- DAZ.online
- News
- Politik
- Krankenkassen wollen eine...
Papier zur „Neuordnung der Apothekenstrukturen“
Krankenkassen wollen eine Milliarde Euro am Apothekenhonorar sparen
Schon im Bundestagswahlkampf hatte der GKV-Spitzenverband weitgehende Deregulierungen im Apothekenmarkt gefordert. Nun macht der Kassenverband ernst: DAZ.online liegt ein Positionspapier zur „Neuordnung der Apothekenstrukturen und -vergütung“ vor, das vom Verwaltungsrat beschlossen werden soll. Mit Blick auf das Honorargutachten fordern die Kassen darin die drastische Absenkung der Apotheken- und Großhandelsvergütung, um mehr als 1 Milliarde Euro zu sparen. Außerdem geht es um Apothekenketten, Apothekenbusse, Video-Apotheken und Höchstpreise.
Wer geglaubt hat, dass der GKV-Spitzenverband mit seinem Papier zum Bundestagswahlkampf, in dem die komplette Deregulierung des Apothekenmarktes gefordert wurde, nur Aufsehen erregen wollte, der lag falsch. Denn in den vergangenen Monaten hat der Kassenverband, der als die politische Spitzenorganisation der Kassen in Berlin agiert, ein Positionspapier entwickelt, mit dem eine „Neuordnung“ der Apothekenstrukturen und des Honorars ins Spiel gebracht wird. Beschlossen ist dieses Papier noch nicht: Schon in der kommenden Woche trifft sich der Verwaltungsrat des Kassenverbandes, in dem Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aller Kassenarten zusammenkommen.
Thema
Apothekenhonorierung
Das zum Beschluss vorliegende Positionspapier ist „nur“ zehn Seiten lang, hat es inhaltlich aber in sich. Grundsätzlich will der Kassenverband an zwei Punkten ansetzen: Erstens werden drastische Einsparungen am Apothekenhonorar gefordert. Wirklich tief ins Detail zu etwaigen Umstellungen am Honorar gehen die Kassen nicht. Klar ist aber: Die im Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums genannten Empfehlungen werden immer wieder als Bezug genannt. Zweitens geht es um tiefgreifende Änderungen an der Apothekenstruktur und um den Versandhandel.
Diese Punkte enthält das GKV-Papier zum Apothekenhonorar:
Der GKV-Spitzenverband betont immer wieder, dass „erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven“ beim Großhandels- und Apothekenhonorar bestehen. Schließlich habe das Gutachten des BMWi gezeigt, dass „einige Leistungen teilweise deutlich überfinanziert“ seien. Zur Erklärung: Die BMWi-Gutachter hatten für alle Honorarbestandteile der Apotheker neue Werte errechnet, die – bei einer Umsetzung – zu einer „Kostendeckung“ führen würden. Und auch der GKV-Spitzenverband will diese „Kostendeckung“ erreichen. Dazu heißt es in dem Papier:
„Selbst bei einer Erhöhung anderer Vergütungsbestandteile, wie der Nacht- und Notdienst- pauschale, würde die Umsetzung einer leistungsbezogenen und kostendeckenden Vergütung die Ausgaben der Kostenträger (GKV sowie PKV, Beihilfe und Selbstzahler) für rezeptpflichtige Arzneimittel um mehr als 1 Mrd. Euro senken können. Wesentliche Effekte werden insbesondere im Bereich parenteraler Zubereitungen und durch eine Entflechtung der Vergütungsbestandteile erreicht. Hinzu kommen mehr als 200 Mio. Euro, die durch eine Anpassung der Zuschläge des Großhandels eingespart werden können. Damit bestehen erhebliche Reserven aus wirtschaftlicher Betriebsführung der Apotheken und des Großhandels.“
Prozentuale Marge erhöhen, aber deckeln
Die BMWi-Gutachter hatten beispielsweise empfohlen, das Fixhonorar auf 5,84 Euro zu senken, die prozentuale Marge aber auf 5 Prozent zu erhöhen. Der Kassenverband macht zumindest zum Fixhonorar keine festen Angaben. Grundsätzlich stören sich die Kassen aber an der Konzeption des Apothekenhonorars:
„Die wesentliche Säule ist der preisunabhängige Festzuschlag, der die Abgabe von Fertigarzneimitteln deutlich überfinanziert. Im Ergebnis führt dies zu der heute bestehenden ungleich verteilten Vergütung zwischen den Apotheken und zur Ausbildung unwirtschaftlicher Strukturen mit einer Überversorgung in städtischen Gebieten. Dieser im Gutachten identifizierte ruinöse Wettbewerb wiederum ist zu einem großen Teil selbst verursacht durch Preisdumping bei sog. OTC-Arzneimitteln, deren Abgabepreis von der einzelnen Apotheke selbst festgelegt werden kann.“
Die Kassen fordern daher eine „Entflechtung“ des Apothekenhonorars. Das bedeutet konkret:
„Dabei ist die vorgeschlagene Umgestaltung der Vergütung durch Absenkung des absoluten sowie Anhebung des prozentualen Festzuschlags sachgerecht. Letzterer ist zu deckeln, um eine unberechtigte Belastung der Versichertengemeinschaft durch die zunehmende Zahl hochpreisiger Arzneimittel zu verhindern. Besonderes Augenmerk ist auch auf die Bereiche mit überdurchschnittlich hohem Einsparpotential zu richten, vor allem auf die deutlich überfinanzierte Vergütung individuell hergestellter parenteraler Zubereitungen.“
Der Bundesverband Deutscher Versandapotheker (BVDVA) und die Grünen-Bundestagsfraktion fordern als Reaktion auf das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung seit Monaten die Einführung einer Höchstpreisregelung. Um die Landapotheken zu schützen, sollen die Zahlungen in den Nacht- und Notdienstfonds erhöht werden, aus dem insbesondere viele kleine Apotheken auf dem Land profitieren. Der Kassenverband erklärt, dass die Erhöhungen bei der Notdienstpauschale durchaus machbar seien – wenn gleichzeitig das Fixhonorar abgesenkt werde.
Interessant sind auch die Aussagen zur sinkenden
Apothekenzahl. Aus Sicht der Kassen kann es nicht ihre Aufgabe sein, Apotheken
am Leben zu erhalten:
„Das wirtschaftliche Risiko der Niederlassungsfreiheit von Apotheken ist nicht durch die GKV zu tragen, vor allem dann nicht, wenn sie in überversorgten Gebieten erfolgt ist. Eine Förderung von möglicherweise von einer Schließung bedrohten Apotheken ist daher nicht zielführend. Dies gilt insbesondere auch für einen möglichen Zuschlag zur Bestandssicherung von Apotheken, welcher vor dem Hintergrund der bestehenden Niederlassungsfreiheit nicht sachgerecht ist. Dies kann mit Blick auf den notwendigen Konsolidierungsprozess auch nicht gewollt sein.“
Grober Fehler und Paukenschlag bei der Apothekenstruktur
Auf das Kapitel zur Apothekenvergütung folgen im GKV-Positionspapier die Ausführungen zur Apothekenstruktur. Dieses Kapitel beginnt mit einer Falschaussage und einem Paukenschlag zugleich. Denn dort heißt es: „Deutschland weist im internationalen Vergleich insgesamt eine hohe Apothekendichte auf.“
Was der Kassenverband damit meint, ist völlig unklar. Richtig ist, dass Deutschland bei der Apothekendichte im EU-Vergleich mit etwa 24 Standorten auf 100.000 Einwohner im unteren Mittelfeld liegt und in den vergangenen Jahren immer wieder abgerutscht ist.
Dann macht der GKV-Spitzenverband klar, welches Grundproblem er im Apothekenmarkt sieht:
„Die Regulierung des Apothekenmarktes in Deutschland erfolgt derzeit noch unter dem Leitgedanken der Bewahrung historisch gewachsener Privilegien und Strukturen, auch im Hinblick auf die Vergütung. Der Patient steht dabei nicht im Fokus der Interessen, sondern vielmehr die Vergütung. Zentraler Leitgedanke einer Regulierung der Arzneimittelversorgung durch Apotheken sollte die Patientenorientierung sein.“
Deswegen werden die folgenden Maßnahmen gefordert:
- Die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes. Dies ermögliche „neue flexible Vertriebswege und biete den Patienten die „Chance auf bedarfsgerechte Angebotsstrukturen“. Und weiter: „Zudem werden durch einen damit entstehenden stärkeren Wettbewerb Anreize für eine intensivere Beratung und die Entwicklung neuer patientenorientierter Versorgungsformen gesetzt.
- Ein Verbot von Pick-up-Stellen soll es für die Kassen nicht geben.
- Die „Apotheke Light“. Dass Filialapotheken mit nahezu gleicher Ausstattung und Organisation wie Hauptapotheken zu betreiben sind, stört den Kassenverband, schließlich sei der Betrieb von Filialen wirtschaftlich weniger attraktiv. Gefordert wird daher eine „arbeitsteilige Organisation innerhalb von Filialverbünden oder auch mehrerer Einzelapotheken“.
- Um die Versorgung zu „flexibilisieren“, schlägt der Verband außerdem die „Reduzierung der Öffnungszeiten oder aber eine verstärkte mobile Versorgung durch Apothekenbusse mit fixen Touren bzw. Standzeiten in strukturschwachen Regionen“ vor.
- Video-Pharmazie: „Analog zur Telemedizin könnte beispielsweise Telepharmazie in der Filialapotheke durch pharmazeutisches Fachpersonal mit Teleassistenz zum approbierten Apotheker in der Hauptapotheke ebenso präsent wie bei vergleichbaren Modellen in der ärztlichen Versorgung geleistet werden. Damit könnte sowohl die beratungsbedürftige Arzneimittelabgabe als auch eine feste ‚pharmazeutische Sprechstunde‘ realisiert werden.“
- Rezepturen: Auch hier gibt es zu viele Regulierungen aus Kassensicht. Es sei „nicht vorrangig“, ob die Apotheke Rezepturen selbst herstellt oder die Rezepturen „vertraglich abgesichert kurzfristig von anderen qualifizierten Apotheken oder Herstellbetrieben bezieht“.
GKV: Versandhandel sorgt für Belebung
Zu guter Letzt geht es im Positionspapier dann noch um den Versandhandel, der aus Sicht des Kassenverbandes „für Belebung des Apothekengeschäfts“ sorgt. Auch hier verweist das Papier wieder auf das Honorargutachten, in dem steht, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Marktanteil der EU-Versender und der wirtschaftlichen Situation der Apotheke gebe. Der GKV-Spitzenverband sieht nur Vorteile im Versandhandel. Denn:
„Mithin besteht durch den Versandhandel eine effektive Wettbewerbssituation um die Qualität der Versorgung der Patientinnen und Patienten. Zudem können so erhebliche Skaleneffekte genutzt werden, die jedoch nicht einzelnen Patientinnen und Patienten, sondern allen Versicherten zu Gute kommen sollten.“
Gegen Patientenboni spricht aus Sicht der Kassen nichts
Was die Auflösung des Versandhandelskonfliktes nach dem EuGH-Urteil betrifft, schlagen sich die Kassen auf die Seite des BVDVA und der Grünen und fordern ein Höchstpreismodell. Und weiter: „Die Vergütungshöhe für Versandarzneimittel, die vom Höchstpreis abweicht, ist dann in einem zweiten Schritt ergänzend durch Selektivverträge zwischen Krankenkassen (und deren Verbände) und den Versandapotheken festzulegen.“
Auch der CDU-Politiker Michael Hennrich hatte zuletzt erklärt, dass er sich für Verträge zwischen Kassen und Versendern einsetzen werde. Hennrich fordert allerdings, dass es keine Patientenboni geben darf und die Einsparungen der Kassen den Apotheken zur Verfügung gestellt werden sollen. Das sieht der GKV-Spitzenverband anders: „Patientenboni sind in einem solchen Rahmen weiterhin möglich, jedoch entscheidet die Krankenkasse auf Basis der erzielten Vertragskonditionen über eventuelle Boni. Die Höhe der Boni sollte sich nur in einem gesetzlich festgelegten Rahmen bewegen und nicht für zuzahlungsbefreite Versicherte gewährt werden dürfen.“
Der GKV-Spitzenverband wollte sich auf Nachfrage inhaltlich nicht zu dem Papier äußern. Ein Sprecher teilte mit: Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes wird sich auf seiner Sitzung am Mittwoch mit einem Positionspapier zur Apothekenstruktur- und vergütung befassen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns erst nach der Beschlussfassung des Papiers zu diesem äußern.
22 Kommentare
Apothekenhonorar
von Dr. Markus Junker am 08.07.2019 um 10:27 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
GKV-Spitzenverband will einsparen
von Martin Straulino am 03.06.2018 um 19:55 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Verwaltungsaufwand reduzieren
von SDi am 02.06.2018 um 16:17 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
"...eine Milliarde Euro am Apothekenhonorar sparen", oder "Wir haben noch nicht genug auf der hohen Kante, außer Ferz in de Kopp"
von Bernd Jas am 01.06.2018 um 23:45 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Gesunder Menschenverstand...
von Pharmixx am 01.06.2018 um 19:19 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Uns zu spalten ist nicht schwer
von Martin Didunyk am 01.06.2018 um 19:14 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Uns zu spalten ist nicht schwer
von Martin Didunyk am 01.06.2018 um 19:28 Uhr
Das wahre Gesicht der Kassenfunktionäre: Pistole auf die Brust
von Heiko Barz am 01.06.2018 um 18:13 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
"der Patient steht dabei nicht im Fokus der Interessen, sondern vielmehr die Vergütung"
von gerd reitler am 01.06.2018 um 16:52 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Sachlage
von Dr.Diefenbach am 01.06.2018 um 16:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Dreck
von Karl Friedrich Müller am 01.06.2018 um 16:36 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: So werden die Apotheken zerstört und ein Teil des Gesundheitswesens. Und ein Stück Lebensqualität für Kranke.
von gerd reitler am 01.06.2018 um 18:15 Uhr
Einsparpotential
von Dr. Arnulf Diesel am 01.06.2018 um 16:21 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Einsparpotential
von Dr. Arnulf Diesel am 01.06.2018 um 16:30 Uhr
Einsparpotential
von Peter Müller am 01.06.2018 um 15:42 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Einsparpotential
von Heiko Barz am 01.06.2018 um 17:47 Uhr
Standesvertretung - Hallo, ist da noch jemand ?
von Kassensklave am 01.06.2018 um 15:39 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Standesvertretung - Hallo, ist da noch
von Anita Peter am 01.06.2018 um 15:46 Uhr
gäähn
von Peter Bauer am 01.06.2018 um 15:23 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das können wir gerne machen,
von Christiane Patzelt am 01.06.2018 um 14:17 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Das können wir gerne machen
von Alf Stuhler am 01.06.2018 um 14:43 Uhr
AW: Das können wir gerne machen
von Sven Larisch am 01.06.2018 um 15:22 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.