Stoffwechselerkrankungen

Typ-1-Diabetes tritt öfter erst im Erwachsenenalter auf

Remagen - 22.02.2018, 10:15 Uhr

Bei Erwachsenen, die älter als 30 Jahre sind, ist die Identifizierung der Typ-1-Diabetiker dagegen eine Herausforderung, weil die Prävalenz des Typs 2 hier erheblich höher ist. (Foto: tibanna79 / stock.adobe.com)

Bei Erwachsenen, die älter als 30 Jahre sind, ist die Identifizierung der Typ-1-Diabetiker dagegen eine Herausforderung, weil die Prävalenz des Typs 2 hier erheblich höher ist. (Foto: tibanna79 / stock.adobe.com)


Der genetisch bedingte Typ-1-Diabetes kommt offensichtlich häufiger erst im mittleren Lebensalter zum „Ausbruch“ als bisher angenommen. Das haben Forscher aus Exeter mit Hilfe einer groß angelegten Analyse von Risikogenen bei britischen Patienten ermittelt. 

Der genetisch bedingte Typ-1-Diabetes ist normalerweise eine Erkrankung, die sich erstmals im Kinder-und Jugendalter manifestiert. Die Betroffenen haben eine schwere Insulininsuffizienz und sind direkt insulinpflichtig. Demgegenüber wird der „erworbene“ Typ 2-Diabetes zunächst mit Lebensstiländerungen und oralen Antidiabetika angegangen.

Die korrekte Diagnose eines Typ-1-Diabetes bei jungen Menschen (< 20 Jahre) ist in der Regel unkompliziert, da die meisten (≥ 85 Prozent) der Diabetes-Fälle in dieser Population auf den Typ 1 entfallen. Bei Erwachsenen, die älter als 30 Jahre sind, ist die Identifizierung der Typ-1-Diabetiker dagegen eine Herausforderung, weil die Prävalenz des Typs 2 hier erheblich höher ist. Deswegen soll es hier häufiger zu Fehlern bei der Einstufung kommen.  

Daten von 380.000 Personen analysiert

Bislang gibt es wenige Studien dazu, wie häufig sich der Typ-1-Diabetes erstmals im Erwachsenen-Alter manifestiert. Britische Forscher von der Universität Exeter haben sich dieser Fragestellung angenommen und eine Methode gefunden, mit der die Rate auf der Basis von Daten zur genetischen Veranlagung abgeschätzt werden kann. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden in der Fachzeitschrift „Lancet Diabetes Endocrinology“ publiziert. 

Die Wissenschaftler aus Exeter machten sich hierzu einen genetischen Risiko-Score zunutze, der auf 29 gängigen Gen-Varianten beruht. Mit Hilfe dieses Scores analysierten sie Daten von knapp 380.000 hellhäutigen Europäern im Alter bis zu 60 Jahren aus der UK Biobank und teilten sie unterhalb und oberhalb des medianen Scores in zwei gleich große Gruppen mit einer hohen oder einer niedrigen genetischen Empfänglichkeit für einen Typ-1-Diabetes ein. Den Typ-1-Diabetes definierten sie genetisch als zusätzliche Diabetes-Fälle in der Gruppe mit dem höheren Risiko gegenüber der Gruppe mit dem niedrigeren Risiko.

4 Prozent aller Diabetes-Diagnosen ab 30 Jahren sind Typ 1

Von den rund 380.000 einbezogenen Personen waren insgesamt 13.250 (3,5 Prozent) im Verlauf ihrer ersten 60 Lebensjahre an Diabetes erkrankt. 7268 davon gehörten zu der Gruppe mit dem hohen genetischen Risiko-Score für die Entstehung eines Typ-1-Diabetes und 5982 zu der Gruppe mit dem niedrigeren Score. Es gab also in der Gruppe mit der höheren Empfänglichkeit über alle Altersgruppen einen Überhang von 1286 Erkrankungsfällen, die genetisch als Typ-1-Diabetiker definiert worden waren. Bei 537 dieser Patienten hatte sich der Diabetes erst im Alter zwischen 30 und 60 Jahren manifestiert. Dies entsprach 4 Prozent (537 von 12.233) aller Diabetes-Diagnosen ab dem Alter von 30 Jahren. Der Löwenanteil in dieser Altersgruppe entfiel mit 96 Prozent auf die Typ- 2-Diabetiker.  

Klinische Merkmale eindeutig

Dafür, dass es sich bei dem Personenkreis tatsächlich um Typ-1- und keine Typ-2-Diabetiker handelte, sprachen nach Meinung der Forscher auch einige klinische Merkmale, die für jüngere, zweifelsfreie Typ-1-Diabetiker charakteristisch sind und sie gleichzeitig von Typ 2-Diabetikern mit einer Diagnose zwischen 30 und 60 Jahren unterscheiden. So hatten die genetisch definierten Typ-1-Diabetiker im Vergleich zu den Typ-2-Diabetikern einen niedrigeren Body Mass Index (BMI, 27 vs. 32 kg/m2). Weitaus die meisten wurden bereits im ersten Jahr nach Diagnose insulinpflichtig (89 vs. 6 Prozent) und sie hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Ketoazidose.

Tatsächlich Typ-2-Diabetes oder doch Typ 1?

Die Forscher betonen die wichtigen klinischen Konsequenzen ihrer Ergebnisse: Sie zeigten eindeutig, dass der Typ-1-Diabetes häufiger erst jenseits der 30 auftrete, dass die Betroffenen aber wegen des bei Erwachsenen vorherrschenden  Typ 2-Diabetes nur sehr schwer heraus zu filtern seien. Deshalb solle bei jedem Patienten im mittleren Alter mit einem angeblichen Typ 2- Diabetes, einer schlechten Blutzucker-Kontrolle und einem rasch ansteigenden Therapiebedarf bzw. schneller Insulinpflicht an einen Typ-1-Diabetes gedacht werden, besonders, wenn die betreffende Person schlank sei. Die richtige Zuordnung sei von hoher Bedeutung, damit die Patienten einer adäquaten Therapie zugeführt werden könnten.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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