Infektionen durch Zecken

Lyme-Borreliose erkennen und behandeln

Stuttgart - 19.06.2018, 17:40 Uhr

Erythema migrans beziehungsweise die Wanderröte sind die häufigsten Symptome einer Lyme-Borreliose. (Foto: imago)

Erythema migrans beziehungsweise die Wanderröte sind die häufigsten Symptome einer Lyme-Borreliose. (Foto: imago)


Sind Borrelieninfektionen nach Zeckenstich die Regel oder eher die Ausnahme? Macht eine prophylaktische Doxycyclin-Gabe eigentlich Sinn und wie weit ist die Entwicklung eines Borrelien-Impfstoffes? Und wissen Sie, woher der Name Lyme-Borreliose stammt? DAZ.online hat sich die durch Zecken-übertragene Infektion angeschaut.

„Die Lyme-Borreliose (Synonym: Borreliose, Lyme-Krankheit, Lyme Disease) ist eine Krankheit, die durch eine Infektion mit Bakterien der Art Borrelia burgdorferi (Borrelien) verursacht wird“, definiert das Robert-Koch-Institut (RKI). Übertragen wird sie durch Zecken, eine Ansteckung der bakteriellen Infektion von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Die klinische Manifestation einer Lyme-Borreliose trifft vor allem die Haut, die Gelenke und das Nervensystem.

Woher stammt der Name Lyme-Borreliose?

Namensgebend für die Erkrankung Lyme-Borreliose waren zwei Faktoren. So wurde im US-amerikanischen Ort Lyme (Connecticut) in den 1970-er Jahren erstmals das Auftreten von Gelenkentzündungen im Zusammenhang mit Zeckenstichen beschrieben. Die Erregerfamilie Borrelia lässt ihren Namen auf den französischen Forscher Amédée Borrel zurückführen. Borrelia burgdorferi, der Erreger hinter der Lyme-Borreliose geht auf Willy Burgdorfer zurück, dem es erstmals gelang, das Bakterium zu isolieren (1982).

Je nach Risikogebiet tragen bis zu 30 Prozent der Zecken in Deutschland Borrelien. Borrelien-Infektionen lassen sich jedoch bei deutlich weniger Patienten nachweisen. Laut RKI tragen 2,6 bis 5,6 Prozent der Zeckengestochenen Antikörper, nur 0,3 bis 1,4 Prozent erkrankt und zeigt tatsächlich Krankheitssymptome einer Borreliose. Die absoluten Zahlen für Borrelien-Infektionen in Deutschland schwanken sehr und liegen jährlich zwischen 60.000 bis 200.000 Lyme-Borreliose-Fällen.

Welche Krankheitssymptome zeigt eine Borrelien-Infektion?

Die Krankheitssymptome sind – abgesehen von der möglicherweise auftretenden Wanderröte, dem sogenannten Erythema migrans – wenig spezifisch. Das RKI beschreibt „allgemeine Krankheitssymptome wie Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen, Müdigkeit“. Am häufigsten manifestiert sich eine Lyme-Borreliose tatsächlich als Erythema migrans (95,4 Prozent), nur bei 3,3 Prozent tritt eine akute Neuroborreliose auf. Kinder haben offenbar eine höhere Prävalenz für die Entwicklung einer Neuroborreliose als Erwachsene, was auf häufigere Zeckenstiche im Kopfbereich zurückgeführt wird.

Erythema migrans und Neuroborreliose

Das Erythema migrans zeigt sich typischerweise mit einer Latenz von drei Tagen bis mehreren Wochen nach Zeckenstich. Im Zentrum des Erythems lässt sich häufig die Zeckeneinstichstelle erkennen, der Richtwert für die Größe eines Erythema migrans‘ liegt bei fünf Zentimetern. Regelhaft breitet sich das Erythem zentrifugal um die Einstichstelle aus, es ist nicht erhaben und randbetont. Ohne antibiotische Therapie können Borrelien über Jahre in der Haut persistieren und sich auch in weiteren Organen manifestieren. Nach mehreren Wochen Persistenz spricht man von einem Erythema chronicum migrans. Allerdings kann das Erythem auch unbehandelt abklingen, „eine Spontanheilung ist möglich“, schreibt die Leitlinie zur Kutanen Lyme-Borreliose.

Teilweise weichen die beobachteten Erythema stark von den klassischen Symptomen ab, sprich: nicht randbetont, keine sichtbare Zeckeneinstichstelle und unregelmäßig fleckig. Die Heterogenität im phänotypischen Erscheinungsbild erschwert eine korrekte Diagnosestellung.

Fazialisparese bildet sich meist zurück

Dem frühen lokalisierten Stadium kann sich Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich eine akute Neuroborreliose anschließen. Ein Erythema migrans lag zuvor nur bei 25 bis 50 Prozent der Neuroborreliose-Fälle vor. Eine akute Neuroborreliose kann das Nervensystem, die Gelenke und das Herz betreffen. Typische Manifestationen sind eine schmerzhafte Meningopolyradikulitis (Entzündung der Nervenwurzel) spinaler Nerven in Verbindung mit einer einseitigen oder beidseitigen Fazialisparese (Bannwarth-Syndrom).

Eine Neuroborreliose kann bis auf den Nervus olfactorius alle Hirnnerven beeinträchtigen, in 80 Prozent der Hirnbeteiligungen ist der Nervus facialis betroffen, wobei sich in den meisten Fällen eine Fazialisparese innerhalb von ein bis zwei Monaten zurückbildet. Residuen oder Synkinesien (Bewegungsstörung mit unwillkürlicher Beteilung bestimmter Muskelgruppen) persistieren in 5 bis 10 Prozent der Fälle.

Von späten oder chronischen Manifestationen spricht man, wenn zwischen Zeckenstich und Symptomauftritt Monate bis Jahre liegen. Chronische Manifestationen sind selten und treffen vermutlich weniger als 2 Prozent der Fälle. Typische Manifestation sind Enzephalomyelitis mit spastisch-ataktischer Gangstörung und Blasenstörung.

Impfung gegen Borrelien …

Eine Vakzine gegen Borrelien gibt es derzeit nicht. Bis vor einigen Jahren gab es in den Vereinigten Staaten einen monovalenten Schutz gegen Borrelia burgdorferi sensu strictu, der allerdings 2002 vom Markt genommen wurde. Für Europa würde sich diese Impfung ohnehin nicht eignen, da hierzulande vor allem Infektionen mit Borrelia afzelli und Borrelia garinii dominieren.

Laut der 2018 veröffentlichten Neuroborreliose-Leitlinie ist eine polyvalente OspA-Impfung (OspA = outer surface protein A) für Europa derzeit in Entwicklung, die Zulassung jedoch nicht absehbar. Wegen der Heterogenität der Stämme gilt die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes für Europa als schwierig.

Erreger der Lyme-Borreliose

Die Erreger der Lyme-Erkrankung, Lyme-Borreliose oder Lyme-Disease sind Borrelien. Die Gattung der Borrelien zählt zu den Spirochäten, einer gramnegativen Bakterienfamilie. Borrelien sind schraubenförmig und bewegen sich durch Flagellen beziehungsweise Geißeln an der Oberfläche fort. Die Bakterien besitzen eine Zellwand. In den Vereinigten Staaten ist Borrelia burgdorferi sensu stricto (sensu stricto = im engeren Sinne) am häufigsten, in Europa dominieren Borrelia afzelli, Borrelia bavariensis und Borellia garinii. Borrelia afzelli zeigen eine deutliche Prävalenz bei Hautinfektionen, bei Liquorisolaten finden sich Borrelia afzelli, Borrelia bavariensis und Borellia garinii mit gleicher Häufigkeit. Das ergab eine Untersuchung an Humanisolaten aus Deutschland.

Wie kann man sich vor Borrelien schützen?

Die Übertragung einer Borrelieninfektion erfolgt durch Zeckenstiche, in Europa mit Ixodes rizinus, dem „Holzbock“. Die Bakterien persistieren im Darm der Zecke, und das Risiko einer Übertragung auf den Menschen steigt mit Dauer der Blutmahlzeit. Somit kommt einer frühzeitigen Entfernung der Zecke die wichtigste Bedeutung nach erfolgtem Stich zu. Laut der aktuellen Leitlinie zur Neuroborreliose ist bei Versuchstieren eine Borrelien-Übertragung nur selten in den ersten zwölf Stunden nach Stich beobachtet.

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Keine prophylaktische Antibiotikagabe nach Zeckenstich

Eine Möglichkeit wäre eine rein prophylaktische Therapie nach jedem Zeckenbiss. Davon raten die Experten ab. Warum ist das so? In einer amerikanischen Studie konnte eine prophylaktische Doxycyclin-Gabe (200 mg) zwar das Risiko einer Borrelien-Infektion um 87 Prozent verringern, allerdings lief die Nachbeobachtung nur sechs Wochen, so dass keine Aussage über Spätmanifestationen getroffen werden kann. Zusätzlich argumentiert die Leitlinie, dass der Nutzen der Prophylaxe in einem ungünstigen Verhältnis zum einem tatsächlich erforderlichen Doxycylin-Einsatz steht: Es müssten 40 bis 125 Prophylaxen durchgeführt werden, um eine tatsächliche Infektion zu vermeiden. Auch von einer lokalen antibiotischen Behandlung mit Azithromycin raten die Experten ab.

Therapie der Lyme-Borreliose

Kommt es tatsächlich zu einer klinisch manifesten Infektion mit Borrelien und einer Lyme-Borreliose ist eine antibiotische Therapie unabdingbar. Liegt ein typisches klinisches Erythema migrans vor, sollte unverzüglich mit der Antibiose begonnen werden. Bei kutaner Lyme-Borreliose stellen Doxycyclin und Amoxicillin die Arzneimittel der Wahl dar. Erwachsene erhalten bei solitärem Erythema migrans

  • Doxycyclin 2 x 100 mg oder 1 x 200 mg für 10 bis 14 Tage
  • Amoxicillin 3 x 500-1000 mg für 14 Tage.

Bei multiplen Erythema migrantia erhöht sich die Therapiedauer auf jeweils 14 bis 21 Tage. Alternative Antibiotika sind Cefuroximaxetil oder Azithromycin.

Antibiotika bei Neuroborreliose

Bei Neuroborreliose bestehen „unter Nutzen-Risiko-Abwägung an der Indikation für eine antibiotische Behandlung keine Zweifel, zumal die Symptomrückbildung beschleunigt und der Entwicklung von Spätmanifestationen entgegengewirkt werden kann“, erklärt die Leitlinie Neuroborreliose. Eine antibiotische Therapie der Neuroborreliose erfordert liquorgängige Antiinfektiva. Als Mittel der Wahl gelten intravenöse Beta-Laktam-Antibiotika – Penicillin G, Ceftriaxon, Cefotaxim – oder gleichwertig orales Doxycyclin. Bei früher Neuroborreliose empfehlen die Experten eine Therapiedauer von 14 Tagen.

  • Doxycyclin 2-3 x 100 mg oder 1 x 200-300 mg p.o. für 14 Tage
  • Ceftriaxon 1 x 2 g i.v. für 14 Tage
  • Cefotaxim 3 x 2 g i.v. für 14 Tage
  • Penicillin G 4 x 5 MIO IE i.v. für 14 Tage

Hinsichtlich der einzusetzenden Wirkstoffe gilt das gleiche für dir Therapie einer chronischen Neuroborreliose, sprich intravenös Penicillin G, Ceftriaxon, Cefotaxim oder orales Doxycyclin. Hier erhöht sich die Therapiedauer auf 14 bis 21 Tage.

Die Auswahl des passenden Antibiotikums orientiert sich am Patienten. Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt, sind Penicillinallergien, Präferenz einer oralen Therapie, Alter, Schwangerschaft, Applikationshäufigkeit.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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