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VdPP-Herbstseminar
Vergütete Dienstleistungen in der Apotheke – ein Henne-Ei–Problem
Wie und wofür Apotheken künftig honoriert werden sollten, ist ein Thema, das bewegt. Ist das packungsgebundene Kombi-Modell noch zeitgemäß? Dazu macht man sich auch beim Verband demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) Gedanken. Vergangene Woche lud er zur Diskussion über die „Apotheke der Zukunft“ und „neue Wege der Honorierung“.
Apotheker und Politik haben sich bereits auf eine Honorardebatte in der neuen Legislaturperiode eingestellt. Und so war das Apothekenhonorar auch beim VdPP-Herbstseminar am 9. November in Berlin ein Thema. Dr. Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales bei der ABDA, sprach zunächst über die praktischen Probleme der honorierten Dienstleistungen. Zwar wollen Apotheker beispielsweise Medikationsmanagement oder Präventionsleistungen anbieten – aber sie möchten dafür auch bezahlt werden.Möglicherweise könnten vergütete Dienstleistungen wettmachen, was der Versandhandel den Präsenzapotheken vom Umsatz nimmt. In ihrem Perspektivpapier 2030 hat die ABDA bereits eine entsprechende Vision festgehalten – aber Bauer machte deutlich, dass es bislang eben nur eine Vision ist. Eine rechtssichere gesetzliche Grundlage für eine regelhafte Honorierung dieser Leistungen gibt es nicht. Lediglich Selektivverträge sind möglich, die aufwendig und nur auf Ebene der einzelnen Apotheken auszuschreiben sind. Ansonsten dreht sich bei Verträgen zwischen Krankenkassen und Apothekern alles um die Arzneimittelversorgung – Leistungen darüber hinaus sind nicht vorgesehen. So sieht es jedenfalls der GKV-Spitzenverband. Und auch die Aufsichtsbehörden der Kassen stimmen in das Lied ein. Vielleicht könnte man sich hier noch Dienstleistungen, die eng an die Arzneimittelabgabe geknüpft sind, vorstellen. Aber die Vergütung sei dann im Fixhonorar enthalten, möglicherweise sei es auch eine Aufgabe, die Ärzten zufalle und von deren Honorar abgedeckt werde. Ein Mehr an Honorar für Apotheken halte die Aufsicht jedenfalls für unwirtschaftlich, so Bauer.
Die Henne-Ei-Problematik
Diese Situation mache es schwer, Apotheken zu motivieren, sich mehr in Richtung Dienstleistungen auszurichten, Routine zu entwickeln und letztlich auch unter Beweis zu stellen, dass diese Leistungen den Patienten nutzen. Aber ohne diese Impulse sei es wiederum kaum möglich, die Bedeutung der Dienstleistungen zu steigern. Bauer sieht hier eine „Henne-Ei-Problematik“. Umso mehr setzen die Apotheker nun auf Arzneimittelinitiative ARMIN in Thüringen und Sachsen und seine Evaluation. Wenn sich hier zeigen lässt, dass das Medikationsmanagement der Apotheker positiv wirkt, wäre man einen erheblichen Schritt weiter.
Verbraucherschützer fordern Beratung ein – gute Beispiele aus dem Ausland
Kai Helge Vogel, Leiter des Teams Gesundheit und Pflege beim Verbraucherzentrale Bundesverband, verwies darauf, dass die Gesundheitskompetenz der Bürger erschreckend schlecht sei. Die Apotheke als niedrigschwellige Anlaufstelle im Gesundheitswesen hätte hier die besten Möglichkeiten, aktiv zu werden und den Menschen etwas beizubringen. Das Problem sei, dass die Beratungsqualität in den Apotheken häufig nicht zufriedenstellend sei – das zeigten jedenfalls immer wieder Testkäufe, die aber sicherlich nicht alle Apotheken abbildeten. Allerdings räumt Vogel ein: Auch die Verbraucher seien nicht immer einfach. Er sieht es auf jeden Fall kritisch, dass Apotheken oft als reine Packungsabgabestellen betrachtet werden. Aus Verbrauchersicht wäre die Fokussierung auf die Beratung wichtig. Vogel würde sich bei der Honorardiskussion nicht zuletzt eine größere Einbeziehung der (evidenzbasierten) Selbstmedikation wünschen. Dazu setzt er auf mehr Austausch mit den Apothekern, welche praktikablen Vorschläge sie selbst haben. Der vzbv hält es auch grundsätzlich für nötig, den OTC-Erstattungsausschluss zu überprüfen. Dieser führe zu einer erheblichen Kostenbelastung der Verbraucher.
Das Ausland macht´s vor
Einen Blick ins Ausland warf sodann VdPP-Vorstand Dr. Udo Puteanus. Er präsentierte eine Reihe von Beispielen, wo Apotheken für besondere Leistungen auch besonders vergütet werden. Denn die Grundsituation ist überall gleich: Die Menschen werden älter, die Polymedikation nimmt zu und die Patientensicherheit ist zu einem großen Thema geworden. Es besteht Bedarf an Gesundheitsförderung und Prävention – doch die Fachkräfte fehlen. Um die Leistungen der Apotheker und auch ihre Einsatzorte tatsächlich auszuweiten, bedürfe es echtem Handlungsdruck (finanziell) und einen politischen Gestaltungswillen, so Putenaus. Und damit ist man in anderen Ländern offensichtlich weiter als hierzulande. In Australien bekommen Apotheker es etwa bezahlt, wenn sie zu Patienten nach Hause gehen, um die Medikation zu prüfen und dem Hausarzt darüber zu berichten (Home Medicines Review). In Kanada können sie in einigen Provinzen Folgeverordnungen ausstellen und unter bestimmten Umständen sogar eine Therapie mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln initiieren. Auch Impfen ist in fast allen kanadischen Provinzen erlaubt. Die Schweiz schreitet in diesem Feld ebenfalls voran. Besonders interessant ist aus Puteanus Sicht zudem das Modell netCare, das es Schweizer Apotheken ermöglicht, 25 Krankheiten nach einem Algorithmus abzuklären. Dabei kann gegebenenfalls auch ein Arzt per Video hinzugezogen werden. Wichtig sei bei diesen Modellen auch, gleich zu untersuchen, ob sie etwas bringen und an den nötigen Stellschrauben zu drehen, wenn etwas nicht so funktioniert wie gedacht. Denn auch die wissenschaftliche Fundierung der neuen Leistung muss stimmen.
Puteanus´ Fazit: Die Zeit ist jetzt gut, über neue Ansätze dieser Art zu diskutieren – am besten international und interdisziplinär. Die Apotheker seien bereit für Veränderungen. Man müsse gerade in der jetzt anstehenden Honorardiskussion überlegen, wie ihr pharmazeutisches Potenzial besser genutzt werden kann. Insbesondere um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern, aber auch um den Nutzen der Apotheken in der Primärversorgung weiterzuentwickeln. Zugleich ist der VdPP-Vorstand überzeugt: Wer eine neue Leistung honoriert bekommen möchte, muss auch belegen können, dass sie etwas bringt. Damit ist man allerdings wieder bei dem von Bauer angesprochenen „Henne-Ei-Problematik“.
1 Kommentar
Nüchtern rechnen statt sympathisch schwärmen
von Wolfgang Müller am 15.11.2017 um 12:15 Uhr
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