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Auch FS ist doch wohl einmal Kammer-Vorsitzender gewesen.

Werden die Interessen der Metallverarbeitenden Industrie vertreten, tut dies der legendäre Arbeitgeberverband "Gesamtmetall". Für Tarifstreitigkeiten gibt es dann noch die sehr starke IG Metall für die Arbeitnehmer. So ist es überall. Nur wir haben absolut keinen selbständigen, irgendwie überhaupt relevanten Arbeitgeberverband. Der z. B. auch wie selbstverständlich gegen idiotische ApoBetrO-Novellen und ihre aggressive Interpretation rechtzeitig die richtigen, direkt klarstellenden Worte finden müsste. Oder auch (wie gerade gestern) SOFORT gegen jede Kammer-getriebene zünftische Regulierungs-Machtorgie: "Freundchen, so nicht".

Das wurde bisher ALLES durch das einmalige Friede-Freude-Eierkuchen-Konstrukt ABDA zugekleistert, psychosozial unmöglich gemacht. Es ist wahr, die beste Lösung wäre: Weg mit der ABDA.

Höchstens könnte man ihr noch ein Überleben als regelmäßig tagendes Abstimmungs-Gremium einrichten, G34 halt. Oder "Pharmazeutische Elefantentenrunde", genau das ist sie doch sowieso.

Wir werden nämlich erst wirkmächtig die Interessen normaler Apotheken vertreten bekommen, wenn diese profilierten Persönlichkeiten wie Schmidt, Linz, Overwiening, Siemsen, Engelen, Belgardt usw. nicht mehr lieber Kammer-Präsident/innen (Zunft-Zuchtmeister/innen, eben) und dann noch ABDA-Präsident/innen werden wollen, sondern smarte und - wenn nötig - auch harte Arbeitgeber-Präsident/innen.

Mir erscheint es so, als wenn bestimmte ungesunde Kollegen-drangsalierende und heilig pharmazeutischen Blödsinn fordernde Auswüchse dieser Kolleg/innen erst durch enge und bauchpinselnde, privilegierende Einbindung in "Kammer-Arbeit" entstehen. Weil Kammern per se letztlich ja doch vor allem auch beaufsichtigend und leider oft auch anmaßend erzieherisch sind, und dort Charaktere entsprechend geformt werden können. Dann kommt noch die stark universitäre und sogar auch kommerziell Fachbuch-orientierte Charakteristik der ABDA oben drüber dazu. Ja was soll denn da schon für normale Apotheken an Interessenvertretung bei raus kommen???

Ich hätte gerne einen Kammer-unverdorbenen FS oder auch einen KPS an der Spitze eines Apotheker-Arbeitgeberverbandes, das müsste dann aber eben der mit Abstand prestigeträchtigste und bestdotierte Posten in unserer Berufspolitik sein. Mit ihren normalen bis etwas größeren Apotheken, mit Leidenschaft für die Erhaltung der traditionellen Flächendeckung inkl. Filialisierungs-Erleichterung ohne Wenn und Aber. Und mit einem klaren Bekenntnis zum Regulierungs-ABBAU, damit wir vor Ort bestens mit „Dem Versand“ konkurrieren können. Und selbstverständlich ja, auch mit leidenschaftlichem Bekenntnis zu „Neuen Pharmazeutischen Dienstleistungen“, aber ohne Selektivverträge und zu Bedingungen, die ein Mittun eben auch normal ausgestatteten Apotheken ermöglichen.

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Siemsen

von Michael Zeimke am 27.06.2018 um 10:12 Uhr

Klare Kante aus dem Norden.Wir sollten der ABDA kein leistungsloses Einkommen verschaffen.

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