Ocrevus bei MS

Revolutioniert Ocrelizumab die Therapie der Multiplen Sklerose?

Frankfurt am Main - 30.01.2018, 13:45 Uhr

Drängt Ocrelizumab die Basistherapeutika bei MS in den Hintergrund? (Foto: ustas / stock.adobe,com)

Drängt Ocrelizumab die Basistherapeutika bei MS in den Hintergrund? (Foto: ustas / stock.adobe,com)


Teilweise gewinnt man den Eindruck, neue Antikörper sprießen wie Pilze aus dem Boden. Allen gemein ist: In ihnen steckt eine milliardenschwere Forschung, ihre Herstellung ist aufwendig. Manche dieser innovativen Arzneimittel revolutionieren die Behandlung schwerer Erkrankungen. So setzen Neurologen und MS-Patienten große Hoffnung in Ocrelizumab. Der CD20-Antikörper erhielt jüngst auch in der EU die Zulassung. Roche bezeichnet seinen Antikörper-Sprössling als „Revolutionär der MS-Therapie". Zu Recht?

„Das wissenschaftliche Feld der neurodegenerativen Erkrankungen ist unheimlich schwer zu beackern,“ sagte Professor Hagen Pfundner beim Ocrevus®-Launch in der vergangenen Woche in Frankfurt am Main. Pfundner hat Pharmazie studiert und leitet mittlerweile die Roche Deutschland Holding GmbH. So sei Roche in den vergangenen Jahren vor allem in der Onkologie prominent vertreten gewesen. Durchschlagende Therapiefortschritte in der Neurologie mit Arzneimitteln, wie Valium in den Sechziger Jahren oder Madopar zur Parkinson-Therapie in den Siebziger Jahren, scheinen nicht nur, sondern sind tatsächlich lange her.

Eher still war es in der Neurologie-Forschung bei Roche. Das hat sich mit dem 8. Januar 2018 geändert: An diesem Tag erteilte die Europäische Kommission Roches neuem Multiple-Sklerose-Antikörper Ocrelizumab – nach den USA, Australien, Südamerika und der Schweiz – nun auch die EU-weite Zulassung. Bis Ende 2017 sind weltweit 30.000 Patienten mit dem B-Zell-Antikörper behandelt worden. Insgesamt leiden schätzungsweise zwei Millionen Menschen an Multipler Sklerose. „Schätzungsweise“, da vor allem im asiatischen Raum noch eine große Blackbox herrscht und exakte Patientenzahlen unbekannt sind.

Ocrecvus®: erstes Arzneimittel gegen PPMS

„Ocrelizumab ist das einzige zugelassene Arzneimittel zur Therapie der Primär Progredienten Multiplen Sklerose. Es ist ein völlig neues Therapieprinzip. Patienten erhalten Ocrelizumab nur zweimal im Jahr“, umreißt Pfundner die „Revolution“ mit Ocrelizumab. Roche erwartet durch seinen neuen CD20-B-Zell-Antikörper einen „Durchbruch in der Multiple-Sklerose-Behandlung“. Und impliziert diese „REVolution“ der MS-Therapie bereits in der Nomenklatur von OcREVus®.


Wir wissen, dass wir die MS nicht heilen können, aber wir können sie mit innovativen, neuen Medikamenten so gut wie zum Stillstand bringen.

Professor Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Klinik an der Ruhr-Universität Bochum


Was ist das Besondere an Ocrelizumab? In der Tat ist es so, dass Ocrelizumab das erste Arzneimittel überhaupt ist, das die Zulassung zur Therapie der Primär Progredienten Multiplen Sklerose (PPMS) geschafft hat. Alle Arzneimittel-Ansätze zuvor scheiterten in den klinischen Studien. PPMS galt bis dato als nicht behandelbar. Insofern birgt Ocrelizumab für diese PPMS-Patienten in der Tat das Potenzial zur „Revolution": Die ORATORIO-Studie untersuchte das Fortschreiten der Behinderung an 732 Patienten mit Primär Progredienter MS. Sie erhielten entweder Ocrelizumab oder Placebo. Bei den mit dem Antikörper behandelten Patienten verminderte sich das Risiko des Fortschreitens der klinischen Behinderung signifikant um 25 Prozent. PPMS trifft nur 10 bis 15 Prozent aller MS-Patienten. Sie ist somit deutlich seltener als die schubförmige MS. Bei dieser Form der Multiplen Sklerose entwickeln die Patienten die Symptome kontinuierlich und schleichend.


Wir müssen jedoch möglichst früh und möglichst intensiv die autoimmune Krankheitsaktivität zum Stillstand bringen.

Professor Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Klinik an der Ruhr-Universität Bochum


Doch Roche hat für Ocrelizumab auch die Zulassung zur Therapie der schubförmigen Multiple Sklerose (RMS, relapsing multiple sclerosis/schubförmige MS). Hier überzeugte Ocrelizumab im direkten Vergleich zu Interferon beta und „konnte den Therapiestandard schlagen“, sagt Pfundner. Zur RMS zählen die beiden Unterformen RRMS, relapsing remitting multiple sclerosis/schubförmig-remittierende MS, und rSPMS (sekundär progrediente MS mit aufgesetzten Schüben). 

Dass das forschende Pharmaunternehmen von seinem Antikörper überzeugt ist, überrascht nicht weiter. Doch auch Professor Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Klinik an der Ruhr-Universität Bochum, sieht mit Ocrelizumab die Behandlung der Multiplen Sklerose im Wandel. „Ocrelizumab ist ein neuer Player in der MS-Therapie“, sagt der Neurologe in Frankfurt. Hatten MS-Forscher der B-Zell-Therapie noch vor einigen Jahren keine sonderliche Beachtung geschenkt, ihr gar therapeutische Chancen abgesprochen, hat sich diese Ansicht grundlegend geändert. So erwartet auch der Neurologe, dass mit innovativen Arzneimitteln wie Ocrelizumab „die Basistherapeutika der MS ein Stück in den Hintergrund treten werden und sich das allgemeine Therapieverhalten nachhaltig ändern wird“.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


7 Kommentare

Ocrevusi

von Dauria Alexandra am 22.07.2019 um 12:37 Uhr

Ich soll ab 3.09 mit ocrevus beginnen.....hab ein bisschen Angst wegen den Nebenwirkungen

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Gibt es Praxen in Deutschland

von Bianca am 29.06.2019 um 19:18 Uhr

Hallo ...

Gibt es in Deutschland bereits Praxen die dieses Medikament anwenden ! Meine Neurologin sagt, es ist auf dem Deutschen Markt noch nicht zugelassen. Ich leide an der Chronisch Sekundären Variante und jetzt wäre es wichtig die Krankheit aufzuhalten

Lieben Dank für Eure Antworten
Gruß Bianca

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Gibt es Praxen in Deutschland

von Ännsn am 19.08.2019 um 15:02 Uhr

Hi!

Praxen verabreichen das Medikament nicht, es wird ausschließlich in Kliniken verabreicht...

Werde in einer Woche von tysabri auf ocrevus umgestellt...

Erkundige dich bei einer Klinik in deiner Nähe (neurologische - verabreicht wird es jedoch in der onkologischen Klinik)

Alles liebe Dir

MS Medikamente

von Annerose Giebel am 26.02.2019 um 17:53 Uhr

Ich möchte über MS Medik. Informiert werden, die vom Markt genommen werden. Ich nehme seit 2 Jahren Tecfidera und komme gut damit zurecht

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ocrevus

von Jan Koslowski am 31.01.2018 um 3:30 Uhr

Das klingt alles sehr vielversprechend, aber warum ist Ocrevus nicht für den sekundär progredienten Verlauf zugeĺassen???

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Ocrevus

von Nadine am 07.02.2019 um 20:20 Uhr

Ist es doch. Oder habe ich mich so sehr verlesen?

AW: Ocrevus

von Ute am 20.02.2019 um 22:25 Uhr

Ocrevus wird definitiv auch bei der sekundär progredienten MS gegeben. Am besten Mal mit einer Schwerpunktpraxis sprechen.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.