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DAZ.online-Themenwoche Digitalisierung
Arzneimittel-Drohnen kämpfen mit Startproblemen
Vor einigen Jahren kündigte der Onlinehändler Amazon publikumswirksam den Einsatz von Drohnen für die Paketbelieferung seiner Kunden an. Auch für die Versorgung mit Arzneimitteln kommen die autonomen Lufttaxis immer wieder ins Gespräch, mehrere Pilotversuche wurden bereits gestartet. Doch während in den hoch regulierten Ländern Europas und der USA vor allem behördliche Vorgaben einen flächendeckenden Einsatz bislang erschweren, zeigt ein US-Start-Up-Unternehmen in Afrika, wie die Medikamentenversorgung künftig organisiert sein könnte.
Geht es nach einigen Unternehmen im Arzneimittel- und Apothekenmarkt, könnte die Arzneimittelversorgung von morgen wie folgt aussehen: Ein Patient bestellt im Internet bei „Amazon Exclusive Prime Air“ eine Packung Schmerzmittel. Im Lager des Versandhändlers wird eine Drohne mit dem Arzneimittel bestückt und der Flugcomputer mit den Koordinaten des Bestellers gefüttert. Die Drohne hebt ab, sucht sich selbstständig ihren Weg zum Patienten und wirft das Päckchen mit dem Arzneimittel vor seiner Haustür ab.
Zugegeben, noch handelt es sich hierbei um ein fiktives Szenario. Doch möglicherweise ist der Tag nicht mehr fern, an dem die Idee zur Realität wird. „Ready to get your drugs by drone? Why Amazon plan could be game-changer”, titelte bereits 2015 das US-Magazin Forbes und beschrieb, wie der Onlinehändler die Arzneimittelversorgung in der Zukunft umkrempeln könnte. Den Anlass hatte Amazon zuvor selbst geliefert, als der Konzern Ende 2013 in einer viel beachteten Marketingaktion angekündigt hatte, online bestellte Waren künftig auch per Lastendrohne ausliefern zu wollen. Konzernchef Jeff Bezos zeigte sich damals überzeugt, dass „Amazon Prime Air“ in die Luft geht: „Es wird funktionieren, es wird passieren, und es wird ein großer Spaß werden“, so Bezos. Am 7. Dezember 2016 lieferte das Unternehmen auf diesem Wege das erste Paket aus. Branchenkenner skizzierten daraufhin zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für den Einsatz von Drohnen. Die aufregendste und wichtigste aber, so das Fazit, sei die Belieferung von Arzneimitteln auf dem Luftwege.
Ruanda: Arzneimittel aus der Luft
In einigen Regionen der Welt ist diese Vision der Arzneimittel-Luftbelieferung bereits Realität geworden. So arbeiten die Regierungen der afrikanischen Länder Ruanda und Tansania seit einiger Zeit mit dem US-Startup-Unternehmen Zipline (http://www.flyzipline.com/) zusammen. Die Firma, die 2011 von Mitarbeitern von Firmen wie SpaceX, Boeing, Google und Willow Garage gegründet worden ist und bislang rund 43 Millionen Dollar an Kapital eingesammelt hat, hat sich zur Aufgabe gemacht, Blutkonserven und lebenswichtige Arzneimittel aus Versorgungszentren in schwer erreichbare und schlecht angeschlossene Gebiete zu fliegen. Ziplines selbst formulierte Vision ist es, ein Sofort-Liefersystem für die gesamte Welt aufzubauen.
Das erste konkrete Projekt von Zipline in Ruanda startete im Oktober 2016. Wie DAZ online im April 2018 berichtete, schloss die Regierung einen Vertrag über die Schaffung eines Versorgungszentrums, aus dem Drohnen Blut- und Plasmakonserven in abgelegene Regionen fliegen. Nach einem Katapultstart fliegt die Drohne, die einem ferngesteuerten Flugzeug ähnelt, mit einer Geschwindigkeit von bis zu 120 Stundenkilometern zur Klinik und wirft die mit einem Mini-Fallschirm versehene Tüte über einem vereinbarten Ort ab.
Inzwischen plant das Unternehmen nach eigenen Angaben zusammen mit der Regierung von Tansania, auch für dieses ostafrikanische Land einen Lieferservice für „kritische und lebensrettende Medikamente“ aufzubauen.
Erste Versuche in Deutschland
Auch in Deutschland gab es bereits erste Startversuche in der Arzneimittellieferung mit Drohnen. So hat der Paketdienstleister DHL im Jahr 2014 im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Institut für Flugsystemdynamik der RWTH Aachen mit einer Drohne Arzneimittel auf die Nordseeinsel Juist geflogen. „Wir sind auf Juist vor allem in Wintermonaten aufgrund der Wetterlage manchmal von der Außenwelt regelrecht abgeschnitten“, teilte der an dem Projekt teilnehmende Inselapotheker Erich Hrdina damals mit.
Die Auslieferung von dringend benötigten Medikamenten stand auch im Mittelpunkt bei der Erprobung von Paketdrohnen durch die Schweizer Post. „Wir prüfen den Transport von Arzneimitteln in abgelegene Häuser oder in Siedlungen, die etwa durch einen Erdrutsch nicht mehr zugänglich sind“, sagte Post-Sprecher Bernhard Bürkli laut VDI-Nachrichten im Herbst 2015.
Kurze Lieferzeiten via Luftweg
Die Vorteile der Luftbelieferung liegen nach Ansicht von Experten auf der Hand: „Drohnen können die Lieferzeiten in der Logistik enorm verkürzen und damit den Service auf ein ganz neues Niveau heben“, zitierte das Fachmagazin „e tailment“ Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „In Zukunft wird es üblich sein, dass wir beim Onlinekauf auch Drohnen als Lieferart auswählen können.“ Und Hendrik Lofruthe, Fondsmanager von Apoasset, einer Tochter der Deutschen Apotheker- und Ärztebank, stellte kürzlich fest: „Wo Gesundheit und IT aufeinander treffen, entstehen neue Geschäftsmodelle, die auf innovative Weise die Effizienz und Effektivität der Gesundheitssysteme verbessern.“
Und was machen Amazons hochfliegende Pläne? Mittlerweile hat der Bestell- und Lieferdienst seinen hauseigenen Drohen-Modellen ein Upgrade verpasst. Während die Prime-Air-Drohne der ersten Generation noch ein Quadrocopter war, also ein Flugkörper mit vier Rotorblättern, hebt das neueste Modell ab wie ein Hubschrauber, fliegt aber mit Hilfe kleiner Tragflächen und eines Propellers wie ein Flugzeug. Die neue Drohne soll laut Amazon bei einer Flughöhe von 120 Metern eine Reichweite von bis zu 25 Kilometern und eine Geschwindigkeit von 90 Kilometer pro Stunde erreichen können. „Technisch haben wir wesentliche Hürden aus dem Weg geräumt“, teilt ein Amazon-Sprecher auf Anfrage von DAZ online mit: „Was beispielsweise die Sensorik oder die Reichweite der Drohnen angeht, sind wir ziemlich weit.“
Noch einige Hürden
Doch bis zu einer flächendeckenden Anwendung in dicht besiedelten Ländern Europas oder den USA müssen Amazon wie auch andere Anwärter noch einige Hürden nehmen – vor allem im rechtlich-regulatorischen Bereich. So gibt der Amazon-Sprecher zu verstehen: „Wir stehen noch sehr am Anfang. Auf regulatorischer Ebene gibt es noch viele offene Fragen.“ Für einen „Anwendungsfall“ sei es noch zu früh - ein breit angelegter Einstieg in die Drohnenbelieferung in Deutschland stehe damit nicht unmittelbar bevor. Und ob künftig auch Arzneimittel zu den Produkten gehören, die auf diesem Wege ausgeliefert werden, hänge davon ab, ob und in welchem Umfang das Unternehmen diese überhaupt im Sortiment habe.
Auch Ingmar Böckmann vom Bundesverband E-Commerce hält den flächendeckenden Einsatz von Lieferdrohnen aus verkehrsrechtlichen und sicherheitstechnischen Gründen für „eher unrealistisch“, wie er den VDI-Nachrichten anvertraute. Sowohl in Deutschland als auch in den USA seien die Auflagen der Luftfahrtbehörden erheblich. In der Vergangenheit habe sich beispielsweise Amazon darüber beschwert, dass die Regularien der US-Luftfahrtbehörde FAA zu streng seien.
Viele Verbraucher offen für Drohnen
An den Verbrauchern scheint eine mögliche Arzneimittelbelieferung per Drohne jedenfalls nicht zu scheitern. So hat der Digitalverband Bitkom 2016 in einer Umfrage ermittelt, dass 43 Prozent der Befragten offen seien für die individuelle Warenlieferung aus der Luft. Noch stärker sei das Interesse an der Lieferung eiliger Arzneimittel per Drohne. So würde jeder vierte Befragte (24 Prozent) auf jeden Fall Drohnen in Anspruch nehmen, um sich eilige Medikamente liefern zu lassen, 21 Prozent können sich das vorstellen. Insgesamt hätten damit fast 45 Prozent Interesse an Arzneimittel-Drohnen.
Das Magazin Forbes weist übrigens darauf hin, dass eine Branche in der Drohnenbelieferung von „Drugs“ bereits sehr weit sei – die Drogenindustrie. Mehrere Kartelle würden die unbemannten Flugobjekte dazu nutzen, um illegale Medikamente wie Methamphetamine und andere Narkotika über die Köpfe der Behörden hinweg zu den Empfängern zu fliegen.
Möglich, dass in einigen Jahren auch legale Arzneimittel ordnungsgemäß per Lufttaxi zum Patienten kommen und das Szenario von „Amazon Exclusive Prime Air“ damit Wirklichkeit wird. Zipline, das US-Start-Up, will nach eigenen Angaben jedenfalls noch in diesem Jahr einen mit der US-Luftfahrtbehörde FAA abgestimmten Pilotversuch auf dem Heimatmarkt starten.
1 Kommentar
Bedrohung durch Arzneimitteabwurf bei Drohnenbelieferung!?
von Heiko Barz am 09.06.2018 um 18:41 Uhr
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