Retax-Quickie

Pharmazeutische Bedenken – Sonder-PZN und handschriftliche Begründung?

Stuttgart - 23.11.2017, 15:30 Uhr

Kann der Apotheker pharmazeutische Bedenken nicht durch Patientenberatung ausräumen, darf er von Rabatt-Arzneimitteln abweichen. (Foto: Schelbert / DAZ.online)

Kann der Apotheker pharmazeutische Bedenken nicht durch Patientenberatung ausräumen, darf er von Rabatt-Arzneimitteln abweichen. (Foto: Schelbert / DAZ.online)


Was müssen Apotheker bei pharmazeutischen Bedenken auf dem Rezept dokumentieren? Genügt die Sonder-PZN oder  verlangen die Krankenkassen eine Prosa-Abhandlung über den Grund der pharmazeutischen Bedenken? Besteht Retax-Gefahr? Die Antworten liefert der heutige DAZ.online-Retax-Quickie.

In begründeten Einzelfällen dürfen Apotheker von der Abgabe von Rabatt-Arzneimitteln abweichen. Die einzige Voraussetzung hierbei: kritisch muss es sein – in irgendeiner Form. Also der Arzneistoff, die Darreichungsform, die Indikation oder der Patient. Sorgen sich Apotheker begründet um den Erfolg einer Arzneimitteltherapie, haben sie mit der Sonder-PZN 02567024 und Faktor 6 ein spezielles Werkzeug an die Hand bekommen, mit denen sie ihre pharmazeutischen Bedenken gegenüber der Krankenkasse und die daraus folgende Abweichung von Rabatt-Arzneimitteln rechtfertigen können. Zuvor sollte der Apotheker jedoch versuchen, durch Beratung des Patienten die Bedenken auszuräumen. Reicht der bloße Aufdruck der Sonder-PZN? Droht der Apotheke eine Retaxation, wenn sie das dennoch tut und eine ausführliche Begründung fehlt? Die Antworten sind „nein“.

Pharmazeutische Bedenken ausführlich begründen

Was das Gesetz vorschreibt und was die Krankenkasse beanstanden darf, sind zwei Paar Stiefel. So lautet die Antwort, ob die einfache Variante mit alleiniger Sonder-PZN ausreicht: „nein“. Nein, weil der Rahmenvertrag in § 4 Absatz 3 festlegt:


Ist ein rabattbegünstigtes Arzneimittel in der Apotheke nicht verfügbar und macht ein dringender Fall die unverzügliche Abgabe eines Arzneimittels erforderlich (Akutversorgung, Notdienst), hat die Apotheke dies auf der Verschreibung zu vermerken, das vereinbarte Sonderkennzeichen aufzutragen und ein Arzneimittel nach den Vorgaben des Absatzes 4 abzugeben […]. Gleiches gilt in Fällen des § 17 Absatz 5 Apothekenbetriebsordnung.

Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung § 4 Absatz 3


Das hat nun – auf den ersten Blick auf „ Akutversorgung“ – nichts mit pharmazeutischen Bedenken zu schaffen. Doch: Das Geheimnis liegt im Detail, und zwar im letzten Satz und somit in § 17 Absatz 5 der Apothekenbetriebsordnung:  


Die abgegebenen Arzneimittel müssen den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Arzneimittelversorgung entsprechen. Enthält eine Verschreibung einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum, ist sie nicht lesbar oder ergeben sich sonstige Bedenken, so darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden, bevor die Unklarheit beseitigt ist. Der Apotheker hat jede Änderung auf der Verschreibung zu vermerken und zu unterschreiben ...

Apothekenbetriebsordnung § 17 Absatz 5


Nur Sonder-PZN bei Pharmazeutischen Bedenken: Retaxationen chancenlos

Das heißt tatsächlich: Der Apotheker muss seine pharmazeutischen Bedenken, also die Nichtabgabe des Rabattarzneimittels, auch handschriftlich begründen – mit Datum und Unterschrift. Und wenn die ausführliche Begründung fehlt? Hier können Apotheker nun wieder aufatmen.Vergisst der Apotheker ausnahmsweise im Eifer des Wortgefechts mit dem Patienten die begründende Prosa-Abhandlung, so ist dies finanziell nicht gefährlich: Eine Retaxation droht der Apotheke nicht. Hier sorgt der neue Rahmenvertrag in § 3 Absatz 7 für die Apotheker und schiebt der Retax-Willkür der Krankenkassen bei unbedeutenden, die Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit nicht gefährdenden Formfehlern, vehement einen Riegel vor.


Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn ... die Apotheke in den Fällen ... Nichtverfügbarkeit, ... Akutversorgung, Notdienst, ... pharmazeutische Bedenken ...entweder
(1) nur das vereinbarte Sonderkennzeichen oder
(2) nur einen Vermerk auf der Verordnung aufträgt oder
(3) im Fall, dass Vermerk und Sonderkennzeichen auf der Verordnung fehlen, einen objektivierbaren Nachweis im Beanstandungsverfahren erbringt; 

Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung § 3 Absatz 7


Das bedeutet: Trägt der Apotheker ausschließlich die Sonder-PZN auf oder dokumentiert seine Bedenken nur handschriftlich, zieht das keine Handlungskonsequenz seitens der Krankenkassen und somit finanzielle Einbußen für die Apotheke nach sich. Allerdings sollten Apotheker dies nun auch nicht als Freifahrschein werten und grundsätzlich pharmazeutische Bedenken unbegründet lassen. Die Klassiker für pharmazeutische Bedenken – unter anderem Schilddrüsenpräparate, Herzglykoside, Antiepileptika wie Carbamezepin, Opioide wie Oxycodon – sind durch die Substitutionsausschlussliste mittlerweile von der Rabatt-Arzneimittel-Austauschschlacht ausgenommen.

Gründe für pharmazeutische Bedenken

Welche Gründe rechtfertigen pharmazeutische Bedenken?

  •  Wirkstoff mit geringer therapeutischer Breite
  • Gefährdung einer gut eingestellten, komplexen Therapie
  • Problematische Applikationsform, sichere Anwendung nicht gewährleistet
  • Patient ist multimorbide
  • Patient leidet unter Schluckbeschwerden
  • Hohe Gefahr für Einnahmefehler/Verwechslungen
  • Gefährdung des Therapieerfolgs durch Non-Compliance
  • Austausch ist dem Patienten nicht vermittelbar
    Quelle: DAP

Wem Sonder-PZN und Rezeptdoku nicht ausreichen

Wer ganz genau arbeiten will und zum doppelten Boden mit Sonder-PZN und ausführlicher Begründung auf dem Verordnungsblatt – mit Datum und apothekerlicher Unterschrift – noch einen dritten Boden zimmern möchte, der  dokumentiert die Beratung des Patienten zur Ausräumung der pharmazeutischen Bedenken noch einmal extra, wenn vorhanden in einer Kundendatei. Diese Vorgehensweise empfehlen die Retax-Experten des Deutschen Apotheken Portals DAP.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Pharmazeutische Bdenken und SondermPZN

von Sandra Möller am 24.11.2017 um 7:51 Uhr

Heiliger Bürokratiekus! Bitte eine ausführliche, handschriftliche Begründung plus Unterschrift und natürlich auf der Vorderseite, man muß das Ganze ja digitalisieren können. Jede Wette, man fängt sich erst mal die Retaxation, wenn die entsprechende Prüfgesellschaft noch ihre Quote bringen muss... handschriftlich ist ja nicht maschinenlesbar!
Mal sehen, was geschieht, wenn die E Gesundheitskarte wirklich kommt... da erhält man sicher einen ständig zu aktualisierenden Code-Schlüssel für verschiedene pharmazeutische Bedenken... und sind wir ehrlich, das hat nichts mehr mit Patientensicherheit zu tuen, das ist reine Schikane.

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